Dinosaur Jr.
Foto: Michael Weintrob

Dinosaur Jr. Foto: Michael Weintrob © Fat Possum Records

Das Verhältnis der einzelnen Mitglieder von Dinosaur Jr. untereinander war noch nie sehr gut: "Communicating with people has been a constant problem in the band", hatte J. Mascis schon einmal gesagt. Trotzdem schafften sie es vergangene Woche einmal mehr, ohne Zwischenfälle aufzutreten. Sie spielten in Schorndorf ein wunderbares Konzert vor einem begeisterten Publikum. Es war zuvor von der Manufaktur in die Barbara-Künkelin-Halle verlegt worden.

{image}Schorndorf selbst ist die typische Kleinstadt. 30.000 Einwohner, größtenteils unbekannt, hier und da mit ein paar berühmten Söhnen und Töchtern versehen und ansonsten ruhig bis unspektakulär. Eine Tatsache, die eine beachtliche Anzahl Musikverrückter und Nostalgiker nicht daran hindern konnte, an einem Donnerstagabend in der örtlichen Stadthalle einzufallen und sich jene Band anzusehen, die eigentlich jeder Mensch einmal im Leben erleben müsste: Dinosaur Jr. – und das auch noch in Urbesetzung. Eigentlich war das Konzert in der Manufaktur geplant. Und diese Location ist bei den Musikfans dann ja auch wieder ein hellhörig stimmender Begriff. Was also vor ein paar Jahren und damit vor der Reunion noch undenkbar war, nämlich Lou Barlow und J. Mascis wieder zur gleichen Zeit auf ein und derselben Bühne stehen zu sehen, sollte (soviel sei verraten) hier also auch Wirklichkeit werden. Dass das alles sehr laut werden würde, zeigte alleine schon das Verteilen von kostenlosen Ohrstöpseln am Eingang der Halle. Die nach Barbara Künkelin benannte Halle entbehrt überdies nicht einer gewissen Portion Charme, wirkt sie doch wie eine Mischung aus Turnhalle und kleinem Opernhaus, was wiederum irgendwie passend war für den heutigen Abend gefüllt mit Nerd-Musik.

Bevor es aber richtig losging, durfte noch die Vorband vom Publikum beklatscht werden. Dabei handelte es sich um die Berliner Formation Mondo Fumatore, die mit elektronisch angehauchtem Gitarrenpoprock das Publikum zwar etwas anwärmen, aber nicht vollends begeistern konnte. Schade zwar, aber dennoch auch verständlich, hatten sich die Zuschauer hier doch für Indierock aus dem Hause Mascis versammelt. Trotzdem hatte die Truppe um Mondomarc und Gwendoline einige gute Lieder im Gepäck und der besagte Mondomarc einen Schnurrbart unter der Nase, den man sonst nur in Musikvideos von den Foo Fighters bewundern darf.

{image}Das gab mindestens zehn Stilpunkte, genauso wie ihr im April erschienes aktuelles Album The Hand, auf dem J. Mascis eine kurze Gitarrenpassage einspielen durfte. Als sich die vier Einheizer verabschiedeten, trennte das Publikum nur noch ein kurzer Bühnenumbau von der Altherrenmannschaft mit dem Namen Dinosaur Jr. aus Massachusetts, USA. Diese gingen daraufhin gleich ohne große Umschweife auf ihre Positionen und begannen mit ihrer Arbeit. Stilecht war das Auftreten der Gruppe: Mascis trug diesmal keine Brille, dafür aber wie immer ein wahrscheinlich schon seit Generationen in der Familie gehaltenes Bandshirt.

{image}Lou Barlow hingegen vergrub sich gleich von Anfang an hinter einem Vorhang aus Haaren und kam dort während des ganzen Konzerts auch nicht mehr heraus. Warum auch, schließlich war er zu sehr damit beschäftigt, den Bass so zu spielen, wie es wohl nur wenige können: Kilometerweit holte er mit seiner Hand aus um auf das Instrument einzuprügeln und traf dabei trotz alledem jeden Ton einwandfrei.

Dritter im Bunde war natürlich Murph, den man wohl als ausgleichenden Teil zwischen den beiden leicht exzentrischen Polen der Band sehen kann. Passend zu seinem Job fiel er daher auch während des restlichen Abends kaum auf, spielte aber trotzdem routiniert und fehlerlos sein Schlagzeug. Worte an das Publikum waren – außer ein oder zwei "thanks" – für Murph und Konsorten selbstredend nichts wirklich Wichtiges, schließlich hätte das wertvolle Gitarrensolo-Zeit kosten können, die ansonsten hemmungslos in, vor und zwischen den Songs genutzt wurde. Bei der Setliste blieb kein Auge trocken, bildete man doch so gut wie jede Schaffensperiode der Band ab, wobei das Hauptaugenmerk auf dem letzten Album Beyond lag. Allein dessen Pick Me Up entwickelte sich zu einem epischen Gitarrengemetzel, das selbst den härtesten Manowar-Fan zum Weinen gebracht hätte: Hier kann noch was dazugelernt werden!

{image}Feel The Pain oder The Wagon waren auch mit von der Partie und brachten nicht nur direkt vor der Bühne die Menschen zum Tanzen. Die folgende Zugabe wirkte im Gegensatz zum Hauptkonzert heruntergespult, weil die drei Dinosaurs hier auf Pausen verzichteten, trotzdem aber noch einmal alles gaben. Schneller als man sich umsehen konnte, war die Band dann wieder von der Bühne verschwunden und das Licht im Saal angegangen.

Das gesamte Publikum wirkte beeindruckt und zufrieden, obwohl höchstwahrscheinlich niemand etwas gegen eine weitere klitzekleine Zugabe einzuwenden gehabt hätte. Aber man soll ja aufhören, wenn es am Schönsten ist. So hatte die Stadt Schorndorf am Ende ihrer Stadtchronik wieder etwas hinzuzufügen: "Dinosaur Jr. waren hier. Wirklich."

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