Public Enemy (live in Mannheim, 2008)
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Public Enemy (live in Mannheim, 2008) Foto: Hannes Mezger © regioactive.de

Public Enemy sind die Dinosaurier des HipHop, sind die wichtigste und genreprägendste Gruppe des Hardcore-Rap. Dennoch hielten sich unsere Erwartungen an ein Konzert selten so in Grenzen, wie vor diesem Public Enemy-Auftritt in der Mannheimer Feuerwache, nachdem Rapper Flavor Flav in seiner MTV Reality-Show "Flavor of Love" zu Genüge Niveau-Limbo getanzt hatte. Doch bekanntlich kommt ja meistens alles ganz anders, als man denkt: Der Abend entwickelte sich zu einem der Highlights 2008.

{image}Noch lange bevor Rapper wie Common oder Immortal Technique eine konkrete Aussage hinter ihre Texte packten, war es Chuck D, der es verstand seine politisch-motivierten Verse als Sprachrohr für die afroamerikanischen Bevölkerungsteile zu nutzen. Vom zweiten legendären Public Enemy-Album It takes a nation of millions to hold us back (1988) dient bald jede Zeile als Chorus oder Cut für andere HipHop-Songs. Die LP zählt zu den wichtigsten der Musikgeschichte und ist an Einfluss im weltweiten Rap-Kosmos kaum zu überbieten. An diesem Abend in der vergangenen Woche, wurde die Alte Feuerwache in Mannheim nun zum Sammelbecken für HipHopper der ersten Stunde, amerikanische Zeitsoldaten, Anarchos, Reporter und Freaks. Während die anströmenden Massen noch mit ausgewähltem Vinyl aus Luxus Chris’ Plattenkollektion verköstigt wurden, ließ sich unter anderem schon Brother Malik aka Tony King auf der Bühne blicken. Der ehemalige NFL-Star und Schauspieler (u.a. Serpico und Hell up in Harlem) ist nämlich Tourbegleiter von Public Enemy.

{image}Unter Begleitschutz der uniformierten Security of the First World (The S1W) betraten Flavor Flav und Chuck D die Bühne. DJ Lord und eine Drei-Mann-Band erwarteten die beiden bereits. Der Startschuss für den über zweistündigen HipHop-Geschichtsunterricht fiel mit Countdown to Armageddon – dem allseits bekannten Intro von It takes a nation of millions to hold us back. Dass Chuck D nicht scherzte, als er kurz darauf offenbarte nun Stück für Stück die ganze LP abzuarbeiten, zeigte sich schnell. Erst feuerten die selbsternannten Rolling Stones des Sprechgesangs Bring the Noise ab und gleich danach schon Don’t believe the Hype.

In phänomenaler Weise schöpften Chuck D und der durchgeknallte Flavor aus ihrem vollen Repertoire an Bühnenerfahrung. Ob von der Bühne, aus dem Publikum oder Rücken an Rücken – sie lieferten eine spritzige Show ab, als hätten sie das Album gerade erst releast. Während Lord sich die Finger wund mixte, jonglierten die Hauptakteure mit ihren Mics und selbst die S1W gaben das Beste ihrer Mischung aus Poplocking und Militärparade. Leider fehlte mit Professor Griff ausgerechnet der Kopf der Security. Auch James Bomb hatte Probleme bei der Ausreise aus den Staaten, weshalb die S1W nur zu zweit agierte.

{image}Zehn nach Zwölf zeigte Flavs überdimensionale Umhängeuhr konstant an. Mit energiegeladenen Tracks wie Cold Lampin' With Flavor oder Mind Terrorist stellte er aber eindrucksvoll unter Beweis, dass seine Zeit mit respektablen 49 noch lang nicht abgelaufen ist. Für Louder than a Bomb ließ er sich sogar hinter der Schießbude nieder und überzeugte die Menge von seinen Drummer-Skills. Die ersten Reihen waren mittlerweile völlig am Ausrasten und lieferten sich aggressivste Pogo-Reibereien. Selbst das brachiale Beat-Gemetzel Terminator X to the Edge of Panic ließen PE nicht aus – obwohl DJ Terminator X seit 1999 durch DJ Lord ersetzt wurde. Während die Parole bei den Beastie Boys Fight for your right to party heißt, beendeten die Enemys ihr Album mit Party for your right to fight.

Noch mal richtig auf die Geräuschtube hatten Public Enemy zuvor mit ihren für die Ohren eher ungesunden Krach-Einlagen Rebel Without a Pause und Prophets of Rage gedrückt. Alle humoristischen Einlagen von Flav hier aufzuzählen würde mit Sicherheit den Rahmen sprengen, aber zwischenzeitlich bekam sogar der überaus seriöse Chuck D einen Lachflash und musste seinen Text kurzzeitig abbrechen. Im Gegensatz zu den mittlerweile verbreiteten Playbacks im HipHop, servierten die MCs der Alten Schule natürlich live.

{image}Auch im zweiten Teil des Programms blieben keine Klassiker aus. Welcome to the Terrordome, Public Enemy #1 und Give it up brachten die letzten Schweißtropfen zum perlen. Danach widmete Chuck D den deutschen Spielern Schrempf und Nowitzki die Basketball-Hymne He got Game aus dem gleichnamigen Spike Lee-Film. Nach all den Oldschool-Tracks nahmen sich die Rap-Veteranen noch die Zeit, um Harder than you think vom letzten Album How You Sell Soul To A Soulless People Who Sold Their Soul? zu spielen.

Als die Akkus der vor Begeisterung schon erschöpften Fans längst auf Reserve geschaltet waren, setzten Chuck und Flav einen finalen Höhepunkt mit dem Meilenstein Fight the Power. Am Ende bleibt nur festzustellen, dass Public Enemy – eher unerwartet – noch ganz groß dabei sind und mit ihrer Tour sicherlich eines der Highlights 2008 gesetzt haben. "Yeaaaahhh Boiiiii!", wie Flavor Flav sagen würde.  

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