Turbostaat
Foto: Florian Hennefarth

Turbostaat Foto: Florian Hennefarth © Florian Hennefarth

Unsere Redakteurin legt ihre Hand aufs Herz und empfiehlt nach einer Begutachtung im Waschhaus der Schinkelhalle Potsdam: unbedingt anschauen, verlieben, Album kaufen – noch sind Turbostaat auf Tour.

"Mensch, hier ist ja gar nichts los", "Vielleicht fällt das Konzert ja aus" und ähnliches... im sehr leisen und vor allem auf den ersten Blick verlassen wirkenden Potsdam, wo sich deutscher Indie-Punk am vergangenen Samstagabend von seiner besten Seite zeigte, waren das die ersten Gedanken, die einem als Besucher durch den Kopf schossen. Die Schinkelhalle war zuerst ziemlich leer, was Gelegenheit dazu bot, an der Theke die Stellung zu beziehen und das langsam eintrudelnde Publikum zu mustern. Doch die Lage ändert sich schnell, als die Supportband die Bühne betritt: mit einem höflichen Halbkreis Abstand zur Bühne füllt sich der Raum. Manche Zuhörer schauen noch emotionslos zum Musikschauplatz, während andere bereits zu den grandiosen Kaeptn Karacho aus Potsdam mitrocken. Mit kraftvoller Energie und einem scheinbar komplett durchgeknallten Keyboarder, hauen einem diese Jungs wunderbar durchdachte Texte auf die Ohren. Mit yeah hi yeah setzt sich auch sofort ein Ohrwurm zum Mitsingen fest. Diese Band schafft es, mehr als einfach nur zu begeistern und die 8€ Eintritt erweisen sich bereits jetzt als ordentliche Investition.

Was konnte zur Steigerung danach noch kommen? Genau: Turbostaat. Und um 22:26 Uhr waren Turbostaat tatsächlich gleich voll da und hauten auf ihre Instrumente ein. Die schlechte Nachricht: Sie klingen nicht wie auf CD. Die Gute: sie klingen noch besser. Der Sänger fegt mit solch einer zügellosen Lust und Laune über die Bühne, dass einem selbst ganz leichtfüßig zumute wird. Auch die bisher ruhigeren Zuhörer sehen sich schon nach dem ersten Lied dazu gezwungen mitzutanzen, denn anders geht das bei dieser Performance gar nicht. Mittlerweile sieht man zwischen Neu-Punks auch Altrocker, die sich eifrig in das Gepoge vor der Bühne werfen. Als im Rumschupsen erprobt erweisen sich an diesem Abend zahlreiche Gäste und sie scheinen die Probe aufs Exempel machen zu wollen, wie lange man bei Turbostaat durch- und vor allem mithalten kann.

Mancher Versuch endet bereits nach zwei Liedern und kleineren Zwischenfällen, wie z.B. einem Ellenbogen in der Wange oder einem kurzfristig vermissten Schuh. Hier mitzumischen ist nur für "ganz Harte". Wer das erkennt, beschränkt sich dann lieber darauf, einfach nur zu tanzen. Das machen auch tatsächlich 99% der Anwesenden. Während Turbostaat erst einmal die Tracks von Vormann Leiss spielen und spätestens mit Lied Nummer Drei ihres Sets – dem MTV Smash-Hit Harm Rochel – sowohl neue als auch ihre alten Fans begeistern, versuchen zunehmend auch Stagediver ihr Glück. Turbostaat ergänzen ihr Set zudem noch mit ein paar älteren Stücken, die dem aktuellen Material live in nichts nachstehen. Voller Kraft und Liebe zu dem, was sie da auf der Bühne machen, überzeugen die Fünf aus "Flense" einfach mit ihrer dementsprechenden Präsenz. Einfach, unkompliziert und einfach nur grandios. Viel zu kurz erscheint der Auftritt am Ende: Leider endet das Konzert schon nach einer Stunde – aber alle singen mit:

Mensch, stolpern sieht ja klasse aus

Durch seinen Helm kommt hier gar nix durch

Volle! Für alle!

Mensch, stolpern sieht ja klasse aus

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