Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung

Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung © Jim Rakete

Der Kunst des Zweifelns über die Frage, wo alle Rapper geblieben sind, folgen nostalgische Kindheitserinnerungen, die den Hörer geradewegs in die Schnittmenge zwischen Klamauk und Intellektualismus stürzen. Zugegeben, es ergibt tatsächlich mehr Sinn, die neuen Alben von La Coka Nostra, Rainald Grebe, Afrob, Pathos Legal und Monsters of Folk einzeln zu beleuchten. Den Anfang machen wir mit einer neuen HipHop-Supergroup.

La Coka Nostra * Rainald Grebe * Afrob * Pathos Legal * Monsters of Folk

La Coka NostraA Brand You Can Trust | Suburban Noize Records

{image}Nein, bei den fünf weißen Burschen von La Coka Nostra handelt es sich nicht um die gecastete Gewinnertruppe der White Rapper Show. Vielmehr ist das Projekt eine vorübergehende Reunion des House-of-Pain-Trios Danny Boy, Everlast und DJ Lethal, zu dem sich außerdem noch Ill Bill von Non Phixion und Slaine von Special Teamz gesellen. Ein staubtrockenes Hardcore-Konglomerat, das unlängst den Anspruch hegt, eine neue HipHop-Supergroup zu sein. Schon das CD-Cover ist mit Knarren und Totenkopf derart bedrohlich gestaltet, dass man es sich am liebsten als Backpatch auf seine Rocker-Kutte aufbügeln möchte. Eröffnet wird A Brand You Can Trust dann auch nicht ganz überraschend mit einem Gitarrenriff, auf das Everlast kratzbürstenartig seine markante Membran zum Einsatz bringt. Den letzten Schliff verpasst dem Ganzen Sen Dog von Cypress Hill und so ist das Blut mit Bloody Sunday bereits gut in Wallung geraten. Dass das auch weiterhin so bleibt, dafür sorgen die meist treibenden Produktionen, die größtenteils von dem Limp Bizkit Mitglied DJ Lethal stammen. Eine kleine Verschnaufpause gibt es zwischenzeitlich nur durch das Leierkasten-Sample von Bang Bang, auf dem Snoop Dogg als reimender Gast das Mic testet. The Stain setzt verstärkt auf Gitarrenklänge und Everlast kann sich hier als flexible Komponente innerhalb der Familia präsentieren, indem er zwischen rauchigen Gesangsparts und harten Raps switcht. Zu den stärkeren Tracks des Albums gehört I’m An American, wobei mit B-Real gleich der zweite Rapper vom befreundeten Cypress Hill gastiert. Inhaltlich ist der Einfluss des Straßenlebens in Lateinamerika und Los Angeles kaum zu überhören, weshalb LKN des Öfteren Tony Montana würdigen und stets Drogen und Gewalt thematisieren. Hinter aller Aggressivität bergen die Titel durchaus auch Gesellschaftskritik, zum Beispiel wenn Immortal Technique sich für Nuclear Medicinemen in die endlos lange Featureliste einträgt. Zu den Highlights der brachialen Scheibe zählt definitiv der von Alchemist gezimmerte Beat Choose your Side, auf dem Everlast raptechnisch zwar schwächelt, Ill Bill und Bun B von den Underground Kingz aber kompromisslos in die Presche springen. Ein Album, das zwar nicht vom allergrößten Schlag ist, allerdings den Status von La Coka Nostra als Supergroup manifestiert. 

Wertung: ++++ (Andreas Margara)

 

Rainald GrebeDas Hongkongkonzert | Broken Silence

{image}Rainald Grebe gibt in seinem neuen Liveprogramm Das Hongkongkonzert den globalen Alleinunterhalter. Der rote Faden Grebes ist dabei der Irrsinn, der sich in Radio, Zeitung, Fernsehen und auch auf den Bühnen dieser Republik alltäglich abspielt. Die Unberechenbarkeit der Themenwechsel und die Vielfalt des Repertoires halten dabei die Spannung aufrecht. Zwischen Klamauk und Intellektualismus ist somit alles dabei. Die Hits von Chris de Burgh, James Blunt und The Eagles bilden zu Beginn das Hintergrundgeräusch für die Standardbespaßung. Und genau mit dieser Form der Unterhaltung nimmt es Rainald Grebe über 70 Minuten lang auf. Er gibt dabei "neue" Einblicke in das Schaffen Matthias Reims, fasst mit China die Stereotype und Verlogenheiten über das Reich der Mitte zusammen, um dann den Unterhaltungswahnsinn und Alltag in Deutschland zwischen DJ Ötzi und Werbeslogans zu imitieren. Dabei mischt Grebe auch eigene Lieder wie Sachsen oder Urlaub in Deutschland unter das Programm. Ein Konzert in Hongkong von Rainald Grebe war der wirkliche Anlass des Programms, das hier in einer Liveaufnahme aus Berlin vorliegt. Grebe bietet als "globaler" Entertainer jenseits geschmacklicher Grenzen, der vor keinem Engagement zurückschreckt, ein Musikkabarett, das doppeldeutig mit den Erwartungen der Zuschauer spielt und ihnen so auch den Spiegel vorhält, denn das Unterhaltungsniveau in Deutschland ist ja leider keine Einbildung.

Wertung: +++  (Thomas Laux)  


AfrobDer letzte seiner Art | G-Lette Music

{image}Gerade 20 Jahre war Robert Zemichiel alt, als er 1999 zusammen mit Ferris MC als Reimemonster durchstartete und die Musikkanäle mit Rap auf Deutsch eroberte. Auch heute wird Afrob häufig auf diesen sinnfreien Partyklassiker reduziert. Und dass, obwohl er sich zwischenzeitlich mit den Brothers Keepers gegen rechte Gewalt engagiert oder 2003 mit seinem Freund Samy Deluxe das beachtliche Kollabo-Album Wer hätte das gedacht? veröffentlicht hat. Nach vier Jahren meldet sich Afrob jetzt mit dem Album Der letzte seiner Art zurück im schnelllebigen Rap-Geschäft. In neuem Gewand mit Clap-Beats und düsteren Verzerr-Effekten, überraschte der Stuttgarter schon vorab mit der Single Wo sind die Rapper hin?. Auch wenn die Meinungen darüber zwiegespalten waren, ließ sich diesem neuen Afrob-Style ein gewisser Charme nicht absprechen. Schon mit Wat is los, dem zweiten Stück der Scheibe, verfliegt dann jegliche Erwartungsfreude. Überdrehte Synthesizer-Produktionen prasseln fortan wie heftige Regenschauer auf den Gehörgang nieder. Nach dem plastischen Beat-Massaker Schnelle Nr., das durch eiliges Skippen wenigstens seiner Betitelung gerecht wird, bestätigt sich dann mit Babygirl die Befürchtung, dass Afrob auch Auto-Tune zum Einsatz bringen wird. Musikalisch einfallslos geht es dann weiter mit So lange her. Es ist kein Geheimnis, dass Afrob kein ausgefeilter Lyricist ist, doch was Zemichiel uns hier an Reimpaaren anbietet, hält allenfalls das Niveau eines Kindergeburtstags. Unzählige Male muss "Obama" als Reimwort herhalten. Afrobs Phrasengedresche konstruiert sich aus peinlichen Punchlines und penetrantem Narzissmus. Immer wieder streut er in seine Raps pseudo-politische Anspielungen ein, die im faden Sumpf aus bouncendem Club-Sound allerdings völlig verfehlt wirken. Immanent sind dabei ständige Verbindungen zu Hautfarbe und Rassismus, die wie der Titel des Stücks Mein Kampf auf Provokation abzielen. Die Feature-Liste liest sich mit Camouflow von Breite Seite, Samy Deluxe und den Chanteusen Brixx und Cassandra Steen zwar anständig und abwechslungsreich, kann aber an dem Umstand, dass hier ein Rapalbum der schlechteren seiner Art vorliegt, wenig ändern.   

Wertung: + (Andreas Margara)

 

Pathos LegalIrgendwann ist jetzt | Eigenvertrieb (Online: regioactive.de)

{image}Pathos Legal produzieren freundlichen Poprock mit deutschen Texten. Neben dem Frankfurter Dj respectrum konnte für Irgendwann ist jetzt auch die Bläsersektion der Frankfurter Funkband Funkoforte und der Kinderchor "Moonlight" gewonnen werden, um ihren Beitrag zur Unterstützung zu leisten. Doch noch bevor man sich wirklich auf Musik und lyrisches Konzept des Duos einlassen kann, überrascht die stets sanft säuselnde Stimme von Sängerin Alexandra Becht. Ihre gefühlvollen Texte über romantische Erlebnisse des Alltags und Nostalgie kinderlicher Träume trägt sie eigenwillig betont vor und driftet damit – leider – auch manches Mal ins Komische ab. Oft fühlt man sich an den Akzent einer bekannten niederländischen Fernsehmoderatorin der 90er-Jahre erinnert; einen eigenen Charakter kann man dem Organ der ehemaligen Poetry-Slammerin damit aber definitiv attestieren. Die klangliche Untermalung der deutlich dominierenden textlichen Komponente stammt in Komposition und Arrangement komplett von Berkant Özdemir. Nette Poprock-Melodien, die ohne große Höhen und Tiefen eine passende Untermalung liefern. So bleibt das Konstrukt griffig und eingängig und unterstützt die Vokalfraktion, ohne sich in den Vorgergrund zu drängen. Dies gilt allerdings auch für den besagten Kinderchor, der das Titellied tragen sollte. So bleibt insgesamt viel zu wenig davon wirklich hängen. Alles in allem fällt Irgendwann ist jetzt damit deutlich weniger kontrovers aus, als Pathos Legal es noch zu Zeiten von PerVers (2003) hätten sein wollen. Insgesamt ist das Werk brav, mit wenigen Ecken und Kanten, sehr geradlinig und ohne die thematisch notwendige Prise Melancholie, eingehüllt in ein regelrechtes Delirium aus Glückseligkeit, guter Laune und ungebrochenem Optimismus. Wer sich auch als Erwachsener noch der Leichtigkeit vergangener Kindheitsillusionen verbunden fühlen möchte oder einfach etwas passendes sucht, um dem anbrechenden Herbst etwas entgegen zu setzen, derjenige sollte das Album antesten und sich auf seine Aussage einlassen.

Wertung: ++ (Fabian Rieche)

 

Monsters of FolkMonsters of Folk | Rough Trade

{image}Monsters of Folk – Der Name verspricht viel, doch was kann man hinter dieser neuen Band erwarten? Simon & Garfunkel versuchen sich mit Joan Baez an einem Comeback? Weit gefehlt, denn hier ist nicht Programm, was der Name verspricht. "Betrug!", mag man da schreien, aber eigentlich bekommt man mit diesem Album auf den ersten Blick mehr als der naive Musikfan erwarten kann. Denn Conor Oberst, Mike Mogis (beide Bright Eyes), M Ward und Jim James (My Morning Jackets) formierten sich kurzentschlossen zu einer "Supergroup" des Singer/Songwritertums. Von klassischem Folk ist auf dem Album eher weniger zu finden. Dafür mehr Country, Americana und Indiepop. Wer meint, er oder sie kann sich stattdessen auf ein Feuerwerk der Melodien und der Melancholie einstellen (es wird ja gerade Herbst), sieht sich wiederum getäuscht. Die vier Herren Musiker lassen es nämlich gar nicht mal so ruhig angehen. Die Lieder wurden zusammen geschrieben und jeder hat jedes Instrument bedient. Etwas musikalisch Revolutionäres oder gar Überraschendes ist dabei jedoch nicht entstanden. Aber wer auf einem solchen Niveau Musik macht wie dieses Quartett, muss auch nicht zwanghaft innovativ sein. Dear God (Sincerely M.O.F.) könnte auch auf Bright Eyes’ Digital Ash In A Digital Urn Platz finden, Say Please klingt schwer nach Oberts Soloalben, Losin to Head ist eindeutig My Morning Jackets, und und und ... Die Liste fortzusetzen, ist unnötig. Einzig Whole Lotta Losin’ fällt als Boogie etwas aus dem zu Erwartenden auf. Sehr nett. Die Richtung des Albums ist somit klar. Wenn man die Musik der Herren Oberst, Mogis, Ward und James mag, wird mit dem Monsters of Folk-Album bestens versorgt. 

Wertung: +++ (Thomas Laux)

 

 
So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"