Das Fest 2008
Fotograf: Marcel Benoit

Das Fest 2008 Fotograf: Marcel Benoit © regioactive.de

Ein Festival, das nichts kostet? Ein Stadtfest mit guter Musik? Lärm in Karls..ruhe? Ein Sommerwochenende voller Rätsel in der badischen Hauptstadt. Aber gleichfalls eines, das uns trotz einiger Merkwürdigkeiten gefallen hat!

{image}Schon in der Straßenbahn darf man, als von weiter her angereister Gast, nicht schlecht staunen, wenn man von rot-blau gekleideten Kontrolleurs-Brigaden mitsamt seinem gerade geöffneten Fläschchen Gerstensaft an der nächsten Haltestelle an die frische Luft gesetzt wird. Am Einlass zum Festgelände wartet schon das nächste Mysterium in Form von giftgelb gepanzerten Ordnungskräften, die das heranspazierende Volk von so hochgefährlichen Waffen wie Regenschirmen und Deodorants befreien. Nichts und niemand geht über die Sicherheit! Ebenfalls die Stirn runzeln will man angesichts der Getränkepreise, ruft sich aber innerlich immer wieder zur Ordnung: Immerhin haben wir unser Geld nicht bereits am Eingang abgeben müssen! Und noch bevor die erste Bratwurst richtig zerkaut ist, lockt auch schon ein gar lieblicher Gitarrenton, der von der Zeltbühne herüberweht. Und wieder einmal ist es Zeit, die persönlichen Vorstellungen von Gegenwart und Gesellschaft mit der Realität abzugleichen. Wer den blauen Planeten bis dato im weichgespülten Blümchenrock der Indie-Generation verloren glaubte, darf nun in das nachwachsende, und irgendwie vertraute Gesicht des Wahnsinns blicken:

Ein Haufen halbwüchsiger Mattenträger schlägt sich zu metallisch reißendem Gitarrengeknüppel härtester Sorte die Köpfe ein, ein hagerer Zwanzigjähriger röhrt unverständliches Geschrei ins Mikrofon, und eine schnurgerade, knochentrockene Doublebass legt sich wohltuend in die Magengrube. Die Helden der Stunde: My Elegy aus Bruchsal. Obwohl man früher nie auf die Idee gekommen wäre, Metal-Gitarristen in grüne und weiße T-Shirts zu stecken, hat die Musik nichts an Energie und Ausdruckskraft verloren – im Gegenteil: Frischer und lebendiger könnte so ein Brett gar nicht rausgehauen werden!

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{image}Obwohl dem Autor der Moshpit im Durchschnitt nicht mal bis zum Kinn reicht: nach einer halben Stunde geht erstens das Gefühl in der linken Körperhälfte verloren, zweitens entsteht das dringende Bedürfnis, eine kurze Verschnaufpause einzulegen, und drittens übermannt einen ein ungeheurer Stolz auf diese Teenies: Danke, liebe Erziehungsberechtigten, ihr habt tatsächlich genügend gravierende Fehler gemacht, um eure Kinder wieder die Arme grausamer, gewalttätiger, wunderbarer Musik zu treiben. Die Erde scheint gerettet!

Der Fluchtversuch aus den finsteren Abgründen des Festzeltes wird seitens des Himmels mit dem sofortigem Abschütten sintflutartiger Regengüsse geahndet. Nun sind auch die Rebellen und Systemgegner wieder leichter zu erkennen, die stolzen Schrittes ihre hereingeschmuggelten Regenschirme präsentieren. Anfängliche Sorgen angesichts der vermeintlichen Terroristen werden jedoch schnell zerstreut, als einer der gelb gebrüsteten Ordner verkündet, dass die Schirmkollekte aufgrund des starken Regens wieder eingestellt wurde.

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{image}Bis zum Abend verziehen sich die dunklen Wolken jedoch wieder weit genug, um freie Sicht auf ein paar alte Hasen des deutschen HipHop zu gewähren: Fettes Brot geben sich die Ehre und lassen ihren leicht unterkühlten hanseatischen Charme gekonnt auf die brodelnde Masse heißblütiger Süddeutscher einwirken. So kommen wir in den Genuss wahrscheinlich jeder auch noch so unbekannten Ballade, und dürfen dafür in regelmäßigen, bewusst weit gefassten Abständen, ein wenig mit dem Kopf nicken, wenn bekannte Böller wie Jein, Emanuela oder das etwas neuere Bettina, zieh Dir bitte etwas an vom Stapel gelassen werden. Und als von der Bühne beteuert wird, dass Karlsruhe hier ein paar alte Männer gerade sehr glücklich mache, fragt man sich entweder, welche alten Männer damit gemeint sein könnten, oder ob die Brote besonders erleichtert sind, für so wenig Anstrengung so viel Applaus zu erhalten. Doch trotz der niedrigen Werte auf der Richter-Skala: ein amtliches Konzert.

FOTOGALERIE: kt tunstall und fettes brot

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{image}Weit weniger Andrang herrscht am Sonntagnachmittag vor der Hauptbühne, als Roy Paci & Aretuska ihr Gebläse auspacken, um alle Frühausfteher mit erstklassigem Italo-Ska zu verwöhnen. Aus ihrer Soundpalette, die sowohl mit klassischen Off-Beats, angesalstem Karibik-Geklöppel, schmachtendem Sizilien-Charme als auch Manu-Chao-Schattierungen aufwarten kann, lassen die sympathischen Jungs vom Mittelmeer eine Perle nach der anderen von Schnur rollen, und ein kleiner, aber eingefleischter Fan-Block dankt es ihnen mit uneingeschränkter Haltlosigkeit.

Passend zu den Klängen lacht die Sonne dazu ungeniert vom Himmel. So vergessen wir nach und nach all die Ungereimtheiten eines insgesamt sehr netten Wochenendes im Badischen, und auch der letzte Groschen wird mit dem beruhigten Gewissen, etwas Gutes getan zu haben, tief befriedigt fallen gelassen.

FOTOGALERIE: the beautiful girls und irie révoltés

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Vielen Dank, Karlsruhe, es war uns ein Fest!

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