Pasta für Pavel - "Laute Musik" (Poster)

Pasta für Pavel - "Laute Musik" (Poster)

Auch in diesem Monat haben wir uns so Manches hinter die Ohren geschrieben und dann wieder aufs Blatt gebracht: Diesmal sind alte Bekannte (Morrissey), lokale Größen (Schwefel), junge Spunde (Rokoko, Pasta für Pavel), das Erstlingswerk der Platinum Pied Pipers und Münchens First Lady in Sachen Rap (Fiva MC) mit von der Partie. Kulinarisches, lautes, grooviges und poppiges – macht eine ganze Reihe guter Tipps. Also guten Appetit bei Pasta, Wild und Tee!

Diesmal für euch aufgelegt: Pasta für PavelMorrisseySchwefelPPPRokokoFiva MC

Pasta für Pavel – Laute Musik

{image}Pasta ist ein Gericht, das am besten heiß serviert wird. Pasta für Pavel wiederum ist eine Band, die am besten laut gehört wird. Seit ihrem Album-Debüt Hurra, ein Baby ist viel passiert: Die Mainzer haben einige Preise gewonnen (u.a. ein Endorsement bei Framus), sind in diversen Charts gelandet und haben sich vor allen Dingen auch musikalisch weiterentwickelt. Pasta für Pavel haben sicherlich das Web2.0 erfolgreich für sich genutzt. Aber sie sind auch eine der wenigen Bands, die nicht nur im Internet glänzen, sondern auch auf der Bühne überzeugen können – und das zählt ja schließlich. Die Pfälzer spielen zwar immer noch poppigen, deutschsprachigen Rock mit gewissen Punk-Einschlägen, aber man merkt, dass sowohl ihre Musik als auch die Texte anspruchsvoller und ausgereifter geworden sind. Im letzten Jahr haben sie ihre Energie ganz auf das Schreiben und Aufnehmen von neuen Songs konzentriert, und das Ergebnis nennt sich Laute Musik. Ganz so laut ist es zwar nicht geworden, aber alle Freunde von deutschsprachiger Gitarren-Musik kommen sicherlich auf ihre Kosten. Neben den tanzbaren, zum mitsingen und mitspringen animierenden Stücken, finden sich auch ruhigere und nachdenklichere Songs auf der Scheibe. Unbedingt reinhören!

Wertung: +++ (Rene Seyedi)

Morrissey – Years Of Refusal | Decca/Universal

{image}Das Gespenst der Smiths geht um! Wie immer vor neuen Veröffentlichungen von Morrissey, stellt man sich unter der Dusche gerne vor, wie es denn wäre, wenn es diese legendäre Band heute noch geben würde. Und dann dreht man das Wasser auf, eiskalt. Doch genug der Nostalgie. Spätestens seit der 2004er Großtat You Are The Quarry ist Morrissey auch im 21. Jahrhundert angekommen. Darauf folgte 2006 das solide Ringleader Of The Tormentors, und jetzt steht mit Years Of Refusal ein brandneues Album vor der Tür. Und vorweg gesagt: man lässt es gerne herein und bietet ihm was zu trinken an. Denn man will, dass es bleibt, sehr lange. Direkt, unverschämt, tiefgründig und zynisch. So präsentiert sich Morrissey auch auf diesem Album. Schon Something Is Squeezing My Skull als erstes Lied fällt mit der Tür ins Haus und liefert mit aufgedrehten Gitarren in 2:34 Minuten voll ab. Mit Mama Lay Softly On The Riverboat zeigt Morrissey wieder sein großes Talent zum Geschichtenerzählen und zur großen Melodie. Die Single I’m Throwing My Arms Around Paris ist sowohl eine Ode an die Stadt (man sollte wirklich mal wieder dahin fahren), als auch Selbstzeugnis ("I’m throwing my arms around Paris because only stone and steel accept my love"). Die Abrechnung mit der britischen Musikpresse gerät in All You Need Is Me zu einem der besten Morrissey-Lieder überhaupt, und auch die spanische Gitarre und die Trompeten zählen zu den Großtaten auf Years Of Refusal. Mit It’s Not Your Birthday Anymore versucht sich Morrissey an den ganz großen Gesten, das kann er aber besser. Die Smiths-Alben und You Are The Quarry sind unsere Zeugen!

Das Album wird gegen Ende deutlich ruhiger, doch keineswegs schwächer. You Were Good In Your Times ist eine grandiose Ballade, die sich Morrissey aus dem Ärmel des Fred-Perry-Hemdes geschüttelt hat. Das Album schließt dann mit dem, was Morrissey am Besten kann: Powerpop und Selbstbehauptung gegen die "böse, kalte Welt" (Sorry Doesn’t Help, I’m OK By Myself). Sehr gitarrenlastig die Musik, beinahe punkig gibt sich Years Of Refusal. Und immer diese langgezogenen Vokale im Gesang. Morrissey als Texter scheint noch stärker dem Existentialismus verfallen zu sein. Die moderne Welt als liebloses Gebilde und als Ort des Scheiterns und des Schmerzes hat popmusikalisch niemand so beschrieben wie er. Vielleicht wird das nächste Album ja eine Kierkegaard-Vertonung? Viele Fragen bleiben nicht offen nach diesem Album, nur: Warum posiert Morrissey mit einem Baby auf dem Cover? Für die Beantwortung und auch sonst: Viel Spaß mit Years Of Refusal.

Wertung: ++++ (Thomas Laux)

 

Schwefel – Weinheim Tea Party | Parergon Records/Sulphur Sonic

{image}In dunkle Vorahnungen gehüllt eröffnet Queen Of Hearts Schwefels neues Album Weinheim Tea Party. Unbewusst singt man zur Melodie eines 80er-Hits von Howard Jones mit: "What is loooove, anyway". Die etwas schwerwiegenden Synthies wünscht man sich jedoch nicht für die gesamte Platte. Und schwups, nach 1:50 Minuten ist der Prolog auch schon vorbei, das eigentliche Album beginnt mit einem sterilen Rock’n’Roll-Gitarrenriff von See The Fair From The Air. Der Songtitel legt es nahe – und vor einer Jahrmarktgeräuschkulisse folgt man Schwefel in die wie gewohnt leicht düstere Vergnügungswelt, genauso wie sich Pinocchio zu einem Ausflug auf Pleasure Island verführen lässt. Nur mit dem Unterschied, dass man sich am Ende nicht, wie das hölzerne Stehaufmännchen, in einen Esel verwandelt, sondern in einen Narren (jester), der in den Texten zwar nur drei Mal als solcher auftaucht, doch der auf der Stimmungsebene des Albums omnipräsent ist. Immerhin eine nette Alternative zum in der Rocklyrik überstrapaziös verwendeten "fool". Im gleichen Stil geht es mit Going Down Alleys weiter. Klar, es klingt alles dunkel, aber Norbert Schwefel, der in seinem Sulphur Sonic Studio in Mannheim die meisten Instrumente selbst eingespielt hat, verkündet: "Weinheim Tea Party will bring you the light". Und siehe da: Die kleinen Perlen des Albums sind traditionelle, ruhige, in Sechziger-Jahre-Harmonien getauchte Songs wie The Key Is In The Secret World (Pet-Sounds-Percussion, Akkordion, an Sun King von den Beatles erinnernd) und A Court Fucking Jester (Soundteppich, Reverb-Gitarren). Wobei das in Wattebäuschchen eingelegte Arrangement des letzteren durch das Saxophon-Solo von Christl Marley zum Schluss hin angenehme Ecken bekommt. Am meisten erfreut auf dem Album aber der Mix und die Produktion. Trotz der Klangflächen sind die Instrumente differenziert abgemischt, die Dynamik wird nicht platt gewalzt. Angenehm anzuhören. Es ist eine merkwürdige Verwebung aus archaischen und modernen Strukturen, die Schwefels Weinheim Tea Party so undefinierbar definierbar macht. Man hat sofort das Gefühl, nichts Neues mehr zu entdecken und gleichzeitig Fremder im eigenen Musikland zu sein. Eine forcierte, heterogene Symbiose, die Homogenität suggeriert. Aber es funktioniert.

Wertung: ++++ (Dobromila Walasek)

 

PPP – Abundance | Ubiquity/Groove Attack

{image}Triple P hieß das viel gepriesene Erstlingswerk der Platinum Pied Pipers. Erfrischend brachte das HipHop-Gespann aus Detroit dabei seine Motown-Wurzeln in Einklang mit Rap-Musik und rief dabei die verstorbene Produzentenkoryphäe J Dilla zurück ins Gedächtnis. Mittlerweile haben sich Waajeed und Saadiq in PPP umbenannt, sind nach Brooklyn umgezogen und sehen sich mehr als Köpfe einer Band. Und so ist auch der Sound ihres neuen Albums Abundance noch weitaus organischer als der Vorgänger. Postmoderne Funkrhythmen, die ihre Anleihen aus dem Elektronischen nicht verleugnen, lassen die Wahl-New Yorker mit dynamischem Soul zusammenfließen. Neben dem einfühlsamen Gesang von Raphael Saadiq sorgen speziell die unverbrauchten Stimmen der Chanteusen Karma Stewart und Jamila Raegan für einen originellen Soul-Vibe. Getragen werden die Vocals von belebenden Klängen, die instrumental arrangiert sind. Produktionstechnisch missachten Triple P allerdings jede Richtlinie: So liegen musikalische Welten zwischen den Viervierteltakt-Elektrobeats von Rocket Science und dem energiegeladenen Soulbrett On A Cloud, das als Single ausgekoppelt wurde. Durch den Bruch mit der Wiederkehr bestimmter Rhythmusschleifen haben sich PPP nur wenig vom klassischen HipHop bewahrt. Auch die sonst markanten Rapparts werden durch experimentelle Gesangsformen fast vollständig ersetzt. An dieser Stelle offenbart sich auch die einzige Schwäche von Abundance, denn in manchem Augenblick verlieren die Ohren die Orientierung in der Fülle an Innovation. Insgesamt liefern Waajeed und Saadiq eine gefüllte Packung "Advanced-Soul", die im CD-Player problemlos mehrere Wochen überdauert.

Wertung: ++++ (Andreas Margara)

 

Rokoko – Alte Straßen, neue Wege

{image}Rokoko ist der Übergang des Barock zum Klassizismus im 18. Jahrhundert. Rokoko ist aber auch eine Band aus Wiesbaden im 21. Jahrhundert, die bis vor kurzem noch unter einem anderen Namen firmierte (Dirt Floor) und mehr oder weniger in den Kinderschuhen steckte. 2009 soll alles anders werden: neuer Name, neue CD und eine neue Richtung. Der Titel ihrer gerade erschienen EP Alte Straßen, neue Wege ist da sehr bezeichnend. Sechs Lieder sind darauf zu finden, welche Ende 2008 in der hessichen Provinz aufgenommen wurden. Schöne deutsche Pop-Lieder, teilweise elektronisch untermalt, die nicht nur über das Leben und die Liebe sinnieren. Mal pompös und dann wieder nachdenklich. Man möchte "tanzen, möchte trinken und möchte tief in der Nacht verschwinden", wie es so schön im ersten Lied Ich flieg' weg heißt. Nicht nur das spätbarocke Rokoko, sondern auch die Band Rokoko aus Wiesbaden ist empfindsam, galant und auch mal grenzübergreifend. Aber die fünf jungen Herren kommen ohne Perrücken und Kostüme aus, sie sind vielmehr offen, ehrlich und auch zeitgemäß. Eine vielversprechende und junge Band, die man ganz dringend im Auge behalten sollte.

Wertung: ++++ (Rene Seyedi)

 

Fiva MC – Rotwild | Kopfhörer Recordings/Rough Trade

{image}Nach Spiegelschrift (2002) und Kopfhörer (2006) meldet sich Münchens First Lady in Sachen Rap nun mit ihrem dritten Soloalbum zurück. Rotwild heißt die Scheibe, mit der Fiva MC eine wohlklingende Alternative zu all den Veröffentlichungen wortforkelnder Platzhirsche auf dem hiesigen Markt bereitet hat. Gemeinsame Sache hat sie dabei diesmal nicht mit ihrem bewährten Labelkollegen Radrum gemacht, sondern mit Produzent Flip von der legendären Linzer Rap-Kapelle Texta. Für Cuts und Scratches war DJ Phekt zuständig. Dementsprechend sind es auf Rotwild auch die Beats, durch die der Unterschied zu den Vorgängern am deutlichsten zu hören ist. Betont soulig hat Flip die Beats für Fiva arrangiert, wie die Stylistics auf Hauptstadtfieber und Otis Redding unmittelbar darauf in Goldfisch offenbaren. Auch der jamaikanische Einfluss des Österreichers dringt bei dem experimentellen Chill-out Sound von Über: Müde durch. Ähnlich wie Radrum, arbeitet auch Flip gelegentlich mit hochgepitchten Frequenzen und zaubert Fiva so z.B. in Lila einen melancholischen Klanguntersatz für tiefe Lyrik, ehe er in Ab und zu selbst das Mic in die Hand nimmt und den einzigen gereimten Gastbeitrage des Albums abliefert. Inhaltlich überzeugt die Buchautorin und Poetry Slammerin mit gewohnt anspruchsvollen Versen, Themenvielfalt und sprachlicher Raffinesse. Über die ganze Albumlänge hat Fiva mehr Weisheiten parat als ein Poesiealbum. Das zeigt sie in zahlreichen philosophischen Abhandlungen über das Leben – von den Krisen des Älterwerdens bis zur Kritik an der Gesellschaft. In dem Stück Immer noch feiert sie hingegen einfach nur Rap-Klassiker ab, was von stimmigen Wordcuts begleitet wird. Eine runde Sache, die nur live noch von ihren spontanen Improvisationen gekrönt werden kann.

Wertung: +++ (Andreas Margara) 

 

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"