Get Well Soon

Get Well Soon

"In Alasca, there's no refrigerator needed. It's always cold and cold and cold..." singt Konstantin Gropper in der aktuellen Single "Christmas In Adventure Parks". Der junge Musiker, der eine ganze Weile in Mannheim lebte, ist jüngst in die Hauptstadt umgezogen und spricht mit uns über das kommende Album "Rest Now, Weary Head You Will Get Well Soon", Natur und den inflationären Gebrauch von Geigen in der Popmusik.

Aus produktionstechnischen Gründen musste der Veröffentlichungstermin für das Get Well Soon-Album Rest Now, Weary Head You Will Get Well Soon auf den 18. Januar 2008 verschoben werden. Aber die Lorbeeren trudelten schon seit geraumer Zeit ein. Blogs und Magazine haben die Band 2007 für sich entdeckt. Genug Möglichkeiten dazu gab es ja:  Nicht zuletzt waren Get Well Soon erst die 2. deutsche Band auf dem Glastonbury Festival überhaupt.

Dazu standen u.a. noch Gigs beim Electric Picnic, Haldern Pop und dem Obstwiesenfestival auf dem Programm. Nach den positiven Live-Kritiken überschlagen sich nun die Album-Rezensionen: "Kitsch ist, was man draus macht. Konstantin Gropper versammelt morbide Cheerleader, Weihnachtsmusik und ein Orchester zum opulenten Lebensretterwerk für Geduldige", scheibt die  Visions in ihrer Ausgabe 01/2008 und erhebt das Debüt zum Album des Monats. Ebenso verfährt der Musikexpress in der Januar-Ausgabe: "Ein Oberschwabe als junger Jesus der verlorenen Seelen. Oder: Ein Geek-Pop-Wunderwerk mit sinfonischer Schlagseite."

RA: Kleines Spielchen vorweg: Farbenassoziation. Welche Farbe ist wie deine Band und warum?

Konstantin: Mattes Gold, würde ich sagen. Erstmal weil Gold auch in den Texten ziemlich präsent ist. Und mattes Gold hat etwas vom Glanz vergangener Tage: Opulenz trifft Melancholie. Unter dem brüchigen Blattgold befindet sich altes Mauerwerk.

}Ein spannendes Jahr liegt hinter euch. Neben unzähligen Festival-Auftritten hat es endlich geklappt mit dem Plattenvertrag. Habt ihr ein paar Tipps für die anderen auf regioactive.de registrierten Bands, wie man sich den begehrten Vertrag angelt und worauf man bei seinem Weg achten sollte?

Ich würde es mal eine Mischung aus eiskalt berechneter Taktik und einem Haufen Glück nennen. Am wichtigsten ist es, glaube ich, nicht zu aufdringlich zu sein. In meinem Fall war es so: einmal zufällig jemandem in die Hand gedrückt, der es dann über unzählige Ecken am Ende den Richtigen vorgespielt hat. Z.B. Festivalpromotern oder Plattenfirmen. Die brauchen das Gefühl, es selbst entdeckt zu haben. Ständiges Nerven geht meistens nach hinten los.

Das Album, das am 18. Januar erscheint, hast du völlig in Eigenregie aufgenommen und produziert. Bist du kein Bandmensch oder warum war das für dich die beste Variante?

Ein Bandmensch bin ich schon, sonst hätte ich ja nicht 6 Mitmusiker. Allerdings nicht beim Schreiben, da bin ich allein am schnellsten und effektivsten. Außerdem entspricht es meinem Ideal von einem Song, dass er eine grundlegende Idee oder Vision verfolgt, beim jammen kommt so etwas meistens nicht heraus.  

Und als dann alles vollbracht war fehlte ja noch die Band, um die Songs live zu spielen. Nach welchen Kriterien hast du deine Band zusammengestellt?

Technisches Vermögen war da erstmal nicht so wichtig. Ich habe in den Castings vor allem auf Aussehen und Charisma geachtet. Im Ernst: es ist mir auf jeden Fall wichtig, dass es sich bei der Band auch um Freunde bzw. sogar Familie handelt. Ich bilde mir ein, man hört, dass es nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich harmoniert. Darüber hinaus hatte ich das Glück, dass der Freundeskreis und die Familie auch hervorragende Musiker zu bieten hatte.

Vielleicht hätte ich aber mal besser auf den geographischen Aspekt achten sollen. Momentan muss die halbe Band immer eingeflogen werden.

Das Album liegt nun schon eine Weile in deiner Schublade. Warum hat das so lange gedauert?

Letztendlich wollten wir einfach nicht vorschnell handeln. Das ist uns angesichts eines ganzen Jahres voller Verhandlungen auch weißgott gelungen. Außerdem haben wir in der "labelfreien Zeit" schon so nen kleinen Geheimtipp-Status erspielt, so dass die Veröffentlichung nun hoffentlich auf dem Höhepunkt dessen stattfindet.

Ihr benutzt viele Instrumente, die jetzt nicht unbedingt bei jeder Band Verwendung finden (darunter Akkordeon, Xylophon, Trompete u.a.). Dennoch gehört es sich scheinbar heutzutage in fast jeder Indie-Truppe, auch eine Geige mit dabei zu haben. Hast du eine Erklärung dafür, warum klassische Instrumente in der Indie-Pop-Musik immer mehr Beachtung finden?

Ich glaube, dass das Klangspektrum der klassischen Rockband angefangen hat, viele Musiker zu langweilen. So auch mich. Abgesehen davon, dass ich ja auch wirklich "klassische" Elemente in meiner Musik haben will, geht es auch hauptsächlich um Klangvielfalt. Geigen werden in letzter Zeit regelrecht inflationär genutzt, das ist tatsächlich auffällig. Dass sich das Klangalphabet der Popmusik erweitert finde ich auf jeden Fall begrüßenswert: Die Harfe bei Joanna Newsom und CocoRosie. Und sogar das Saxophon erlebt bei Menomena eine wunderbare Renaissance, das hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Grundsätzlich bin ich für jedes Instrument offen.

Ich hatte ja schon die Gelegenheit eure CD zu hören. Aber wenn du Oma Meier an der Bushaltestelle erklären solltest, welche Art von Musik ihr macht, wie stellst du das dann an?

Das stelle ich im Allgemeinen extrem schlecht an. Ich versuch’s mal: tendenziell eher ruhige Musik, zwischen Rock, Folklore und Klassik. Das Ganze mit ironischem Kitsch, Pathos und einem Hang zur Melancholie. Allerdings mit positiver Wirkung.

Das neue Video besteht zu einem Großteil aus Landschaftsaufnahmen. Welche Bedeutung hat die Natur für dich und deine Musik?

Mich als Naturmenschen zu bezeichnen wäre eindeutig gelogen. Meine Beziehung zur Natur und vor allem zu Landschaften ist eher ästhetisch. Ich mag Bilder von Gebirgen und Hirschen, bin aber nicht ständig am Wandern und im Streichelzoo. Dennoch habe ich eine naturnahe Metaphorik. Wahrscheinlich ist das meine romantische Ader. Musikalisch äußert sich das vielleicht darin, dass ich gerne Natur-Atmo-Sequenzen (gutes Wort, oder?) einbaue. Vogelstimmen, Meeresrauschen. Das hat aber immer auch einen Textbezug.

Auf den Promofotos finden sich, als immer wiederkehrendes Element, Menschen in Tierkostümen. Was zunächst verspielt erschien (Bilder mit Bärenkostüm), wirkt in den neuen Aufnahmen jedoch düster und wie aus einem Agentenfilm herauskopiert. Bist du jetzt einfach erwachsener geworden oder ist der trübe Sommer daran schuld?

Das mit dem Bärenkostüm ist schon eine relativ alte Idee von mir. Ich fand das Bild von dem Bärendarsteller in der Mittagspause relativ treffend für einige Aussagen in meiner Musik. Das Trennen des Privaten und der persönlichen Emotion von der Außenwelt etwa. Diese Person in dem Kostüm (das muss nicht ich sein), wäre in ihrer persönlichen, kleinen Tragik ein hervorragender Protagonist für einen Get Well Soon Song. Den neuen Bildern von Jan Windszus liegt eine ganz andere Idee zugrunde. Wir hatten uns im Vorfeld auf eine Ästhetik im Stil von Gregory Crewdson, David Lynch oder Edward Hopper geeinigt. So etwas wie rätselhafte Film-Stills also. Die Kostüme stellen, neben ihrem Verfremdungseffekt, eher eine Brücke zu den alten Bildern her.

Und warum dann der "Miami Vice Gedächtnisanzug"?

Hmm. Der Anzug sollte eigentlich eher nach 50er Jahre als nach 80er aussehen. Das hat dann ja wohl eher nicht geklappt.

Wenn du und deine Band 10 Platten auf eine einsame Insel mit nehmen dürften, dann liefe da für die nächsten 20 Jahre was?

Ich vermute, mit dieser Band würde ich mir niemals einig. Höchstens noch bei Björk. Deshalb nenne ich mal meine Favoriten und lasse mir dann von der Band den Kopf einschlagen, womit auch die nächste Frage beantwortet wäre.

Talk Talk – Laughing Stock. Björk – Homogenic. Bonnie ‚Prince’ Billy – The Letting Go. Tocotronic – Kapitulation. Leonard Cohen – Best Of. Tom Waits – Alice. Joanna Newsom – Ys. Xiu Xiu – La Foret. Tindersticks – Curtains. Die Goldenen Zitronen – Schafott zum Fahrstuhl.

Und aus welchem Grund würdet ihr euch dort am ehesten die Köpfe einschlagen?

s.o. Davon am ehesten wegen Tocotronic.

Ihr seid jetzt in den nächsten Wochen auf Tour. Warum darf man eure kleine Weihnachtstour auf keinen Fall verpassen?

Weil wir da endlich mal die ganzen Weihnachtslieder spielen, ohne, dass es deplatziert wirkt. Wer also sagt: "Pah, Weihnachten, was für ein Mist! Und Weihnachtslieder? Würg!", dem können wir vielleicht wieder etwas Wärme ins Herz zaubern. Zeitgemäße und schmissige Weihnachtsmusik liegt ja nicht gerade auf der Straße. Außer die von Mariah Carey vielleicht noch.

In wenigen Tagen ist Weihnachten. Was wünschst du dir für die Zukunft von Get Well Soon? Was kommt als nächstes?

Als nächstes kommt dann das Album im Januar. Da wünsch ich mir natürlich schon, dass wir zwei, drei davon loswerden. Im April ist dann die große Tour und irgendwann im Laufe des Jahres mach ich mich dann ans zweite Album. Für die Zukunft von Get Well Soon wünsche ich mir, dass die Bühnen wenigstens so groß werden, dass wir uns nicht mehr gegenseitig mit den Gitarrenhälsen die Schädel einschlagen. Selbst schuld ...sieben Musiker.

Danke für das Interview, Konstantin!

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