Kevin Hamann/ClickClickDecker (live im Projekt 7 in Magdeburg, 2009)
Foto: Julian Reinecke

Kevin Hamann/ClickClickDecker (live im Projekt 7 in Magdeburg, 2009) Foto: Julian Reinecke © regioactive.de

ClickClickDecker setzten sich Mitte Oktober noch einmal in den Bus, um die letzten Konzerte vor der großen Pause zu spielen. Ihr letzter Halt war der Theaterkeller in Göttingen. Am späten Nachmittag trafen wir im dazugehörigen Café auf Kevin Hamann. Kurzerhand rief er Oliver Stangl an, der spontan noch zum Interview erschien. Während sich Simon Rass mit dem Hund beschäftigte und Lars Lewerenz die Zeit vor dem Konzert nutzte, um einige Stunden Schlaf nachzuholen, standen uns Kevin und Oliver Rede und Antwort.

{image}regioactive.de: Heute ist das letzte Konzert der Tour vor einer längeren Pause. Wie ist die Stimmung?
Kevin: Die Stimmung ist hervorragend! Wie gesagt: Lars muss kurz schlafen, Simon hat den Hund gefunden und wir sind auch guter Dinge.
Oliver: Aber ein bisschen wehmütig auch, finde ich. Weil es immer sehr schön ist und war, das ganze Jahr bisher. Aber die Stimmung ist trotzdem bestens.
Kevin: Ich glaube, das kommt bei mir erst später, diese Wehmütigkeit. Wir haben ja zum Glück noch ein letztes Konzert in Hamburg, allerdings nur als Support für Muff Potter. Und insofern ist es auch nicht das Allerletzte.

RA: Im Theaterkeller in Göttingen, in dem ihr heute spielen werdet, herrscht eine bestimmte Preispolitik, so dass Konzerte dort nie mehr als 6-7 Euro kosten. Eigentlich sind eure Konzerte teurer. Wie wird es heute sein?

Kevin: Wir haben uns den Laden ja ausgesucht. Wir wollten gerne hier spielen. Dass sie diese Preispolitik hier so haben weiß ich und damit sind wir völlig konform. Wir klären so etwas ja vorher mit dem Veranstalter ab. Und dann kann man ja abwägen: "Ist es mir wichtig da zu spielen?" Dann geht man eben aufeinander zu und sagt: "Okay, dann bleibt es bei 7 Euro. Wir können bei euch spielen und haben einen tollen Abend." Das ist uns viel wichtiger.

Oliver: Wird unterschrieben.

RA: Wenn ihr zusammen auf Tour geht, gibt es da feste Regeln untereinander? Irgendwelche Verbote?

Oliver: Nein. Das schöne ist, dass wir uns untereinander so einig sind, dass das Sachen sind, über die man nicht reden muss.

Kevin: Ja, genau. Es gab noch nie ein Regelbuch oder so. Klar gerät man auch mal aneinander, aber ich glaube wir sind alle so feinfühlig und achten so sehr aufeinander und wollen, dass wir eine gute Zeit haben. Insofern brauchen wir so was nicht. Das regelt sich von selbst.

{image}RA: Auf Fotos und Videos, die ihr selbst online stellt, sieht man euch während der Tour oft bei gemeinsamen Unternehmungen. Wer plant diese Ausflüge und wie wichtig ist euch das?

Oliver: Das ist meistens Zufall.

Kevin: Planen tun wir schon mal gar nicht.

Oliver: Wenn die Zeit bleibt, dass man mal rumlaufen oder mal irgendwo rausfahren kann, dann sind auch meistens alle dabei oder man teilt das auf oder einer hat mal mehr Bock zu schlafen, wie gerade jetzt.

Kevin: Dass wir das dann online stellen, machen wir, weil es super langweilig ist, immer nur Konzertfotos von uns hochzuladen, denn wir sehen ja eh immer gleich aus.

Oliver: Ich glaube, das ist auch für die Leute wahnsinnig langweilig.

Kevin: Und für uns ist es einfach interessanter, unsere Alltagsgeschichten zu teilen.

RA: Wie läuft die Ernährung auf Tour, nehmt ihr währenddessen viel zu?

Kevin: Ach, ich nehme andauernd auf Tour zu. Man isst immer viel zu viel. Oft auch ungesund. Auf dem Weg zum Schlafen drückt man sich noch was rein. Ich trinke viel Bier. Eigentlich fast nur. Bei Bratze nehme ich ab, bei ClickClickDecker zu. Klar könnte man auf gute Ernährung achten. Das ist eher mein Problem, dass ich das nicht abstellen kann. Ich bin nun mal ein Genusstier. Aber ich muss dazu auch sagen, ich bin auch nicht der Einzige, der etwas zunimmt. Wir sind alle so Schlemmermäuler.

RA: Was nervt euch am Tour-Alltag allgemein am meisten?

Oliver: Mich nervt es eigentlich nur, wenn man warten muss und nichts machen kann. Die Situationen, in denen man dann auch gerade nicht weg kann oder so. Sonst nervt mich eigentlich nichts weiter.

Kevin: Das mit dem Warten unterschreibe ich auch. Das ist eigentlich alles. Das mit dem Essen und Trinken haben wir ja schon vorher geklärt, das nervt mich natürlich auch.

Kevin, du hast Oli in deinem Blog als "den geilsten Typen der Welt" bezeichnet..

Kevin: Echt? Das kann nicht sein! Ach doch ja, nach dem Reeperbahn Festival. Stimmt, Oli ist ja nun seit 2 Monaten dabei. Haben wir gerade gelesen. In Erfurt war jemand von einem Magazin da, der dann schrieb: "Besonders hervorragend war Herr Oliver Stangl, der gerade erst vor 2 Monaten zu der Band gestoßen ist."

Oliver: Wie lange spielt Oliver Stangl bei ClickClickDecker? 2 Monate oder 3 Jahre? - 2 Monate! - Mööööp, falsch!

{image}RA: Kevin, du trägst auf jedem Konzert das gleiche Bühnen-Outfit. Hat das einen bestimmten Grund?

Kevin: Es ist praktisch! Ich muss mich nicht immer für irgendwas entscheiden,denn ich habe mich einmal entschieden. Es ist nun mal so, dass ich es auf der Bühne anziehe, dann schwitze ich es voll, dann schmeiße ich es in den Bus, trockne es und kann es dann am nächsten Tag wieder anziehen. Das ist der einzige Grund.

Oliver: Es ist einfach nur praktisch, explizite Klamotten für die Bühne zu haben. Sonst müsste man ja ungefähr 4 Koffer mitnehmen.

Kevin: Um zu vermeiden, dass ich mich dann nach dem Konzert erkälte, ziehe ich mich dann auch gleich wieder um. In meiner Jogginghose kann ich mich dann auch an der Bar wohl fühlen.

Oliver: Dafür kommt man dann aber nicht in Clubs rein, wie gestern in Kassel. Wir wollten nur fragen, wo es etwas zu essen gibt und der Türsteher so: "Ja, gleich da vorne. Aber du kommst hier so nicht rein!" Aber wollten wir ja gar nicht. Club 22, scheiß Laden!

RA: Was macht für euch allgemein ein gutes Konzert aus?

Kevin: Wenn viele Leute kommen ist es natürlich ganz hervorragend. Wenn eine Kommunikation mit dem Publikum statt findet. Dadurch passiert ja auch was. Das bricht diese Sprachbarriere weg. Dieses: Das sind die auf der Bühne und wir sind die, die zuhören. Das finde ich ganz schrecklich, dass da so eine Kommunikationsmauer dazwischen ist.

RA: Liegt es somit nur am Publikum oder hat es auch etwas mit eurer eigenen Stimmung zu tun?

Oliver: Es ist ein Zusammenspiel von ganz vielen Dingen. Es ist wichtig, wie es zwischen uns auf der Bühne läuft. Es gibt einfach Abende, an denen es besonders flutscht. Wo einfach unvorhergesehene Dinge passieren, über die man lachen muss. Und auf der anderen Seite das Zusammenspiel mit dem Publikum. Wenn beides funktioniert, dann ist es geil.

Kevin: Klar, wir müssen eben auch stimmen. Manchmal springt auch intern der Funke nicht über. Irgendwie kommt man nicht rein. Das gibt es auch. Diese Abende, wo man nach dem Konzert aufeinander zukommt und sagt: "Ich bin heute nicht rein gekommen. Keine Ahnung warum."

RA: Wird je nach Stimmung die Setlist verlängert oder gekürzt?

Kevin: Zur Zeit machen wir es sehr konsequent, nämlich dass wir sie komplett runter spielen und dann auch strikt aufhören. Ich mache das, weil ich immer noch angeschlagen bin von einer Grippe, weil ich sonst Gefahr laufe, am nächsten Tag nicht mehr gut abliefern zu können.

Oliver: Ich finde es als Zuschauer meistens auch besser, wenn das Konzert bei einem guten Moment aufhört, als dass man es ausreizt und dann vielleicht letztendlich kaputt macht.

Kevin: Lieber die Leute hungrig nach Hause schicken als übersättigt.

RA: Wie geht man mit Zwischenrufen aus dem Publikum um? Gibt es Sprüche, die euch nerven?

Kevin: Kommt darauf an. Ich finde es eigentlich super. Ich weiß sonst oft nicht, was ich erzählen soll und wenn es Zwischenrufe gibt, kann ich darauf reagieren. Sicher gibt es auch welche, die nerven, z.B. "Braaaatze!" und "Hightowers Herz!" oder umgekehrt "Der ganze halbe Liter!". Oder Leute, die beim allerersten Stück schon "Schuhe gekotzt!" rufen. Klar, da kann man dann halt drauf reagieren und sagen "Halt die Klappe!" oder auch eben nicht.

RA: Kevin, ist alles, was du auf der Bühne sagst, spontan oder überlegt man sich auch schon mal vorher, was man sagen könnte?

Kevin: Also, die Liedertitel sind ja fest. Die rattere ich dann ab. Sonst gibt es bestimmt ein paar Dinge, die man so im Repertoire hat. Von wegen "Hallo!, wir sind die und die..." und "Wie geht's?". Prinzipiell versuche ich aber eben gerne auf das Publikum einzugehen. Oder wir erzählen, was wir in der Stadt gemacht haben. Es ist eine Mischung aus beidem, aber zu 98% spontan.

RA: Wie geht man mit technischen Problemen um? Zieht das die Stimmung schnell runter?

Kevin: Wenn es nur kleine Wehwehchen sind, die man einfach lösen und adrett überspielen kann, dann ist es auch wieder schnell vorbei. Aber so wie z.B. in Magdeburg, das war eher nicht so schön. Da wurden die technischen Probleme immer schlimmer, das hat gar kein Ende genommen. Da waren wir dann alle ein bisschen raus und auch genervt.

RA: Welche Lieder spielt ihr live am liebsten?

Kevin: Alle!

RA: In welchen Städten spielt ihr am liebsten?

Kevin: Alle! Tja, wir sind Profis!

{image}RA: Welches war für euch das schlechteste Konzert des Jahres?

Kevin: Ich glaube Magdeburg. Ich hatte es schon wieder verdrängt, aber...

Oliver: Jetzt sind die Wunden wieder aufgerissen!

Kevin: Naja, nee, keine Wunden. Aber, doch, Magdeburg. Einfach weil die Umstände es dahin getrieben haben.

RA: Was meint ihr denn, wie viele Konzerte ihr dieses Jahr gespielt habt?

Kevin: Hm, keine Ahnung. Vielleicht waren es etwas über 50?

RA: Kevin, du hast mal gesagt, dass du zufrieden bist, wenn du 80 Konzerte im Jahr spielst. Reichen dir denn diese 50 nun auch?

Kevin: Ja, das reicht auf jeden Fall. Wir müssen auch nicht mehr ganz so viel machen, finde ich. Dieses ewige Touren. 2006 und 2007 waren wir einmal wirklich 23 Tage am Stück ohne Unterbrechung unterwegs. Das müssen wir nicht mehr unbedingt machen. Dafür sind wir mittlerweile vielleicht leider auch etwas zu alt.

RA: Wie leicht fällt es euch denn, nach der Tour wieder in den Alltag zurück zu finden?

Kevin: Mir fällt es sehr leicht.

Oliver: Ja, es gibt so viel zu tun, da macht man gleich wieder weiter. Das geht eigentlich immer flott.

Kevin: Bei mir geht das aber auch Hand in Hand. Ich spiele schon nächste Woche wieder das erste Konzert mit Bratze. Insofern komme ich da auch eigentlich weniger wieder zur Ruhe. Früher war es schwieriger, wenn man so lange unterwegs war, über drei Wochen. Dann ist man schon in so ein Loch gefallen, von wegen "Wo muss ich heute Abend hin?" und "Wo muss ich wann sein?".

Oliver: "Wo sind all die anderen?"

Kevin: "Wann muss ich was machen?" und "Wann gehe ich ins Bett?".  Man hat ja immer so einen straffen Zeitplan und auf einmal hast du ihn dann nicht mehr. Aber zur Zeit geht es.

RA: Worauf freut man sich am meisten, wenn die Tour zu Ende ist?

Oliver: Ich mag meine Badewanne!

Kevin: Ich freue mich auf zu Hause, auf meine Freundin. (An Oli gerichtet) Ich freue mich, dass ich dich nicht mehr sehen muss.

RA: Es gab ja besondere Locations auf der Tour, wie z.B. das Zeise Kino in Hamburg. Wer kam denn auf die Idee, gerade dort zu spielen?

Kevin: Das habe ich mir ausgedacht. Das war ja für das Album-Release und ich wollte nicht nur eine normale Konzerthalle in Hamburg haben. Ich hatte vor ein paar Jahren schon mal bei einem Singer/Songwriter-Slam ein Lied dort gespielt und habe dadurch den Veranstalter kennengelernt. Ich hatte gehofft, dass das ein geiler Abend wird. Ich war dann aber doch selbst überrascht, dass es fast drei Stunden gedauert hat. Aber ich hatte halt vorher geplant, alles zu spielen was geht und dadurch hab ich mir eben diese Suppe selbst eingebrockt. Aber ich hatte ja auch Bock darauf, weil ich ja vorher 1½ Jahre nicht mit der Band aufgetreten bin, da hatte ich einiges an Nachholbedarf.

Oliver: War aber eigentlich auch sehr bunt dieses Jahr: Kino, Zirkuszelt und Kirche. War gut.

Kevin: Theater, jetzt vor ein paar Tagen in Trier. Plattenladen, Michelle Records in Hamburg. Es ist einfach schön, mal was anderes als einen Keller oder einen Club zu haben.

{image}RA: Wie kam die Liederauswahl bei eurem Auftritt beim Reeperbahn Festival zustande?

Kevin: Wir wurden eingeladen, während des Reeperbahn Festivals in den Fliegenden Bauten zu spielen. Das wurde vom NDR aufgenommen. Da haben wir uns überlegt, was man da machen kann. Bandaufnahmen hatten wir gerade erst einige. Vielleicht kann man auch aus den Aufnahmen was machen, die man später als CD veröffentlichen kann. Die Liederauswahl war einfach nur nach der Überlegung: Was kann man mal in einem anderen Gewand vortragen?

Oliver: Es gab sowieso schon ein paar Songs, die wir nur zu zweit mal gespielt hatten, die kamen dann schon in Frage.

RA: Ihr spielt im Dezember euer letztes Konzert vor der Pause als Support für Muff Potter. Wie kam es dazu?

Kevin: Es kam dazu, als ich vor kurzem in Berlin bei TV Noir war. Ich habe bei Nagel, dem Sänger von Muff Potter, geschlafen. Da hat er mich dann gefragt. Die wollten eigentlich gerne mit Herrenmagazin spielen, aber die haben an dem Tag schon ein anderes Konzert. Insofern war das dann frei und Nagel war ganz froh, jemanden gefunden zu haben. Also haben wir damit sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Wir können noch ein letztes Mal in Hamburg spielen und die haben einen Support.

RA: Die Pause steht jetzt an. Oli, was wirst du in der Zwischenzeit machen?

Oliver: Radio werde ich machen. Ich arbeite bei byte.FM. Und Musik hoffentlich anderweitig auch. Ich habe da noch eine andere Band in Nürnberg bzw Berlin. Missouri heißt die, da machen wir gerade neue Aufnahmen und mal gucken, was sonst noch so passiert. Ich bin frohen Mutes. Ich muss auf jeden Fall Musik machen, sonst werde ich traurig.

Vielen Dank für das Interview!

Alles zu den Themen:

clickclickdecker kevin hamann