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Hatten wir es nicht vorausgesagt?! Pohlmanns „Wenn Jetzt Sommer Wär“ ist mal so was von easy gechartet. Was sind wir froh, dass wir die Anfänge miterleben durften, noch vor dem Riesenrummel. Nach dem Teaser vor ein paar Tagen jetzt in aller Ausführlichkeit Pohlmann im Gespräch.

Du bezeichnest deine Musik als „erdig“.Was genau meinst du damit?

Unter „erdig“ verstehe ich Roots. Ich bin eigentlich wieder zurückgekommen zu meinen Wurzeln. Das merkt vielleicht nicht jeder so. Den Anteil an Bob Marley und Tracy Chapman muss jeder für sich selbst rausfinden. Ich habe auch gemerkt, dass ich zu Leuten sage: (mit verstellter Stimme) „äh, dieses oder jenes hört sich an wie Life of Agony“ oder solchen anderen Quatsch. Dann höre ich Audioslave und sage „das ist Jamiroquai“ – „häh, das ist doch kein Jamiroquai?“ – „doch, der singt gerade wie Jamiroquai, das hat den gleichen Beat, nur dass da eben sauharte Gitarren dahinter sind“. So geht es mir auch bei meiner Musik. „Erdig“ ist eine bodenständige, gewachsene Sache. Viele Holzinstrumente, Cello, wenig Plastik.

Das leitet über zur nächsten Frage: Du wirst vermarktet als Naturbursche bzw. Naturliebhaber...

Da muss ich leider passen. Ich könnte jetzt weiß Gott was entwerfen von mir, aber es gibt in mir immer ... wenn man anfängt, was für die Natur zu machen, dann nimmt das kein Ende. Da hat man ständig ein schlechtes Gewissen. Damit bin ich auch noch lange nicht fertig. Sei es, dass ich damit anfange, mir keine Shrimps mehr bei Lidl zu kaufen, weil die gibt es immer billiger und immer mehr. Das kann ich gar nicht verstehen, wenn ich den SPIEGEL durchlese und sehe, was in der Tiefsee gefunden wird und dass der Krill weggefangen wird, was auf alle möglichen Arten ausschlägt. Man kann halt überall anfangen.

In diesem Moment dröhnt ein Didgeridoo durch den Karlstorbahnhof, so dass man sich kaum mehr in normaler Lautstärke unterhalten kann, geschweige denn ein Interview führen. Also gehen wir einfach nach draußen vor die Tür.

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Dann habe ich eine WG und frage mich, was ist mit Mülltrennung und so, wie weit geht man da, wie faul ist man? Man müsste eigentlich alles verändern. Es gibt ganz viele Künstler, die dann im Catering sagen, das und das darf nicht. Man schränkt sich natürlich innerhalb der Gesellschaft total ein, wenn man richtig anfängt, das hardcore durchzuziehen. Ich habe mal irgendwann einen Bericht gelesen von einem englischen Prinzen, der ist richtig abgefahren, der steckt sein ganzes Vermögen in die Natur und unterstützt Projekte dieser Art. Es ist fast unmöglich, sich auf einen Schlag bei allem zu ändern. Man muss irgendwie EINE Sache erst mal nehmen, die anpacken und versuchen, die in sein Leben zu integrieren. Und dann Schritt für Schritt immer weitermachen. Die großen Dinge müssen Andere verändern.

Ich denke, es ist schwierig, konsequent zu sein ohne sich von der Gesellschaft zu isolieren.

Total. Du nimmst halt dann nicht mehr teil, wie man so sagt.

Und wenn du mit Anderen zusammenleben willst, da wo du jetzt bist, in Mitteleuropa, bist du automatisch zu großen Kompromissen gezwungen. Worauf ich ursprünglich hinauswollte: Wie erlebst du Natur? Fahrradfahren, Angeln, durch den Wald wandern?

Angeln, ja. Fischmörder! (lacht)

Stimmt. Total konsequent in Bezug auf deine vorherigen Ausführungen.

Was man sich beim Angeln immer sagen kann ist, dass man ihn selbst gefangen hat. Es ist EIN Fisch, ich wühle nicht den Boden auf mit irgendwelchen Schleppnetzen. Ich habe einen Fisch, den fange ich, wenn er groß ist, freue ich mich wie Sau. Der ist halt reingefallen, der Fisch, das ist, finde ich, schon recht natürlich so. Da ist ein Haken und... es gibt selbst solche Anglerfische, die so einen Wurmfortsatz haben. Dieser Fisch tut selber so, als ob er einen Wurm vor der Schnauze hätte, frisst dann denjenigen Fisch, der diesen Wurm... vielleicht wird das jetzt auch ein bisschen kompliziert. Jedenfalls finde ich, dass Angeln eine relativ ehrliche Sache ist. Es gibt dann noch Dynamitangler, Leute, die haben schon Sonargeräte und so (lacht), wenn ich mir das anschaue, dann wird es irgendwann wieder unfair.

James Hetfield von Metallica, der passionierter Jäger ist, hat diesbezüglich mal gesagt, er finde das okay, denn als Mensch sei er am oberen Ende der Nahrungskette. Er findet es fair, wenn er auf die Jagd geht und sein Essen selbst erlegt, denn eine Karotte könne nicht wegrennen. Von daher wäre es fairer, als Gemüse zu essen.

(Pohlmann lacht mit ungläubigem Blick)

War nicht so ganz ernstgemeint...

Hast du den Film gesehen über Hemingway? Es gibt eine Biografie über Hemingway – ich habe jetzt den Schauspieler vergessen. Es geht um die Geschichte „Der alte Mann und das Meer“ und wie es ihm [Hemingway] widerfahren ist, diesen Schwertfisch zu fangen. Der wurde, bevor sie ihn aufs Boot hieven konnten, von Haien gefressen. Er hat dann ein Maschinengewehr aus der Kajüte geholt und hat die ganzen Haie abgeknallt. Von wegen Naturverbundenheit. Hemingway schreibt man ja eine riesige Naturverbundenheit zu, die hat er mit Sicherheit auch gehabt, aber wie man denkt und fühlt und wie man letztendlich danach lebt, ist nicht immer ganz deckungsgleich. Bei mir bestimmt auch nicht.

Ich bringe jetzt mal eine Kleinigkeit ins Spiel. Mal gucken, ob du damit was anfangen kannst...

{image} Pohlmann kriegt große Augen und jubiliert. Die Kleinigkeit ist ein Promo-Feuerzeug von einer Tour, die Pohlmann vor Jahren mit seiner Ex-Band Goldjunge zusammen mit M.I.A. und Lorien in den Wirkungsbereich des damals Konzerte veranstaltenden Interviewers brachte.

Ich sag dir was: bei dieser Band, Lorien, habe ich jeden Abend geheult. Ich habe bei keiner Band mehr so viel geheult wie bei dieser Band. Es war unfassbar. Das war diese Naturverbundenheit, die die ausgestrahlt haben. Die hatten so einen Videoprojektor und haben einen Film selber geschnitten. Den haben die immer laufen lassen. Das Ding war eben nur: die Songs waren unterschiedlich lang, die Ansagen auch. Somit war jede Show jeden Abend anders, und manchmal kamen Dinge zusammen, so schicksalshaft, die die auf Video gedreht hatten, plus die Sprüche, die die gemacht haben in ihren Liedern, die sehr traurig waren. Die hatten so Sachen drauf wie Coldplay, würde ich sagen. Und da war dann eine Szene, wo eine Kamera den Erdball gezeigt hat und dann in so einem Zeitraffer durch die Wolken fetzte und immer weiter, sich der Ozean verbreitete und irgendwann eine riesige blaue Fläche. Die Kamera ging immer schneller auf die Erde zu und dann preschte die einen Meter durch die Meeresdecke und da war dann eine riesengroße Meereschildkröte in Zeitlupe, die zog dann dahin. Und dann fing der Song an, und das war Zufall. Und das wusste ich, die Anderen dachten, die Show sei so abgemacht, aber das war sie halt nicht, und dann haben sie „Goodbye [my beautiful] star“ gespielt. Ich habe ein Lied geschrieben, da habe ich mich davon inspirieren lassen, das ist aber noch nicht fertig. Aber das war eine Wahnsinnsband. M.I.A. war tierisch gut, eine Hammer-Liveband, nach wie vor. Wenn man die sieht, die haben schon was für sich entdeckt, muss ich sagen. Und Goldjunge, ja (grinst).

Kommen wir zu Goldjunge...

In diesem Moment rast vorm KarlstorBAHNHOF donnernd ein Zug vorbei. Pohlmann nutzt die Situation, um Faxen zu machen, als ob er weiter reden würde, obwohl ihn kein Mensch bei dem Lärm verstehen kann. Danach erst mal minutenlanges Gelächter und Bauchweh davon.

Wenn man sich die Bilder anschaut von damals, ist der Imagewandel vom adretten Popschönling mit geschürzten Lippen bei Goldjunge damals...

Ganz schlimm. Peinlich.

...zum erdigen Typen von heute auffällig. Bist du heute näher bei dir selbst als damals oder sind das einfach unterschiedliche Stadien deiner Entwicklung?

Das stimmt. Das sind mit Sicherheit Entwicklungsstadien. Zu Goldjunge würde ich sagen: die Musik – da stehe ich voll dahinter. Ich stehe auch hinter den Texten. Ich finde, das haben wir alles sehr gut gemacht und wir waren mit Sicherheit mit der Musik vor unserer Zeit. Das war alles noch vor der deutschen Welle, die jetzt abgeht. Die ich super finde. Nur, mit Goldjunge, damals hatte die Plattenfirma nicht recht eine Ahnung, was man damit macht. Die hatten keine Schubladen. Es gab keine Möglichkeit für Goldjunge. Es gab irgendwann mal die Band Selig, es gab im Untergrund deutsche Bands wie Tocotronic damals oder Kettcar und all solche Bands, oder Tomte, die regional sehr bekannt waren und nicht den Status hatten, den sie heute haben. Die haben ja bestimmt auch durch Wir Sind Helden Tür und Tor geöffnet bekommen. Für mich zumindest sind Wir Sind Helden schon Türöffner gewesen und mit Sicherheit auch Leute, die mir helfen, weiterzukommen. Die [Leute von der Plattenfirma] haben nicht gewusst, wie sie es machen sollten. Die haben uns erklärt, „alles cool, ihr seid total cool, ihr seid eine deutsche Rock-Pop-Band und so, die Texte sind ja so tiefsinnig, eure Melodien sind spitze und wir machen das so ein bisschen arty-farty und so“. Dann haben wir Vorlagen bekommen, die wir uns angeguckt haben. Die erste Geschichte, das waren wir in den Wolken, da habe ich gesagt, das KANN überhaupt nicht wahr sein, habe mich tierisch aufgeregt, und dann kam das geringere Übel, das war mehr oder weniger der nächste Vorschlag. Und weil das letztendlich besser war – ey, du kannst dir nicht vorstellen, wie der erste Vorschlag aussah – haben wir uns entschieden, ja, so ungefähr kann man es machen. Und so sind wir so nach und nach in dieses Artwork geraten, was peinlich ist.

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Nach Veröffentlichung der CD stellte sich der Erfolg auch einfach nicht ein, dann findet man natürlich sowieso sehr viele Fehler. Wenn man Erfolg hat, dann sagt man immer, „ja, hat sich ja gelohnt. Hier mal vielleicht ein bisschen ein Zacken aus der Krone und so, stell dich mal nicht so an, ihr wollt ja auch weiterkommen“. So war das eben mit Goldjunge. Ich glaube, dass wir viel zu sagen hatten, aber nicht das Selbstbewusstsein hatten, uns durchzusetzen. Die Band hatte auch nicht die Gespräche untereinander, um zusammen an einem Strang zu ziehen und zu sagen, „so etwas lassen wir nicht mit uns machen“. Wir haben uns gegenseitig immer schwachgeredet, sage ich mal. „Ist schon gut, wir machen schon das Richtige“, dann kam von dem Einen nachts eine Email. (Mit hysterisch verstellter Stimme) „Das kann nicht sein, wir sehen aus wie Schwuletten“. Und dann alle: „Eric [der damalige Schlagzeuger] dreht jetzt durch. Was meinst du, Eric, komm, so schlimm ist das nicht und die Musik ist geil. Wir haben geile Livegigs, die Leute stehen drauf“. Und dann Eric: „Ja, ist ja auch alles nicht soo schlimm.“ Irgendwann merkt man einfach, nee, da musst du konsequent sein. Da musst du einfach wissen, was du willst. In diesem Sinne habe ich mich entwickelt und gesagt, so etwas werde ich nie wieder tun, besonders, was meinen Auftritt nach außen angeht.

Kann man also sagen, dass du dich und das was du jetzt bist, mit Zwischen Heimweh Und Fernsucht definierst und präsentierst?

Würde ich sagen. Also, ich bin auf dem Weg, immer, also das war jetzt nicht das letzte Foto und das letzte Musikstück, das geschrieben wird. Da wird noch immer wieder sehr viel passieren. Aber zur Zeit ist es der Augenblick, der mich trifft.

Kann sein, dass dir die folgende Frage schon öfter gestellt wurde: Zwischen Heimweh und Fernsucht heißt deine Platte – Was ist für dich daheim?

Bisher habe ich ein sehr wildes Leben geführt, und ich konnte meine Batterien immer zuhause bei meiner Schwester und meinen Eltern aufladen. Wer weiß, vielleicht habe ich irgendwann mal eine eigene Familie, und ich würde sagen, spätestens dann wird das ein Ruhepol sein. Ich brauche immer einen Ruhepol, aber ich muss auch immer etwas haben, was mich rauszieht und weglockt. Da ist eine Quelle irgendwo in diesen Spannungsfeldern Heimweh/Fernsucht.

Von daher ist es hier, wo wir stehen, an der Bahnstrecke...

...perfekt! (lacht)

Perfekt auch für den zweiten Teil der Frage: in welche Ferne zieht es dich, nach welchen fernen Orten bist du süchtig?

Dieses „Heimweh und Fernsucht“ ist auf vielerlei Weise übersetzbar. Ich habe den Song damals geschrieben und habe mich in einer Beziehung wiedergefunden, von der ich wusste, dass sie tief ist, aber nicht die richtige. Es ist ganz schwer: man hat einen Menschen, der einen fordert, aus einem alles rausholt und gleichzeitig hat man auch eine tiefe Verbundenheit, aber irgendwie gibt es in einem noch den Willen zum Ausbruch. Zum Beispiel: „Ich kann mich jetzt nicht fest binden, ich will noch irgendwie durchdrehen, ich will heute Nacht einen trinken gehen, Baby, tut mir leid, wir können jetzt nicht essen gehen“, so nach dem Motto. Das kommt immer auf den Anspruch an, den der Eine oder der Andere hat. Das wäre halt so eine Sache, wo es ein Heimweh gibt nach wahrer Liebe, mit Sicherheit, weil ich auch weiß, ganz sicher weiß, wie viel das wert ist, aber nicht wüsste, wie ich es zu finden habe. Und ich dachte, ich bin eigentlich an der richtigen Stelle, aber bis man das weiß, dass das vielleicht doch nicht das Richtige ist, vergeht einfach manchmal eine lange Zeit. Man macht ja nicht Schluss, weil man sich so gut versteht.

Deine anfängliche Fomulierung war: „tief genug, aber nicht das Richtige“. Es ist ja auch nicht so, dass man, wenn man merkt, dass es nicht das Richtige ist, es so schnell beenden kann, wenn es so tief ist.

{image} Ja, genau. Von wegen „scheiß auf Freunde bleiben“. Ich sehe das nicht so. Ich habe zu meinen Ex-Freundinnen ein sehr, sehr gutes Verhältnis, weil mir das auch sehr wichtig ist. Ich glaube, man hat sich gut kennen gelernt, man ist einen Weg zusammen gegangen, der hat dann eben nicht gepasst. Das liegt dann an eindeutigen Dingen, das kann man sich vorhalten bis sonst wo, aber das haben wir alle nicht getan und leben einfach zusammen weiter als wirklich gute Freunde. Deshalb würde ich eben nicht sagen „scheiß auf Freunde bleiben“, aber das ist natürlich immer individuell unterschiedlich. Da gibt es natürlich die Situation, die die Jungs [Revolverheld] beschreiben, das ist eine andere.

In An Mina schreibst du: „ich glaub ich kenn dich schon ewig, so wie Dracula Mina“. Dracula und Mina haben sich doch gar nicht so lange gekannt!

Doch! Bleiben wir beim Roman: da ist es so, dass der Graf eine Frau hatte, die sah genau so aus [wie Mina]. Ich habe einen Kollegen, mit dem ich hin und wieder angeln gehe. Mit dem habe ich mich über den Film unterhalten, dass wir ihn so groß fanden, mit Gary Oldman, wie er da durchdreht und dem lieben Gott abschwört. Da haben wir Gänsehaut gehabt. Wir haben uns über den Film unterhalten, dass das eine geile romantische Geschichte ist, verbunden über diesen dunklen Typen Dracula. Und dieser Kumpel von mir war in ein Mädchen verliebt, wusste aber nicht genau, ob sie seine Gefühle erwidert, und hat mir am Telefon sein ganzes Leid geklagt. Ich habe das ganze Telefongespräch mehr oder weniger in Stichworten runtergeschrieben und habe nach dem Telefongespräch gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn ich daraus ein Liebeslied mache, weil es einfach so schöne Metaphern waren, die er da erzählt hatte. Und da war er glücklich. Ich auch.

Zu Wenn Jetzt Sommer Wär hast du kürzlich ein Video gedreht und auch ne Single daraus gemacht, richtig?

Es ist so: Wir haben eine Radiosingle daraus gemacht, die es nicht zu kaufen gab am Anfang. Wir haben gar nicht geplant, die Sache zu drucken, mittlerweile ist es ne Single, weil wir mit der Plattenfirma gesagt haben, wir machen nicht den „Superstar sucht Deutschland“-Weg, den typischen Majordeal, d.h. tierisch viel Geld investieren, ein dickes Video wird gemacht, du wirst einmal nach vorne geschoben, dann gucken sie alle einmal ins Gesicht und sagen, den will ich oder den will ich nicht, und dann wirst du halt entlassen nach so einer Phase. Das war eben bei Goldjunge auch so. Wir machen einen Weg, der ist auch ehrlich, und ich wachse auch daran, muss ich sagen. Ich spiele halt sehr viel live, zum Beispiel mit Xavier Rudd. Ihr müsst das gleich unbedingt angucken. Was der macht habe ich noch nicht gesehen, das haben bestimmt viele noch nicht gesehen. Oder dass ich mit Vonda Shepard durch die Gegend ziehe, die den Gitarristen hat, der zwanzig Jahre bei Tina Turner gespielt hat und der Bassist bei Johnny Cash und was nicht alles. Solche Leute lernst du kennen und wächst an den Leuten, wächst an den Herausforderungen. Die Plattenfirma hat gesagt, so machen wir es einfach, den schicken wir erst mal richtig lange auf Tour, mit lauter Leuten, wir machen eine Single, ja, wir nehmen den Sommer-Song, schicken den an die Radios, wenn sie ihn nehmen, nehmen sie ihn, wenn nicht, {image} dann nicht. Jetzt sind die Radiosender aber doch so gut drauf eingestiegen, dass es doof wäre zu sagen, nein, wir ziehen uns weiterhin zurück. Dann versucht man halt auch den Schritt, nach vorne zu gehen.

(Mittlerweile wurde noch eine Sommer-Version des Videos auf Mallorca gedreht und die Single hat mit Platz # 55 die deutschen Single-Charts geentert. Bei den digitalen Charts weist die Single gar eine Top50 Position auf und bei iTunes wurde sie schon in den Top30 notiert.)

Drückst du jetzt eigentlich die Daumen, dass das Wetter...

Wusstest du – ich hab’s ja eh so mit Vornamen –, dass ein Hochdruckgebiet aus Spanien kommt, das heißt Ingo! (Für alle die, die es noch nicht mitgekriegt haben: Pohlmann hat auch einen Vornamen und der lautet Ingo) Ist das nicht abgefahren? (lacht)

Der Name Ingo kommt doch von dem Gott.... abgeleitet von Ingobert.

Aha, ich kenne nur die Ableitung von Ignatz.

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Ingo heißt soviel wie „der, der in dem Licht des Gottes Inguan, oder so ähnlich, strahlt“ (korrekt wäre „(Das Kind erhalte) den Glanz unseres Gottes Ingwio“)

Halleluja! Hört sich gut an. Das muss ich mir auch noch mal genau durchlesen. Das ist gut.

Damit der Text von Wenn Jetzt Sommer Wär in seiner Gänze gültig ist, müsste der Sommer ja noch ein bisschen wegbleiben. (Bemerkung: zum Zeitpunkt des Interviews hatte der WM-Sommer noch lange nicht begonnen) Oder du müsstest dich auf den Part retten, wo es heißt „wenn bei dir jetzt gerade Sommer ist...“. D.h. drückst du jetzt die Daumen, dass die Witterung noch ne Weile so ist, wie es jetzt heute ist?

Ich hoffe, dass bald Sommer ist und dass der Song weiterhin funktioniert, weil er einfach auch ein positives Gefühl hat. Ich glaube, diesen Song würde ich genau so gerne bei strahlendem Wetter hören, wie er mich bei so nem miesen Wetter aufbaut.

Du würdest den Text auch nicht gegebenenfalls anpassen?

Nein. Man hat mich schon gefragt. Das würde ich nie tun.

Andererseits ist es ja relativ brutal, dass du den Leuten in einem Winter, der eh schon viel zu lange dauert und total deprimiert, dann auch noch sagst, „yeah! Wenn jetzt Sommer wär, dann könnten wir das und das machen“

(lacht) Konnte ich ja nicht wissen. Den habe ich ja nicht absichtlich so geschrieben, war keine Berechnung. Ich bin kein berechnender Mensch, dazu bin ich zu doof.

Nicht berechnend, aber wunderlich bist du. Sagst du zumindest in Dämon. Inwiefern?

Man tut eine ganze Menge Dinge um sich zu fordern. Man geht eben nicht die Wege, die andere gehen, sondern Umwege, wie z.B. auch in Das Leben Ist beschrieben, wo ich mich irgendwie als Alien geistig versuche zu erkennen. Solche Sachen. Das macht einen wunderlich und irgendwie anders. Eigentlich ist jeder anders, aber nicht jeder lebt es aus. Ich versuche eigentlich immer, das ziemlich ehrlich auszuleben. Wie auch immer, aber ein Wunderkind bin ich nicht. Ich bin jetzt 33, und wenn man sich Biografien durchliest von Jimi Hendrix bis sonstwas, das sind alles Leute, die mit 6 Jahren angefangen haben, Gitarre zu spielen, die halt großartig sind. Wenn man sich an diesen Leuten misst, dann kommt man manchmal in eine Depression. Das passiert vielen Musikern, die irgendwann glauben, aufgrund dessen, dass sie keinen Erfolg haben, dass ihre Zeit und ihre Uhr abgelaufen ist.

(Im Vorbeilaufen  gratuliert ihm ein Zuhörer seines Gigs vor dem Interview)

Dankeschön, vielen Dank, Mann! Und ich versuche, mich von den Dämonen frei zu machen, die mir z.B. sagen, „was hast du schon geschafft, Alter? Schreibst ein nettes Lied irgendwie, aber was ist das schon. Guckt dir mal was Richard Ashcroft schreibt oder solche Leute oder Mando Diao in den jungen Jahren.“ Vielleicht wäre ich dazu fähig gewesen in anderen Umständen, aber darauf kann ich nicht ständig Energie verschwenden.

Vielleicht lebst du einfach langsamer.

Das glaube ich auch! Der Song hatte einen anderen Text damals, wo ich mich als Spätzünder begreife. Ich glaube ganz sicher, dass ich ein Spätzünder bin und dafür danke ich auch. (lacht) Ich habe noch viel Kindliches in mir, ich habe lange Zeit keine Verantwortung für mich übernehmen können, was mir jetzt so nach und nach immer mehr gelingt. Dass ich immer mehr die Fassung bewahre oder den Überblick behalte, den ich vor zwei Jahren bestimmt noch nicht hatte.

Und wieso ist dein Gesicht böse, wie im gleichnamigen Lied besungen?

Ich wohne ja in der Schanze. Ich bin da sehr gerne. Und da sind so viele Menschen, die mehr oder weniger sind wie ich. Wie soll ich das sagen? Es gibt halt Eitelkeiten, die Schanze, das ist ein Laufsteg irgendwo. Das hat ja jede Stadt irgendwie. Ich sollte nicht soviel irgendwie und irgendwo sagen! Meine Freundin ist super (mit verstellter Stimme): „du sagst immer so viel irgendwie!“ Jede Stadt hat einen Laufsteg. Ich habe irgendwann erkannt, dass man, um sich von Anderen abzugrenzen, versucht, sich selbst als besonders weitsichtig darzustellen. Es gibt immer noch ganz viele Leute, die sagen z.B., „ ich bin von so einer Beck’s Gold-Werbung nicht beeinflusst.“ Bzw., wenn ich verlauten lasse, wir sehen alle so aus...

(Und schon donnert ein weiterer Zug vorbei und die Faxen werden noch toller.)

Das war doch der Selbe wie vorhin! Ich mache auch gerade eine Riesenerklärung. Der Song hat ganz viel: da gibt es einmal die Eitelkeit in mir irgendwie (du sagst immer so viel irgendwie), ich finde, das ist irgendwo ein böses Element. Ich bin ein sehr eitler Typ manchmal und komme richtig schlecht drauf, wenn ich irgendwie (schon wieder!) morgens nach dem Fertigmachen nach der Dusche kacke aussehe.

Bad hair day.

Genau. Andererseits weiß ich aber auch, dass das total lächerlich ist. Und ich weiß, dass wir deswegen Masken tragen. Wenn ich in die Schanze gehe, dann merke ich viel, dass das Masken sind, die unser Miteinander sehr beeinflussen. So dass ich letztendlich sage, „wenn wir es wagen unsere Masken nicht zu tragen, wird die Liebe in dir zur Liebe in mir“. Dann, so glaube ich, kann man sich beeinflussen. Mit dem Song versuche ich, etwas aufzubrechen und zu sagen, „lasst es uns einfach mal zugeben, dass wir diese und jene Fehler haben, die alle hier eigentlich teilen. Wenn wir uns dann so wahr gegenüber stehen, dann wird das eine richtig witzige Nacht.“

Kann man den „Cyborg“, den du beschreibst, auch auf der Schanze finden oder ist das eine reine Fantasiegeschichte?

Philip K. Dick, das ist der Begründer von der Matrix-Story und Minority Report, Total Recall, also die ganzen geilen Future-Filme, die wirklich gute Stories haben. Der Typ hat als Comic-Zeichner angefangen, inhaltlich so tiefgründig, dass sie gesagt haben, „kannst du da Geschichten schreiben“. Ich habe mir „Der unmögliche Planet“ durchgelesen, das ist ein Buch mit lauter Geschichten von ihm und der hat halt so Zukunftsdinger drauf. Er betrachtet die Zukunft im sozialen Miteinander. Und irgendwann bin ich auf diese Idee gekommen, da hat sich in meinem Kopf so eine Geschichte breit gemacht, dass der Computer in Wirklichkeit eine Intelligenz ist, die sich schon lange gefunden hat, die uns aber als Anschlusspunkt braucht und nicht weiß, wie sie an uns rankommt. Wir haben halt keine Materie, woran er uns anschließen kann. Also versucht er über den Trieb an uns ranzukommen und das fängt dann  bei den Silikontitten an und das geht dann weiter. Irgendwann kann man sich halt aufladen als Mann, keine Ahnung. Da gibt es dann die ersten Stöpsel und es gibt einen Eingang in uns. Wo auch immer diese Stöpsel sind. (lacht)

Wird Zeit, dass wir wieder etwas seriöser werden. Ich fand beim Auftritt eben sehr bemerkenswert, dass die bei manchen Stücken auf der Platte opulentere Instrumentierung überhaupt nicht fehlt.

Ja, ich habe die Songs halt so geschrieben. Die sind so entstanden.

Ich weiß nicht, ob du es jetzt immer noch machst, aber du bist zumindest ein paar Mal mit einer 5-köpfigen Band aufgetreten. War das auch mit diesen Songs oder war das ein vorheriges Projekt, wo auch Gudze, Ex-Bassist von den H-Blockx, dabei war?

Einmal habe ich das getan. Danach haben wir gemerkt: Supermusiker – das waren Hammermusiker alles, wirklich die Creme de la Creme –, wir haben einen 1A-Gig abgeliefert, aber das wäre in Richtung Silbermond/Revolverheld gewesen. Was alles cool ist, wir finden unsere Sprache wieder auf verschiedensten musikalischen Ebenen. Bei mir ist es aber so, dass ich etwas anderes wollte. Ich habe einfach gemerkt, nein, meine Idole sind anders. Das war eine Zeit, zu der ich noch nicht genau wusste, wo das eigentlich hingehen soll. Ich habe immer mehr Ben Harper gehört, dann kam auch noch Jack Johnson, der mich total umgehauen hat. Ich bin aber nach wie vor ein sehr großer Ben Harper Fan. Da war das auch das Ding, dass ich nicht ganz ohne Instrumente will. Ich wollte viel weniger Pop, aber ganz ohne Pop auch nicht. Aber ich wollte ein bisschen mehr Roots, ein bisschen mehr Blues und wollte gucken, ob meine Stücke nicht anders zu behandeln sind. Dann haben wir uns entschieden, okay, wir gehen jetzt einen total anderen Weg. Das war sehr mutig, weil die Plattenfirma noch gar nicht wusste, was wir eigentlich wollten. Wir hatten ein Demo abgeschickt, das war halt Großraumdiskopepp irgendwie. Das war noch was ganz Anderes. Ich habe mich darin nicht wohl gefühlt. Auf der Bühne habe ich auch gemerkt, ich muss wie bei Goldjunge gegen zwei Gitarren anschreien und so. Und dafür habe ich das nicht mehr gemacht. Ich habe gemerkt, ich möchte es gerne anders und mein Manager hat gesagt, „du, ich sehe dich auch anders.“ Wir haben uns bei einer Flasche Rotwein kennengelernt, etwas Gitarre gespielt, „du, so das Gefühl habe ich heute Abend auch nicht gehabt, obwohl das ein 1A-Gig war. Aber irgendwie bist du das nicht.“ Und dann haben wir uns einfach umentschieden.

Das hast eben gerade schon Jack Johnson erwähnt. Der hat ja angeblich deinen Song, Wenn Jetzt Sommer Wär, in dem sein Name im Text vorkommt, mal im Radio gehört und wollte dich daraufhin persönlich treffen.

Ja, es gibt auf der Website gerade ein Foto von mir. Und das Foto... (lacht) aah, weißt du, du hast ein einziges Foto und da guckst du so dämlich drein wie ich auf diesem Foto! (krümmt sich vor lachen)

Naja, Masken fallen, davon hatten wir es ja vorhin.

{image} Genau das habe ich mir auch gesagt, letztendlich. Ich war wirklich wieder in meinem Eitelkeitsscheiß und dachte mir so, „du könntest ein bisschen cooler aussehen neben Jack Johnson, nicht so wie ein wegen Tokio Hotel durchgedrehtes 15-jähriges Mädel.“ Dann meinte die Freundin von Henning (seinem Manager, der Mehrheit bekannt als Sänger der H-Blockx), „Coolsein heißt, über solchen Dinge drüber zu stehen“. Und dann habe ich mir irgendwann gesagt, ja, das ist genau das, was ich schreibe. Manchmal hat man helle Moment und schreibt ein gutes Lied, das heißt aber nicht, dass man das ganze Leben auch überblicken kann. So stehe ich jetzt mit diesem Foto auf meiner Website und finde es völlig in Ordnung.

Darüber hinaus, wie war das Treffen mit ihm? Ich nehme mal an, dass das Foto so geworden ist, weil...

Es dokumentiert nicht das, wie es war. Ich war nicht so aufgeregt und nicht so tatterig, wie es auf dem Foto aussieht. Ich war sehr ruhig und er ist auf mich zugekommen, meinte irgendwie „affengeiler Song, dann habe ich noch meinen Namen gehört, superlustig, wie läuft’s bei dir, was machst du jetzt?“. Und ich, „ja, im Radio wird das Ding gespielt und danke für die Inspiration, die du mir gegeben hast. Als ich dich das erste Mal gehört habe, das war richtig klasse, hat mir meine Seele geöffnet, für mich wieder Musik zu machen“. Da hat er gelächelt und dann hat man so rumgeschnackt ganz kurz. Wir hatten nur fünf Minuten und dann kommt auf einmal (mit verstellter Stimme) „okay, jetzt ein Foto!“, und dann kommen drei Leute von der Plattenfirma und dann stehst du halt da. In dem Moment wurde mir klar, „Alter, der legt jetzt den Arm um dich“, da ist mir alles aus dem Gesicht gefallen. (lacht) Und dann kam der Flash! Bis dahin war alles so „ja, Mann“, und man war auf einer Ebene und ich wollte auch nicht nach einem Autogramm fragen, weil ich dachte, das lass ich einfach weg. Es reicht, einfach, „hallo!“, zu sagen, das ist super, mehr brauche ich nicht, das nehme ich für mich einfach mit.

Die Erinnerung.

Genau.

Und ein schickes Foto.

Genau, ein schickes Foto.

Und wie war es um deine Contenance bestellt als du als bekennender Selig-Fan mit Jan Plewka zusammengekommen bist und Christian Neander die Platte (teilweise) produziert hat?

Ich komme ja aus Hamburg, also Jan Plewka habe ich sowieso nach und nach kennengelernt, auch bei dieser „Rocker vom Hocker“-Sache, die ich ja mache... ooh, ich hätte gerne ein Bier, wollen wir uns ein Bierchen holen?

Klar.

An dieser Stelle also ein erneuter Ortswechsel ins Gebäude rein. Da ist es aber immer noch zu laut, der einzige stille Ort ist... das Stille Örtchen. Dort wird also das Interview fortgesetzt.

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Ich habe montags angefangen zu kellnern, in der Kneipe in Hamburg und habe dann da Gitarre gespielt. Ich konnte da Gitarre üben, weil da nichts los war, montags geht halt keiner in die Kneipe. Und irgendwann wurde das immer voller, es wurde bekannt, da ist irgendwo ein Typ, der sitzt da alle zwei Stunden auf der Theke und spielt Gitarre. Dann kamen andere Musiker, haben mich gefragt, ob sie auch mal dürfen. Und die waren auch nicht schlecht, und dann ist daraus eine Sache gewachsen, die nennt sich heute „Rocker vom Hocker“. Das ist immer rappelvoll, es kommen auch immer gute Leute hin. Und irgendwann kam auch Jan Plewka rein und sang Frösche weinen nicht. So habe ich den kennen gelernt und wir sind auch in Kontakt geblieben. Und was ich dir eben erzählt habe von der großen Pop-Rock-Musik, die wir zuerst vorhatten mit meiner Musik: ich musste das adaptieren in eine Sache, die ich gut finde oder die ich verstehen kann. Ich kann Songs schreiben, aber ich bin begrenzt in meinem gitarristischen Können. Ich kann nicht sagen: „der Basslauf soll so sein, das Schlagzeug muss so sein“. Letztendlich macht das jeder Produzent genau so. Du musst halt Leute finden, die das gut können und dann checkt man halt aus, wie das jede Band auch tut. Ich habe immer nur gesagt, „ich kann das nicht erklären, wie ich es haben will. Wie wir es jetzt haben, das ist mir zu breit und zu viel. Ich will es weniger haben, Referenz Ben Harper, vielleicht auch ein bisschen Jack Johnson, vielleicht ein bisschen Tracy Chapman. Es kann auch poppiger sein, aber Smashing Pumpkins zum Beispiel, hm. Lass uns mal gucken.“ Dann fiel der Name Christian Neander. „Der hat ein Studio aufgemacht in Berlin, lass uns den mal anrufen. Das ist doch sowieso ein Vorbild von dir, vielleicht könnt ihr euch auf einen musikalischen Weg einigen.“ Und das ging ziemlich schnell und ziemlich gut.

Du hast irgendwann dein Abi nachgemacht...

Das Fachabi.

...und hast dich da bevorzugt beschäftigt mit Geschichte, Philosophie, Soziologie und Deutsch.

Ich bin einmal pappen geblieben und habe jeden Leistungskurs einmal gehabt, hehe! (und lacht sich mal wieder dreivierteltot) Das war so geil. Ich glaube, die erste Leistungskurskombination war Geschichte/Deutsch und die zweite war Philosophie/Soziologie.

Was hat dich am meisten interessiert?

An der Schule fand ich dieses ganze Fächerübergreifende ziemlich geil. In der einen Stunde warst du da in Geschichte, dann hast du das in der nächsten Stunde gleich mit soziologischer Geschichte verknüpft. Oder, dass du in Geschichte die Französische Revolution hattest und dann in Philosophie Rousseau und in Soziologie auch gleichzeitig eine Verknüpfung mit Rousseaus gesellschaftlicher Vorstellung. Das war irgendwie alles interessant. Ich könnte jetzt gar nicht sagen, was ich da speziell supergut fand. Ich fand diese Kombination einfach sehr spannend. Philosophisch weiß ich noch, was ich mir mal gemerkt hatte, ich glaube Camus oder Sartre, die wirkten auf jeden Fall zusammen, die Existenzialisten: „Du bist in jedem Moment deines Daseins nicht mehr, was du warst und noch nicht, was du sein wirst.“ Da fiel mir auf, dass zwischen Zukunft und Vergangenheit so eine unendlich klaffende Lücke ist. Der Moment an sich ist gar nicht zu begreifen. Zu keinem Zeitpunkt, weder in der Zukunft noch in der Vergangenheit. Das hat ein Gefühl in mir ausgelöst, das hat mich sehr beeindruckt. Da habe ich verstanden: „Das ist Existenzialismus!“. Da geht es wirklich ganz, ganz klar um das Dasein. Und das ist eine Sache, die mich immer sehr beschäftigt hat.

Hast du mal einen Gedanken daran verschwendet, diese Fächer zu studieren?

Ich wäre zu doof. Ich bin nicht zu doof, Fragen zu stellen und mich zu unterhalten, zu leben. Das kriege ich ganz gut auf die Kette. Aber zu pauken und Wissen zu lernen, das zu kombinieren und schwierige Klausuren zu absolvieren, darin war ich nie richtig gut. Deswegen hat es letztendlich zum Abi nicht wirklich gereicht. Ich habe mündlich überall eine Zwei bis ne Eins gehabt, schriftlich war ich immer so auf Vier. Man sagte mir auch, „interessante Diskrepanz bei dir, dass du mündlich immer so mitmachst und auch Fragen stellst, die sich manche Leute nicht trauen, weil sie sie für zu doof halten.“ So hatte ich dann ganz gute Bewertungen im Abi. Aber schriftlich ist das in die Hose gegangen. Auch meine Rechtschreibfehler, unfassbar. Die habe ich nie weggekriegt. Weil ich auch ein bisschen faul bin. Gewisse Dinge müsste ich mal überarbeiten, aber das tue ich nicht mehr, vielleicht aus Vorbehalt auch. Aber jetzt geht es mir einfach gut, soweit.

Ich nehme an, das war auch ein Grund, warum ein Musikstudium nie erstrebenswert oder machbar schien?

Ja. Ich kann nicht pauken. Ich will nichts machen, wozu ich keine Lust habe. Wenn ich Bock auf Philosophie habe und auf eine philosophische Unterhaltung, dann macht man das einfach, weil man gerade Lust drauf hat. Und das ist das Herz aller Dinge. Und ich mache mir Musik nicht kaputt, weil ich irgendwie jetzt studieren müsste, Griffe lernen müsste und Tabellen, Noten, alles auswendig, mich trocken mit irgendwelchen Klassikern auseinandersetzen. Da muss man Lust drauf haben. Ich hätte da keine Lust drauf. Ich bin ein Singer/Songwriter und mache Popmusik und lasse mich vom Leben treiben und von den Akkorden. An einem Tag ist eine E-C-G-Kombination das Gefühl und an einem anderen Tag ein anderes Gefühl. So viel weiß ich zumindest. Da mache ich irgendwie was draus. Viele, die das studiert haben, die können in einer Session nichts machen, wenn sie keine Noten haben, keine Vorlage. Die sitzen in einer Session steif herum, weil sie sich nicht gehen lassen können, weil sie nur in der Strenge der Noten ihre Erfüllung finden. Das ist mir Sicherheit sehr, sehr hoch angesiedelt und das ist ein Hochgefühl, dass ich nie erreichen werde. Aber in einer Session wird es manchmal schwierig für die. Das sagen die dann auch immer. Der Einzige, den ich kenne, ist mein Cellist, der hat das studiert und hat es voll drauf. Der kam irgendwann leicht betrunken ins BP, nahm sein Cello in die Hand und fragte, „kann ich mitspielen?“ Der war von Anfang an in der Musik drin.

Und was ist mit Popkurs, bei dem sich z.B. Wir sind Helden getroffen haben? Der findet in Hamburg statt. Das wäre ja auch eine Möglichkeit gewesen.

Das hätte ich gemacht. Das ist eine gute Sache. Das ist eine Sache für Autodidakten, die da weitergeführt werden, wo sie sich selbst abholen. Die haben mich beim ersten Mal nicht angenommen. Ich habe mich da hingesetzt, Gitarre gespielt, aus voller Brust, und als ich die Augen aufmachte schaute ich in zehn Professorengesichter, die alle gelächelt, gejubelt und geklatscht haben. Und am nächsten Tag kriegte ich die Nachricht, „nee, tut uns leid, dass wir Sie nicht annehmen können.“ Das war natürlich ein Schlag in die Fresse. Dann habe ich mit Goldjunge einen Plattenvertrag bekommen, und weil ich nicht wusste, was in nächster Zeit anstand, sagte ich, „ich bewerbe mich da noch mal. Da kann man auf jeden Fall was lernen.“ Und dann wurde ich auch angenommen. Dann kam aber mit Goldjunge ne Tour, damals war es mit Nena, glaube ich, es hieß, „das machen wir, Popkurs geht jetzt nicht, vielleicht irgendwann mal“. Irgendwann habe ich Jan Plewka getroffen und ihn gefragt, ob er beim Popkurs war, und dann sagte er, „nein, ich bin alleinerziehend!“

Wie war die Reaktion deiner Eltern, als du ihnen erklärt hast, dass es doch nichts wird mit dem Bauwesen-Studium und dass du nicht in die Fußstapfen deines Vaters in dessen Bauunternehmen treten wirst?

Das was so ein schleichender Prozess. Das hat mein Vater immer mehr gemerkt, genauso wie ich immer mehr gemerkt habe, dass ich das nicht mache. Mein Vater ist noch die alte Generation, ein stiller Mann, aber ein guter, der hat immer wieder versucht, mich über meine Mutter davon abzubringen. Meine Mutter hat immer versucht, mich in Gespräche zu ziehen, was ich denn jetzt mal werden will. Da habe ich immer gesagt, „ich bin jetzt, was ich bin, nämlich Musiker“. Irgendwann wurde mir das immer klarer. Dann habe ich es noch einmal versucht, habe gesagt, „ich ziehe nach Hamburg, mache ein Bauwesen-Studium, und dann gucken wir mal weiter. Aber ich werde auf jeden Fall nebenbei eine Band haben. Und wenn was mit der Band geht, dann breche ich dieses Studium wahrscheinlich ab.“ So war es dann auch. Ich habe mich da tatsächlich angemeldet und habe dann Goldjunge gefunden und wir hatten tatsächlich nach drei Monaten bei der Sony schon einen Deal. Dann bin ich damit nach Hause, habe ihn auf den Tisch gelegt, „so, jetzt habt ihr es schwarz auf weiß. Wir kriegen ein bisschen Geld, ich bin unabhängig und ich bin Musiker“ Leider konnte ich es am Anfang meinen Eltern nur über Geld beweisen, dass ich Musiker bin. Jetzt verstehen sie es. Sie stehen beide voll hinter mir. Mein Vater ist völlig zufrieden damit, dass ich diesen Weg gemacht habe.

Ich versuche gerade, mir die übliche Frage nach einem Schlusswort abzugewöhnen. Also was immer du jetzt noch gerne aufs Band bringen möchtest, um das Interview abzurunden, mach einfach.

Hm, dieser Druck jetzt... ich kann immer nur reagieren, auf ne Frage oder so...

Soll ich dich dann doch in Frageform um ein Schlusswort bitten?

{image} Dafür muss ich mir irgendetwas ausdenken, weil das kommt wirklich oft...ich habe doch einen, hoffentlich kriege ich den hin. Der ist aus „Der Rosarote Panther“.

Leider kriegt es es in diesem Augenblick doch nicht auf die Reihe. Wir lassen es gut sein, er verspricht aber, während wir den Rest des Xavier Rudd-Konzerts anschauen, sich Gedanken zu machen. Und tatsächlich, als sich der Konzertsaal lehrt springt er noch mal vors Mikrofon und rezitiert:

„Nichts was einfach ist, ist lohnenswert, deswegen habe ich da immer versagt, wo andere Erfolg hatten.“

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pohlmann