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Tame Impala (live auf dem Primavera Sound, 2013) © Dani Canto

Seit Monaten spielen Tame Impala im Rahmen ihrer Welttournee in ausverkauften Hallen. Sänger Kevin Parker erzählte uns vor dem Aufritt im Berliner Astra Kulturhaus am 3. Juli 2013 von neuen Bandmitgliedern, alten Zeiten in Paris und warum er lieber barfuß auf die Bühne geht.

regioactive.de: Vor zwei Wochen wolltet ihr beim Hurricane Festival spielen, aber leider wurde der Auftritt kurzfristig abgesagt. Was war da los?

Kevin Parker: Wir konnten nicht auftreten, weil unser Equipment nicht rechtzeitig geliefert wurde. Wir kamen gerade aus Philadelphia, wo wir unsere Instrumente nicht ins Flugzeug mitnehmen durften. Die wurden dann separat eingeflogen, aber leider viel zu spät. Wir hatten noch überlegt, uns Instrumente von anderen Bands zu borgen, aber…

regioactive.de: …das wäre nicht dasselbe gewesen.

Kevin Parker: Es wäre nicht mal annähernd dasselbe gewesen! Das wäre ein sehr langweiliges Konzert geworden. Wir haben uns selbst sehr geärgert, weil wir dort nun hinter der Bühne standen und nichts tun konnten.

regioactive.de: Konntet ihr euch stattdessen wenigstens ein paar Bands anschauen?

Kevin Parker: Ja klar, wir sind dann da rumgelaufen und haben uns Portishead angeschaut. Und Rammstein, die waren echt super!

"Kein Gefühl der Traurigkeit"

regioactive.de: Ihr spielt ja jetzt schon zum dritten Mal in Berlin. Hattet ihr denn bisher mal die Chance, euch einen Eindruck von der Stadt zu machen?

Kevin Parker: Definitiv, Berlin gehört zu den Städten, in denen wir am liebsten unsere freie Zeit während der Tour verbringen, weil hier alles so entspannt ist. Du kannst bei irgendwelchen Typen im Park Gras kaufen, rumhängen, Bier trinken und tun, wozu du Lust hast. Unser ehemaliger Bassist Nick Allbrook hat hier sogar mal für ein Jahr gewohnt.

regioactive.de: Wo wir gerade von Nick sprechen: Der ist ja leider kürzlich erst ausgestiegen und nun hat Cam Avery seinen Part übernommen, der auch bei The Growl und POND spielt. Wie erlebt ihr diesen Wechsel innerhalb der Band?

Kevin Parker: Natürlich verändert es ein paar Dinge, aber wir kommen damit gut zurecht. Als Nick gegangen ist, gab es da eigentlich kein „leider“ oder ein Gefühl der Traurigkeit. Er brauchte einfach eine Auszeit, um sich wieder auf andere Dinge zu fokussieren und auch das Touren mit Tame Impala wurde ihm schlichtweg zu viel. Wir respektieren seine Entscheidung und freuen uns für ihn, weil es ihm jetzt besser geht. Cam als neuen Bassisten ins Boot zu holen, war ziemlich einfach, weil wir uns seit vielen Jahren kennen und auch schon in verschiedenen Bands zusammen gespielt haben.

"Die Musik ist immer das Wichtigste"

regioactive.de: Ihr kommt ja auch alle aus einer kleinen Musikerszene in Perth, wo jeder verschiedene Projekte hat und es ist vollkommen normal für euch, öfters zwischen einzelnen Bands hin und her zu wechseln. Welche Vorteile hat das gegenüber Bands, in denen jeder strikt seine vorgegebene Rolle und sein Instrument spielt?

Kevin Parker: Ich könnte es mir gar nicht anders vorstellen. Es ist einfach wesentlich entspannter, wenn die Rollen weniger definiert sind. Jay Watson war zum Beispiel jahrelang unser Drummer bei Tame Impala, nun steht er stattdessen am Keyboard und Julien Barbagallo sitzt dafür an den Drums. Ich denke, wir sehen uns einfach alle als Teil eines Projekts, bei dem die Musik immer das Wichtigste ist und wo es für den einzelnen keinen Unterschied macht, welches Instrument er spielt, solange er involviert ist. Wir sind eben wie eine große Familie.

regioactive.de: Als ihr vor ein paar Jahren bekannt wurdet, kam einem das wie ein Lichtstrahl am Horizont vor, nachdem die Indiewelle der 2000er sich allmählich totgespielt hatte. Nehmt ihr euch selbst als Teil einer neuen psychedelischen Bewegung wahr oder sehr ihr euch vielleicht sogar als deren Begründer?

Kevin Parker: Für uns kommt zunächst immer das Musikmachen an sich, bevor wir über sowas nachdenken. Und viel wichtiger als alles andere ist uns auch die Qualität der Musik. Natürlich versuchen wir offensichtlich etwas zu schaffen, was vorher noch kein anderer gemacht hat und sind ständig am Rumexperimentieren. Ich weiß nicht, ob wir eine neue Strömung damit anführen, aber das anzunehmen, wäre auch ziemlich arrogant von uns.

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Lonerism-Cover entstand in Paris

regioactive.de: Heute Abend werden Melody’s Echo Chamber als Vorband spielen, deren aktuelles Album du produziert hast und deren Frontfrau Melody gleichzeitig deine Freundin ist. Wie hat sich das ergeben, dass ihr zusammen auftreten könnt?

Kevin Parker: Wir haben während der Tour schon ein paar Shows zusammen gespielt, beispielsweise in London, Paris und vorgestern in Köln. Das wollten wir schon seit langer Zeit so machen, weil wir uns musikalisch sehr gut ergänzen und auch mit den Jungs aus ihrer Band gut befreundet sind. Offiziell ist das unsere erste gemeinsame Tour, wir haben aber früher schon gemeinsame Shows gehabt, als Melody noch unter dem Bandnamen My Bee’s Garden Musik gemacht hat.

regioactive.de: Das Cover eures aktuellen Albums Lonerism war etwas überraschend, weil man nach Innerspeaker mit einer ebenso psychedelischen Aufmachung gerechnet hätte. Stattdessen zeigt es den Jardin de Luxembourg in Paris, und zwar durch ein Eisentor fotografiert. Was hat es damit auf sich?

Kevin Parker: Ich habe mal eine Zeit lang in Paris in der Nähe dieses Gartens gewohnt. Damals habe ich da ständig rumgehangen und das Bild irgendwann zufällig zum Frühlingsanfang aufgenommen. Ich dachte einfach, dass es echt cool zu dem Album passt und auch dessen Bedeutung unterstreicht, aber auf weitaus subtilere Weise. Es ist die Ichperspektive von jemandem, der glückliche Menschen in einem Park sieht, aber von der anderen Seite des Gitters. Dahinter steht die Idee, nicht Teil dieser Menschen zu sein oder auch vom Rest der Welt ausgeschlossen zu sein. 

"Ich kann beim Spielen keine Schuhe mehr tragen"

regioactive.de: Wann wird es für euch Zeit, zurück ins Studio zu gehen? Kommst du auf Tour überhaupt dazu, neue Ideen zu entwickeln und Songs zu schreiben?

Kevin Parker: Ich denke, dass sich auch auf Tour genügend Zeit findet, um kreativ zu sein, allerdings nicht im Sinne von neugeschriebenen Songs, die dann tatsächlich produziert werden. Wir bauen auch ständig neue Ideen auf der Bühne ein, aber die sind dann auch meist nur für die Live-Performance gedacht. Über konkrete Songs für ein neues Album werde ich wahrscheinlich erst nachdenken, wenn ich wieder zuhause bin. Damit hab ich es aber überhaupt nicht eilig. Ich denke zwar öfters über neues Material nach, will mich da aber selbst nicht unter Druck setzen und mich erst dann intensiv mit einem neuen Album beschäftigen, wenn die Zeit reif ist.

regioactive.de: Wirst du heute Abend wieder barfuß auftreten?

Kevin Parker: Auf jeden Fall, ich kann beim Spielen keine Schuhe mehr tragen. Das hat aber mehr praktische Gründe, weil ich dann die Effektpedale besser steuern kann. Und weil ich mit Schuhen das Gefühl habe, dass ich jeden Moment umfallen könnte.

regioactive.de: Hat das mehr mit Bequemlichkeit oder mit Lampenfieber zu tun?

Kevin Parker: Ich mag es einfach bequem, wenn ich auf der Bühne stehe. Dann ist es ein bisschen so, als würde ich zuhause in meinem Wohnzimmer stehen und Gitarre spielen – mit dem Unterschied, dass mich dort keine Leute anschauen. Aber ja, es hat schon eine lange Zeit gedauert, bis ich vor dem Publikum keine Angst mehr hatte.

regioactive.de: Vielen Dank für das Interview, Kevin!

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