Pussy Riot, die feministische Punkrock-Band aus Moskau.

Pussy Riot, die feministische Punkrock-Band aus Moskau. © Igor Mukhin (CC-BY-SA-3.0, ru.wikipedia)

Die russische Punk-Band Pussy Riot benutzt Musik als Ausdruck politischen Protests gegen Putin und seine Allianz mit der orthodoxen Kirche. Für ihr politisches Engagement zahlen die jungen Frauen einen hohen Preis. Seit März dieses Jahres sitzen sie in U-Haft, während sich die russischen Justizbehörden mit absurden Anklagen der Lächerlichkeit preisgeben. Die als Strafprozess getarnte Farce dient nur dem Machterhalt des russischen Präsidenten Vladimir Putin, dessen Herrschaft in letzter Zeit nicht mehr unangefochten ist.

{image}Kurz vor den russischen Präsidentschaftswahlen im Februar 2012 filmten drei junge Frauen, mit Namen Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samutsewitsch und Maria Alechina in Moskaus Erlöserkathedrale ein kurzes Video. Als Punk-Band Pussy Riot riefen sie die Mutter Gottes auf, Russlands Präsidenten (und damaligen Ministerpräsidenten) Putin aus dem Amt zu jagen. Weiterhin attackierten sie den Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, der offen zur Wahl Putins aufgerufen und dessen Herrschaft als "Geschenk Gottes" bezeichnet hatte. Der provokante, aber eher harmlose Protest hatte jedoch verhängnisvolle Folgen.

Wenige Tage später, Anfang März, wurden die drei jungen Frauen verhaftet und sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Jüngst wurde die Untersuchungshaft um ein halbes Jahr verlängert. Schon die Begründung zeigt, dass der Prozess eine Farce ist: Man wolle die inhaftierten Mitglieder von Pussy Riot vor aufgebrachten orthodoxen Christen schützen. In der Anklage beruft man sich auf ein Tanzverbot in Kirchen, das auf einer Synode des 7. Jahrhunderts beschlossen wurde. Man könnte über die Erbärmlichkeit der Verantwortlichen lachen, wenn die Angelegenheit nicht so bitterernst wäre.

Denn natürlich handelt es sich bei dem inszenierten Theater, das als Strafprozess daherkommt, genausowenig um einen Prozess wie bei den Tribunalen im aktuellen Kinohit The Dark Knight Rises. Dort übernimmt der Superschurke Bane die Stadt Gotham und lässt Scarecrow über Tribunale präsidieren, die nur zwei Urteile kennen: Tod und Tod durch Exil (d.h. Ertrinken im eiskalten Wasser). Die Schuld steht hingegen schon vorher fest.

Genauso verhält es sich in Moskau. Offiziell wirft die Anklage Pussy Riot "Rowdytum" vor und attackiert die Band wegen der Verletzung religiöser Gefühle. In Wirklichkeit lässt Putin hier ein Exempel an einfachen Opfern statuieren, die sich mit einer gewagten Aktion im zentralen Heiligtum der russisch-orthodoxen-Kirche bei vielen Gläubigen angreifbar gemacht haben. Das ungesunde Volksempfinden geht einher mit der speichelleckenden Haltung des Patriarchen Kirill, der die orthodoxe Kirche auf einen verhängnisvollen Schmusekurs mit der russischen Staatsmacht gesteuert hat.

Die unheilvolle Allianz aus Kirche und Staat hat ihr Vorgehen lange vor Prozessbeginn festgelegt. Entscheidend dafür war natürlich nicht die Kritik an der Kirche oder die angeblich verletzten religiösen Gefühle der Gläubigen, sondern der offene Angriff auf Putin. Dieser ist bemüht seine Macht nach den umstrittenen und massiv gefälschten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu festigen und sucht nach einem Symbol, das er benutzen kann. In den drei jungen Frauen hat er es gefunden.

{image}Dabei ist der Prozess selbst in Russland keineswegs unumstritten. Sogar innerhalb der orthodoxen Kirche werden Stimmen laut, die erkennen, in welch gefährliche Abhängigkeit von Putin sich die orthodoxe Kirche begibt, indem sie Putins Machtdemonstration deckt. Im Ausland ist die Reaktion noch weitaus eindeutiger. Zahlreiche berühmte Musiker wie Sting, die Red Hot Chili Peppers und Peter Gabriel haben sich für Pussy Riot eingesetzt, Amnesty International hat ebenfalls die Freilassung der Frauen gefordert. Ob die Proteste innerhalb oder außerhalb Russlands Erfolg haben werden, ist ungewiss.

Der Pussy-Riot-Prozess erinnert nicht nur an den Chodorkowski-Prozess erinnert, sondern auch an die Stalinistischen Schauprozesse. Gemeinsam ist allen die hemmungslose Manipulation des Justizsystems im Interesse der Macht, die in Russland eine lange Tradition hat. Gleichzeitig legt der Prozess die Schwäche der russischen Demokratie offen zu Tage. Im Angesicht der versteckt angewandten Gewalt des Machthabers zerbrechen die demokratischen Strukturen des Landes. Die Probleme Russlands, die Rückständigkeit der Wirtschaft, die einseitige Orientierung auf Rohstoffexport, die Reformbedürftigkeit von Staat und Verwaltung, die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz bleiben unbeachtet und ungelöst.

Darüber hinaus sendet der Pussy-Riot-Prozess unabhängig von seinem Ausgang ein verheerendes Signal an die russische Öffentlichkeit: kritische Meinungsäußerung wird fortan in den Köpfen der russischen Bürger mit dem Risiko monatelanger Untersuchungshaft verbunden sein. Die Angst vor den Folgen der Kritik an Russlands Machthaber wird das Handeln der Menschen bestimmen. Putin gewinnt – und Russland verliert.

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