Jan Delay (Karlstorbahnhof Heidelberg 2006)
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Jan Delay (Karlstorbahnhof Heidelberg 2006) Photos: Jonathan Kloß © regioactive.de

Dass Jan Delay nicht auf Rap zu beschränken ist, sollte sich herumgesprochen haben. Mit seinem zweiten Solo-Album „Mercedes Danse“ macht sich jan Delay den Funk untertan und etabliert sich als Meister aller Klassen, der Rio Reiser so stilvoll interpretieret wie Nena und ein völlig unpeinliches Duett mit Udo Lindenberg vom Stapel lassen kann. Im Rahmen seiner Tour hatten wir Gelegenheit zum Plausch mit dem Hamburger.

{image}regioactive.de traf Jan Delay vor der Show im Heidelberger Karlstorbahnhof in äußerst relaxter Stimmung in der Garderobe und hatte Gelegenheit für ein Interview in angenehmer Atmosphäre, das allenfalls von gut gelaunten Kommentaren der anwesenden Musiker und Jans ausschweifenden Einlassungen darauf unterbrochen wurde.

Dein erstes Solo-Album war eine Reggae-Dancehall-Platte, nun folgt mit „Mercedes Dance“ ein sehr Funk-lastige Scheibe. Eine immer breitere Masse interessiert sich für diese Musikrichtung, früher gab es nur vereinzelt in kleinen Clubs Funk-Parties. Mittlerweile gibt es in vielen Clubs solche Partys. Denkst du, dass es einen Trend in Richtung Funk gibt?

Das kann gut sein, ich würde mich freuen, wenn das so wäre. Ich weiß zwar nicht wie das mit den Funkpartys hier in Heidelberg oder Stuttgart ist, aber in Hamburg gab es die schon länger und es gab schon immer eine kleine auserwählte Szene, die diese Partys schon länger gemacht haben.

Also kein neuer Trend?

{image}(lacht) Jetzt wo Mercedes Dance draußen ist: klar. Auch klar, dass die Leute da mit aufspringen müssen, aber auf unserem Mercedes ist ja genug Platz.

Ein weiterer Trend ist, dass viele ehemalige oder auch noch aktive HipHop-DJs oder Produzenten mittlerweile House auflegen oder sich mit anderen musikalischen Genres beschäftigen ...

Ja, weil die Leute älter werden und Bock haben auf geile Musik und ihnen HipHop auf Dauer zu kindergartenmäßig wird. Ich mach ja auch was anderes, hin und wieder. Ich komm aber immer wieder zum HipHop zurück, da es doch immer wieder etwas gibt, was mich anheizt. Aber ich finde, lass doch jeden machen was er will. Das macht HipHop doch gerade aus. Würden sich die Leute nicht irgendwoher ihre Inspiration holen, würde sich doch alles im Kreis drehen und wir wären wieder bei dem bekannten Inzestbeispiel.

Ist das Ganze nicht auch Teil einer Veränderung in Deutschland, wo es gerade Ende der Neunziger immer diese Realness-Debatte gab und jeder eine eigene Definition davon aufstellen wollte?

Aber was ist denn realer: sich als HipHop-Dj hinzustellen und zu sagen, ich leg jetzt House auf?

Ich meine ja, dass damals alles viel verbissener war.

Das hängt erstens immer mit dem Alter zusammen, ob es die Konsumenten oder die Künstler selber sind, man das Ganze irgendwann nicht mehr so eng. Und zweitens hat sich seit Beginn der neuen Zeitrechnung viel verändert und die hat begonnen, als Britney Spears über einen Neptunes Beat gesungen hat. Seit dem ist alles möglich. Da haben sich die Werte komplett verschoben. Ich finde das gut, seit dem ist alles viel einfacher.“

Früher hätte ne Dirty South Platte nie ne gute Kritik bekommen, gerade elektronische Beats ohne Samples…

Du wirst auch heute DJ Mirko nicht erleben, wie er Ying Yang Twins auflegt. Aber ab 2000 fing das an besser zu werden, fünf Jahre früher war das alles noch viel schlimmer. Aber ich bin da auch ein gebranntes Kind, wer wenn nicht wir hatte immer mit so ner Realness-Scheisse zu tun und damit zu kämpfen. Wie viele Leute kamen an und haben gemeint, das und das ist kein HipHop. Was mich angeht, läuft es nun nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert“. Das ist seit „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ so. Jetzt kann ich machen was ich will, die ganzen Aufreger sind vorbei. {image}

Hat der so genannte Studentenrap noch Zukunft? Jetzt kommt das neue Dendemann-Album…

(lacht) Nein, ich denke, dass Neue, das kommen wird, ist Praktikantenrap.

… früher bestimmten Eins Zwo, Doppelkopf oder Dynamite Deluxe das Geschehen. Ist das ganz verschwunden?

Ja, du weißt ja, was gerade geht. Im Moment haben eben die Leute aus Berlin mehr Hype. Aber es ist h auch so, dass diese Jungs, abgesehen von den guten alten Ausnahmen, eben den Output und die dicken Beats haben. Und von dem Rest, außer eben den alten Bekannten, ist mir auch nichts bekannt, was in diesem Bereich nachgekommen wäre. Ok, es kommt die neue Blummentopf-LP, Dendemann kommt, aber es gibt keine Newcomer auf dem Sektor.“

Also regiert der aggressive Gangster-Battle-Rap.

Das ist natürlich das Schlimmste. Die Windhosen, die immer ihre Nase in den Wind hängen, und jetzt Gangster-Rap machen, sind die gleichen, die vor fünf Jahren eben noch Studentenrap gemacht hätten. Das ist echt hart. Aber das sind auch die, die keinen Fuß auf den Boden bekommen.“

Magst Du White Stripes?

Ja.

Jack White hat gesagt, er wolle nichts mit HipHop zu tun haben, das sei emotionslose Musik.

Okay, aber Kurt Cobain, hat in seinem Tagebuch geschrieben, dass HipHop das einzige ist, was die Achtziger hervorgebracht haben, das neu ist und das Aussage hat.

Was müsste für dich deutscher HipHop haben, damit du ihn auch selber hören würdest?

(denkt lange nach) Englische Lyrics (lacht). Es gibt einfach nicht vieles, was mich so flashed, dass ich’s dann gerne höre. Wenn ich z. B. zuhause die Küche aufräume, will ich nix von A****f***** hören. Wenn das auf Englisch passiert, nimmt man das nicht so wahr, weil man nicht so drauf hört. Genau das ist es auch was das Ganze so schlimm macht, dass man alles sofort analysieren kann und weiß, wie es jetzt zu dem Reim gekommen ist, warum welche Snare verwendet wurde, warum der Sound jetzt so komisch ist. Einfach weil man selbst einen Bezug dazu hat und dagegen kann man sich leider auch nicht wehren. Wäre das etwas anders, könnte ich auch sicherlich einige der deutschen Sachen feiern, aber ich kann es nicht, da es für mich so durchsichtig ist.“

{image}Wieso fehlt es Soul oder R’n’B der letzten Jahren in Deutschland an Akzeptanz?

Da gibt es schon ne komische Szene, die das auch hört, so Türstehervolk mit Kampfhunden und Pick-Up-Trucks. Die hielten die Fahne hoch, schon bevor das hier bei Viva lief. Sonst gibt es eben so komische deutsche Versuche, die meistens ganz schrecklich scheitern und dadurch entsteht hier kein gutes Bild von diesem Genre.

Schon eine Idee, was als nächstes ansteht? Neues Beginner-Album oder andere Projekte?

Nein, im Moment nicht, ich konzentrier mich jetzt erst mal auf Mercedes Dance und die Tour.

Du bist Werder-Fan. Ist Klose immer noch dein Lieblingsspieler? Oder nun Diego?

Klose. Diego ist krass, aber dadurch, dass ich auf Tour bin, kann ich immer nur Zusammenfassungen sehen und konnte mir noch kein Bild machen. Den Frings finde ich auch so derbe.

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