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Bob Dylan (2016) © Live Nation Germany

Bob Dylan gemeinsam auf Tour mit Mark Knopfler, der vor ca. 30 Jahren auch bei zwei Dylan-LPs Leadgitarre spielte - das weckt Erwartungen! Werden sie nun gemeinsam jene Songs, die sie damals im Studio eingespielt haben, auf die Bühne bringen? Dabei sollte sich doch mittlerweile herumgesprochen haben, dass man Dylan nicht mit Erwartungen begegnen sollte. Sie haben gemeinsam gespielt. Und beide Konzerte waren toll - jedes auf seine Weise.

{image}Vor 27 Jahren war die gemeinsame Tournee von Bob Dylan und Santana eins der großen Ereignisse der Konzertsaison. Damals war Dylan mit einem Album (Infidels) unterwegs, das Mark Knopfler produziert hatte und auf dem er, wie auch schon auf dem 1979er Album Slow Train Coming, an der Leadgitarre stand. Erst spielte Santana, dann Dylan und dann kam Santana noch mal zu den Zugaben auf die Bühne; bei manchen Gigs war sogar Joan Baez dabei und sang noch mit Bobby Blowing In The Wind. Viele Kritiker und auch Fans monierten damals, Dylan würde nachlässig singen, seine Band wäre zu hölzern und zu laut gewesen. Genau das gleiche war auch dieses Jahr wieder zu hören. Diesmal aber weniger von Kritikerseite, sondern von Konzertbesuchern, die wohl Brothers In Arms jederzeit Blonde On Blonde vorziehen würden, sofern sie letzteres Album überhaupt kennen. Wäre auf dieser Tour zur Zugabe Joan Baez gekommen und hätte How Many Roads angestimmt – oder wenigstens Dylan gemeinsam mit Knopfler Knockin' On Heavens Door – die Erwartungen vieler wären erfüllt worden. So gab es zwar nicht das große Finale wie damals, aber zwei tolle Sets und immerhin auch Knopfler zu Beginn bei Dylan in der Band.

{image}Pünktlich um halb Acht geht das Licht aus und Knopfler steigt mit What It Is vom Sailing To Philadelphia-Album ein. Seine Gitarrenlinks sorgen sofort für andächtige Aufmerksamkeit bei dem ihm sehr gewogenen Publikum in der ausverkauften SAP Arena. Beim dritten Song ist der Sound dann auch so perfekt ausgesteuert, dass seine wenig dynamische Stimme auch angemessen vorn im Soundbild ist. Auch die vielen akustischen Instrumente, die seine Arrangements ausmachen, sind klar zu hören, sodass sein Auftritt optimal gerät. Das Publikum zeigt sich ob seinen in Folk, Blues und Hillbilly wurzelnden Songs begeistert. Rock gab es nur ansatzweise, Pop gar nicht – wer also mit einer 80s-Hits-Erwartung kam, war auf der falschen Veranstaltung – und von Dylan reden wir an dieser Stelle noch gar nicht! Aber das Publikum reagiert auch bei Songs wie dem in Triobesetzung mit Kontrabass gespielten Song For Sonny Liston begeistert, war also durchaus auf Roots eingestellt. So erfreulich dieser Ansatz auch war – so vorhersehbar war auch in manchen Momenten das Arrangement. Dieses wird an vielen Stellen ruhig, damit man die Flöte auch hört, dann spielt Mark ein paar typische Licks und das Banjo kommt rein, das Ganze nimmt Fahrt auf und schließlich spielen alle das Thema gemeinsam. Give the people what they want. Funktioniert jedenfalls bestens, der spontane Szenenapplaus kommt wie vorher gesagt.

{image}Gegen Ende mischen sich auch zwei große Hits aus Dire Straits-Zeiten in das Set, das übrigens auch zwei neue Songs (Privateering und Haul Away) enthält. Wie auch schon im Jahr zuvor, als Knopfler in Mannheim spielte, flüstert er die Strophen des Klassikers Brothers In Arms mehr als er sie singt. Dennoch gerät seine diesjährige Interpretation sehr viel intensiver. Am Ende seines Auftritts bringt er dann auch noch die Country-Schunkelpop-Nummer So Far Away, für viele wahrscheinlich der Höhepunkt des Abends. Knopfler überzugt wie immer mit seinem Gitarrenspiel, auch seine Songauswahl bot eine gediegene Mischung – wer allerdings Überraschungen erwartete, musste bis nach der Umbaupause warten.

Bob Dylans Auftritt wird durch die übliche die Karriere Revue passieren lassende Ansage eingeleitet. Der Opener Leopard Skin Pillbox Hat gerät bereits fulminant, gefolgt von einer tollen Version von Don't Think Twice, It's Alright, die allein schon das Eintrittsgeld wert war. Things Have Changed kam als ein schneller Shuffle, wie überhaupt rollt die Band über weite Strecken wie ein außer Kontrolle geratener Güterzug, bleibt dabei aber absolut tight. Als besondere Attraktion könnte Bobby auf künftigen Touren vor der Bühne eine Tanzfläche freihalten und verbilligte Tickets für Rock'n'Roll- oder Jive-Tanzpaare in 50s-Outfit verkaufen – das würde den Flair der Show nochmal auf ein neues Niveau heben. An vierter Stelle folgt ein selten gehörtes Mississippi – Knopfler ist bei den ersten fünf Songs mit Dylan auf der Bühne und übernimmt die Rolle des Sologitarristen. Wenn man in Betracht zieht, dass da noch Charlie Sexton auf der Bühne steht und sich brav zurückhält, ist das ein Umstand, der beinahe verschwenderisch anmutet. Aber Knopflers Licks fügen sich gut ein und stellen eine Bereicherung dar.

{image}Ein weiterer Höhepunkt ist John Brown, das in der aktuellen Liveversion die des Unplugged-Albums übertrifft. Das epische Desolation Row gerät durch den Wechsel zwischen Sextons rhythmischen Akzenten und Dylans abgehackten Silben sehr abwechslungsreich, wobei Dylans absolut brillantes und songdienliches Orgelspiel auch eine große Bereicherung darstellt. Auch an der Mundharmonika überzeugt er – anders als in frühen Jahren hat er die Harp nicht mehr im Kragenhalter, sondern in der Hand, was dazu führt, dass jeder Ton perfekt angeblasen wird und der Sound viel besser kommt. Auch sein Gesang fasziniert: Wunderbar ausgesteuert kann man jedes Wort verstehen, die vielen Verzierungen, an denen sich manche Geister scheiden, das Raunen, das Grunzen, das spöttische Abhandeln und auch das liebevolle Schmeicheln – alle Facetten haben ihren Platz und werden virtuos der Stimmung des Songs angepasst. 

{image}In der zweiten Hälfte seiner Show sticht Forgetful Heart heraus, das ungemein stimmungsvoll mit Geige von Multiinstrumentalist Donnie Herron begleitet wird – wohlgemerkt mit Geige, nicht mit Country-Fiddle! Thunder On The Mountain gerät sowohl von der Gesangsperformace als auch von dem Bandarrangement noch besser als auf Modern Times. Der Höhepunkt des Abends ist jedoch Ballad Of A Thin Man: Kraftvoll von der Band begleitet zelebriert Dylan den Text, vorn am Bühnenrand stehend, mit minimalistischen, aber effektvollen Gesten unterstützt. Die Coolness, die er in den 60ern bot, mag unerreicht sein, aber wie sich dieser Mann im Alter von 70 Jahren inszeniert, ist atemberaubend. Die beiden obligatorischen Zugaben All Along The Watchtower und Like A Rolling Stone werden, ohne dass die Band von der Bühne geht, gleich hinten dran gehängt – bei ersterem überrascht Dylan mit einer Melodie aus absteigenden Tonfolgen, die dem Song sehr gut stand. Bei der letzten Nummer klatscht ein Großteil des Publikums, von dem sicherlich viele Dylan zum ersten und zum letzten Mal gesehen haben, auch mit. Auch waren vereinzelte Abgänge vor Ende des Konzertes zu beobachten – auch nach 50 Jahren auf der Bühne schafft es Dylan immer noch zu polarisieren. Die Stimmen derer, die beim Rausgehen erbost verlautbaren: "Der kann ja gar nicht mehr singen!" bleiben glücklicherweise in einem sehr überschaubaren Rahmen. Singen können viele, aber ein solches Konzert geben kann nur einer. Long may you run, Bobby!

Setlist Mark Knopfler:

What It Is | Cleaning My Gun | Sailing To Philadelphia | Hill Farmer's Blues | Privateering | Song For Sonny Liston | Haul Away | Marbletown | Brothers In Arms | Speedway At Nazareth | So Far Away

Setlist Bob Dylan:

Leopard Skin Pillbox Hat | Don't Think Twice, It's Alright | Things Have Changed | Mississippi |John Brown | Spirit On The Water | Summer Days | Desolation Row | Highway 61 Revisited | Forgetful Heart | Thunder On The Mountain | Ballad Of A Thin Man | All Along The Watchtower | Like A Rolling Stone

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