Rainer Döhring auf der Bühne mit seiner Band Four Sided Cube.
Foto: Jutta Leiske

Rainer Döhring auf der Bühne mit seiner Band Four Sided Cube. Foto: Jutta Leiske © fokus-eventphotos.de

Den Ländern und Kommunen geht es nicht erst seit der Finanzkrise finanziell schlecht. Darunter leiden besonders die kulturellen, nicht-kommerziellen Einrichtungen, die auf Zuschüsse angewiesen sind. In Mannheim wurde nun ein Notruf des Jugendkulturzentrums Forum laut, das um seine Existenz kämpft. Eine erfolgreich angelaufene Unterschriftenaktion sorgt für Aufmerksamkeit. regioactive.de sprach mit Rainer Döhring, der im Forum das Newcomer-Projekt "fresh!" betreut, über die schwierige Situation.

{image}RA: Hallo Rainer! Danke, dass du dir die Zeit für ein Gespräch nimmst. Was ist derzeit deine Rolle im Forum?
Rainer Döhring: Ich manage das Newcomer-Förderprojekt "fresh!" im Bereich Musik im Jugendkulturzentrum Forum in Mannheim. In diesem Rahmen veranstalte ich Konzerte mit jungen regionalen Bands, biete ihnen Workshops und Coachings an, betreibe das Newcomerportal www.fresh-mannheim.de und versuche innerhalb sowie außerhalb der regionalen Newcomerszene die Akteure und Projekte zu vernetzen. Ich tue dies im Rahmen einer ¼-Stelle mit sehr wenig eigenen Geldmitteln und, wenn möglich, Mitteln von außen – hier wäre die Unterstützung durch die kommunale Popförderung in Person von Sebastian Dresel zu nennen.

{image}"fresh!" gehört zu einer Vielzahl der Projekte, die im Forum laufen. Mit welchen Zielen wurde es ins Leben gerufen und welche Unterstützung erfuhr diese Reihe bisher?

Rainer Döhring: "fresh!" ist ja letztlich nur eine Fortführung der seit 30 Jahre existierenden offenen Bühne im Forum. Die Arbeit hatte schon immer die Zielsetzung, Szene und Szeneeinsteiger aneinander zu führen. Sowohl auf Seite der Produzenten, also der Musiker, Veranstalter etc., als auch der Konsumenten, also Publikum, Presse etc.. Über den Veranstaltungscharakter hinaus kamen über die Jahre mehr und mehr Qualifizierungsangebote ins Portfolio der Arbeit. Schlussendlich machen wir inhaltlich das, was kommunale Popförderung laut der verschiedenen Konzepte sein soll, die man von Kulturamts- und auch Stadtmarketingsseite kennt.

Und wie du zu Recht sagst, für diese Popförderung ist das Forum schon lange bekannt.

Rainer Döhring: Claus Boesser-Ferrari und Jens Blei, zwei meiner Vorgänger, haben kommunale Popförderung schon betrieben, da gab es in der Stadt weder Popbeauftragten, noch Musikpark, noch Popakademie. Insofern ist die jetzige Unterstützung durch den Popbeauftragten ein bißchen auch das Bewahren altbewährter Strukturen, auf denen das "Mannheimer Modell" gebaut wurde, über die man heute aber viel zu selten spricht – schon gar nicht in den höheren Etagen unseres städtischen Politk- und Marketingbetriebs.

{image}Wie stellt sich die Situation für das Forum aktuell dar?

Rainer Döhring: Wie sich auch aus der Petition unseres Fördervereins herauslesen läßt, ist es so, dass die tariflich bedingt stetig steigenden Personalkosten den Gesamtetat des Stadtjugendrings, der ja der Träger unserer Einrichtung ist, derart belasten, dass ohne eine Dynamisierung – also Erhöhung des städtischen Zuschusses um genau jene Kostensteigerung – im Ergebnis mittelfristig nicht nur die Sachmittel ausgehen, sondern im schlimmsten Fall auch Inhalte und Stellen zur Disposition stehen. Der Stadtjugendring, und damit all unsere Angebote im Forum, steht in unmittelbarer Abhängigkeit von den Zuschüssen der Stadt Mannheim.

Zuschüsse, die dringend wachsen müssten, wenn ich dich richtig verstehe.

Rainer Döhring: Ja, denn die Arbeit im Forum ist unabhängig von den anstehenden Haushaltsentwicklungen bedroht. Selbst wenn wir den gleichen Zuschuss wie im Jahr 2008 bekämen, heißt das für uns effektiv, dass uns weniger Geld zur Verfügung steht, weil die Kosten konstant steigen, diese aber nicht abgefangen werden. Wenn es zu einer kulturellen "Flurbereinigung" kommt, die in unserem Falle völlig unangemessen wäre, wäre das eine Katastrophe.

Wann fallen konkrete Entscheidungen bezüglich des Förder-Budgets?

Rainer Döhring: Was ganz konkret auf uns zukommen wird, das wird der offiziellen Haushaltsentwurf zeigen, der dem Gemeinderat jedoch wohl erst 2 Tage vor Weihnachten, also am 22.12., vorgelegt werden wird. Erst dann wissen wir en detail, was für die Zukunft zur Diskussion steht. Wir wollen uns aber rechtzeitig in Stellung bringen und unsere Arbeit präsentieren, weil die Situation jetzt schon bedrohlich ist.

{image}Was entgegnest du jenen, die ausgerechnet den kulturellen Sektor als Sparmaßnahme in Erwägung ziehen?

Rainer Döhring: Manchmal hat man das Gefühl, dass man mit Argumenten, sprich dem reinen sachlichen Informationsaustausch, kaum noch etwas erreichen kann. Es wird immer von "Investitionen in die Zukunft" gesprochen, von der "Kulturhauptstadt Mannheim 2020" und vielem mehr, und ich frage mich dann, ob der Situation im Forum, aber auch bei Zeitraum Exit und vielen anderen, ob die, die da derart hehre Ziele verfolgen, eigentlich den Knall schon gehört haben. Wer sollen denn 2020 die Produzenten und Konsumenten von Kultur in der Kulturhauptstadt Mannheim sein, wenn man in den Jahren 2009 und 2010 die Basis austrocknet? Wurde denn ernsthaft verstanden, auf welchem Fundament man versucht hat, die "Popmetropole Mannheim "zu errichten?

Die Kluft zwischen Anspruch und wahrgenommener und erlebter Wirklichkeit geht deiner Ansicht nach weiter auseinander?

Rainer Döhring: Richtig. Und da muss man sich, das denke ich schon, das Recht herausnehmen um provokanter nachzufragen, mit welchen Inhalten und mit welchen Strukturen sich Mannheim eigentlich künftig zur Kreativmetropole oder gar einer Kulturhauptstadt wandeln will. Für viele, die seit Jahren an der Graswurzel arbeiten, wird eine zynische Skepsis, ob der Dinge, die da hoffentlich nicht kommen mögen, zum besten Partner in der täglichen Arbeit – traurig aber wahr. Letztlich wollen wir dem kulturellen Nachwuchs ja vermitteln mit frischer Tatkraft und Kreativität ans Werk zu gehen. Nur: wenn ich keine Bühnen in der Stadt habe, bräuchte ich eigentlich keine Instrumente unterrichten, geschweigen denn verkaufen, darf dann aber noch weniger von kreativen Menschen und Kreativwirtschaft reden. Kreativität muss sich entwickeln können und dazu brauch es vielerlei Labore.

{image}Zwischen Popakademie, Musikschule, Musikhochschule, Ganztangsschulen, etc. – welche Rolle kann und muss deiner Meinung nach das Forum übernehmen?

Rainer Döhring: Genau da sind wir am entscheidenden Punkt: der- oder diejenige, die an der Popakademie oder der Musikhochschule studieren soll, der muss sich vorher im Feld Musik ausprobiert haben, muss mal ein Konzert gespielt oder organisiert haben, muss den Sound, der zu Person und Leben paßt gefunden, muss also über das Ausdrucksmedium Musik seine Identität gefunden haben.
Dazu brauch es wie eben schon gesagt die entsprechenden Labore und Räume – auch zeitliche Räume, Frei-Räume. Und da ist Schule sicher der am wenigsten geeignete. Schule als Ort des ersten Kennenlernens, das ja – zum Beispiel über Popakademie-Projekte wie "School of Rock". Aber wenn es um die wirkliche Identititätsfindung geht, dann will ich da keinen Lehrer, der mir die ganze Zeit nur Aufgaben und kluge Ratschläge gibt, um mich herum haben, da will ich nicht noch länger den ganzen Tag genau in dem Gebäude herumhängen, das mir in einem bestimmten Alter am meisten zum Hals heraushängt. Schule muss seine Schüler, wenn es ihnen wirklich gerecht werden will, auch ganz bewußt zugestehen, dass sie "da draußen" andere Dingen lernen dürfen. An diesem Punkt sollten Schulen auch so ehrlich sein und sagen: "diese Themen beackern andere besser". Musikschulen wiederum sollen die ersten, vor allem technische Schritte ermöglichen, damit junge Menschen überhaupt das kreative Arbeiten mit Musik ausprobieren können. Dabei ist auch wichtig, dass jeder Musik-Schüler individuell unterrichtet werden kann.

{image}Du siehst das Forum und "fresh!" also in klarer Agbrenzung zu institionellen Angeboten als einen solchen, dringend notwendigen "Frei-Raum"?

Rainer Döhring: "fresh" übernimmt ganz verschiedene Funktionen: Bei uns erhalten Bands, die sich möglicherweise gerade aus dem Umfeld von Musikschulen oder Schulbands heraus entwickelt haben, Betreuung bei ihren ersten Schritten als Band. Und mittels unterschiedlicher Aktionen werden sie in die lokale Musikszene eingeführt. Es entstehen dabei immer auch Situationen, in denen man mit einzelnen Musikern und Musikerinnen nicht nur über Musik redet, sondern auch viel über das "normale Leben" spricht. Letztlich natürlich darüber, welche Rolle die Musik bei der Bewältigung des schulischen, des familiären und des gesellschaftlichen Alltags einnimmt. Bei manchem hat sich aus solchen Gesprächen und der längeren Zusammenarbeit auch der Wunsch zur Professionalisierung im musischen, künstlerlischen, kreativ-, auch kreativwirtschaftlichen und kulturellen Bereich herauskristallisiert. Ich hatte durchaus schon mit Leuten zu tun, die ich als junge Musiker kennengelernt habe, über meine Arbeit im Forum und auch meine eigene Band ein wenig betreut habe, um letztlich zu empfehlen, sich doch mal an der Popakademie zu bewerben. Teilweise waren das auch Leute, die ihre ersten Gitarrengriffe an der Musikschule Mannheim gelernt haben. Und genau so macht das Mannheimer Modell auch Sinn: Alle Bausteine ergeben ein großes Ganzes!

Welche Aktionen sind jetzt geplant, um verstärkt auf die kritische Situation aufmerksam zu machen? Welche Unterstützer hat das Forum bereits auf seiner Seite?

Rainer Döhring: Wir versuchen über zahlreiche Kanäle Aufmerksamkeit herzustellen. Dazu geht natürlich jeder aus dem Forum-Team zunächst mal an seine Verteiler, die wiederum enthalten viele TeilnehmerInnen unserer Angebote, ebenso wie Netzwerk-, Kooperations- und Medienpartner – alle werden auf den gleichen Informationsstand gebracht, um Falschmeldungen, die uns natürlich bei unserem Vorhaben nur schaden würden, möglichst zu vermeiden. Unsere Arbeit ist von einem hohen Aufkommen an Kontakten und Vernetzungsmöglichkeiten geprägt. Dieses massiv zu nutzen, um auf möglichst vielen Ebenen der gesellschaftlichen Wahrnehmung unsere Arbeit zu präsentieren, ist jetzt die Arbeit der Stunde. Ein praktisches Mttel ist die bereits angesprochene Online-Petition, zu der es "analog" auch eine Unterschriftenaktion des Fördervereins gibt, die überall da stattfindet, wo wir oder unsere Sympathisanten eine Unterschriftenliste auslegen. Diesen Aufruf kann man als PDF herunterladen.

{image}Wir hoffen, dass sich daran auch zahlreiche unserer Leser und natürlich Musiker beteiligen!

Rainer Döhring: Das hoffe ich auch, denn das Ziel ist natürlich, möglichst viele Unterstützer zu sammeln, um damit auch einfach mal zu signalisieren, dass wir uns nicht im luftleeren Raum bewegen. Parallel dazu sammeln wir fachliche Statements, die die Qualität unserer Arbeit einerseits und die Eingebundenheit in regionale, kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge andererseits beschreiben sollen. Da laufen gerade sehr viele Daten zusammen, die in den nächsten Tagen aufbereitet werden. Außerdem stiften wir alle Teilnehmer und Unterstützer inner- und außerhalb des Forums dazu an, auch ihre Vernetzung für uns wirken zu lassen, und wenn möglich auch auf Entscheidungsträger in der Kommunalpolitik oder der Stadtverwaltung einzuwirken, dass eben die beschriebene Arbeit und die Anliegen der freien kulturellen Szene mehr sind, als nur verklausulierte Posten in einem riesigen Zahlenwerk. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil dessen, was Mannheim in 2020 eigentlich verkörpern will, oder besser: verkörpern wollen sollte, wenn es denn wirklich Kulturhauptstadt werden will...

Danke dir für das Gespräch, Rainer!

 

Unterstützt das Anliegen des Forum!