Tomasz Stanko Quintet (live in Mannheim, 2010)

Tomasz Stanko Quintet (live in Mannheim, 2010) © René Peschel

Das „Enjoy Jazz – internationales Festival für Jazz und Anderes“ wurde auch 2006 seinem Namen vollauf gerecht und festigte seinen Stand als qualitativ und quantitativ erstklassig. Eines der letzten Konzerte spielte der Trompeter Tomasz Stanko, einer der bedeutendsten europäischen Jazzmusiker.

Es ist ein glücklicher Umstand, dass es den Organisatoren des Enjoy-Jazz Festivals gelungen ist, den polnischen Trompeter Tomasz Stanko für einen Auftritt in der Alten Feuerwache zu gewinnen, denn Stanko ist ohne Zweifel einer der bedeutendsten europäischen Jazzmusiker.

Großer Musiker

Seine Karriere begann er in den 1960er Jahren als Mitglied der Band des früh verstorbenen Pianisten und Komponisten Krystof Komeda, der nicht nur ein herausragender Jazzmusiker war, sondern auch die Musik zu zahlreichen Filmen von Roman Polanski komponierte.

Zahlreiche Soloalben für ECM, die in der Mehrzahl seit Mitte der 1990er Jahre erschienen, machten ihn auch international bekannt. Mit seinem aktuellen Quartett, bestehend aus Marcin Wasilewski (Klavier), Slawomir Kurkiewicz (Bass) und Michal Miskiewicz (Schlagzeug), hat Stanko bereits drei Alben veröffentlicht, nämlich Soul of Things (2001), Suspended Night (2004) und Lotano (2006). Stanko erweist sich auf diesen – wie auf früheren – Veröffentlichungen nicht nur als brillanter Trompeter, sondern auch als exzellenter Komponist.

Gute Harmonie

Dementsprechend gut eingespielt zeigt sich das Quartet auch an diesem Abend. Tomasz Stanko variiert gekonnt Dynamik, Tempo und Intensität seiner Musik, wechselt zwischen ruhigem, introspektivem Ausdruck, der lyrische und melodische Formen in den Mittelpunkt stellt und einer intensiven, leidenschaftlichen Spielweise, die an Miles Davis erinnert. Häufig wird auf die Abwesenheit von Farben in seiner Musik Bezug genommen, um Stankos Klang zu beschreiben, noch häufiger werden Adjektive wie „dunkel“ oder „schwarz“ verwendet. Mir erscheint seine Musik, unabhängig davon, ob sie in sich gekehrt oder leidenschaftlich ist, akkurater mit „monochrom“ umschrieben.

Beeindruckend

Stanko ist ein Meister der subtilen Schattierungen, der Kontraste zwischen „hell“ und „dunkel“, über die er in tausendfacher Vielfalt verfügt und in seiner Musik dazustellen vermag. Kurkiewicz und Miskiewicz bilden das rhythmische Fundament der Musik, der heimliche Star des Abends ist jedoch Pianist Marcin Wasilewski. Mit ungeheurem Tempo und beeindruckender Kreativität lässt er seine Finger über die Tasten des Klaviers fliegen und erzeugt damit einen vollen, fast orchestralen Klang.

Seine rastlose Intensität steht im faszinierenden Kontrast zum dosierten, variantenreichen Spiel von Stanko. Dieser gibt Wasilewski sehr viel Gelegenheit sich als Solist auszuzeichnen, indem er seinen ausgedehnten Soli längere Pausen folgen lässt und tief in die Musik seiner Gruppe versunken am Rand der Bühne steht. Unvermittelt kehrt er dann aber wieder in den Mittelpunkt des Geschehens zurück und beeindruckt mit den fast unbegrenzt scheinenden Ausdrucksformen seines Trompetenspiels.

Tolle Stimmung

Wie bei allen anderen Veranstaltungen im Rahmen des Enjoy Jazz-Festivals, die ich in der Alten Feuerwache miterleben durfte, ist das Konzert sehr gut besucht. Das Publikum, wie so häufig bester Laune, feiert Stanko und seine Mitspieler ausgelassen und entlockt ihnen zum Abschluss des fast zweistündigen Konzertes eine zweite Zugabe, die erkennbarer Weise nicht mehr eingeplant war. Der zurückhaltende, fast scheue Trompeter bedankt sich beim Publikum mit fast flüsternder Stimme und stellt seine Musiker vor. Noch einmal verneigen sie sich vor dem immer noch applaudierenden Publikum und verlassen dann die Bühne. Es besteht kein Zweifel, dass die Zuschauer erneut ein herausragendes Konzert erlebt haben.

Zum Abschluss sollte eine Würdigung des achten "Enjoy Jazz - Internationales Festival für Jazz und Anderes" nicht unterbleiben. Das diesjährige Festival überbot mit über fünfzig Veranstaltungen und über 20 000 Zuschauern den bisherigen Rekord des Vorjahres. Im Durchschnitt bedeutet das im Vergleich zu 2005 zwar einen leichten Rückgang, der allerdings aufgrund der erneuten Ausweitung des Programms leicht erklärlich ist. Stimmung und Begeisterung der Zuschauer haben darunter allerdings keinesfalls gelitten.

Buntes Angebot

Die Gründe für den großartigen Aufschwung, den Enjoy Jazz in den letzten Jahren genommen hat, liegt sicher auch an der fantastischen Organisation des Festival, ebenso wie in der glänzend gelungenen Auswahl der Musiker, die sowohl junge, aufstrebende wie auch etablierte, zum Teil legendäre Künstler umfasst. Die Leistung, über fünfzig Veranstaltungen in weniger als sechs Wochen zu organisieren, sollte dabei nicht unterschätzt werden.

Es gelingt den Organisatoren Jahr für Jahr alle Spielarten des modernen Jazz (und einiger anderer Musikstile), Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. All dies macht Enjoy Jazz zu einem lebendigen Festival ohne Grenzen und ohne Vorurteile, das Vielfalt und Kreativität feiert. Als Forum für Liebhaber des Jazz, als Plattform zum Kennenlernen, Verstehen und Genießen moderner Musik leistet es einen unübertroffenen Beitrag zum kulturellen Leben des Rhein-Neckar-Raumes.

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