Kitty, Daisy & Lewis (Centralstation, Darmstadt, 20.9.2011)

Kitty, Daisy & Lewis (Centralstation, Darmstadt, 20.9.2011) © Daniel Nagel

Die Geschwister Kitty, Daisy & Lewis begeistern gemeinsam mit ihren Eltern das Darmstädter Publikum - doch was bejubeln die Zuschauer eigentlich?

{image}Jedenfalls nicht Gemma Ray, die hübsche englische Sängerin/Gitarristin, die mit ihrem aus Schlagzeug und Orgel bestehenden Trio in der ausverkauften Centralstation als Vorgruppe auftritt. Gemma Ray spielen Coverversionen, deren Bandbreite vom Swing-Klassiker Bei Mir Bist Du Schön bis zu Mudhoneys Touch Me I'm Sick reicht. Das kann man entweder originell oder seltsam finden, aber ein so ausgefallenes Programm erfordert dann auch eine geistreiche musikalische Umsetzung, die schlichtweg nicht gegeben ist. Selten besaß beispielsweise eine Orgel derart wenig Präsenz wie in diesem Trio und das dünne Stimmchen von Gemma Ray besitzt zu wenig Ausdrucksstärke, um sich in der randvollen Halle Gehör zu verschaffen. Allein die Optik überzeugt, was den zurückhaltenden Applaus erklärt.

{image}Viel schwerer ist die Frage zu beantworten, was das Publikum veranlasst, den Auftritt von Kitty, Daisy & Lewis euphorisch zu bejubeln. Die Musik der Geschwister ist vollkommen frei von jeder Pop-Sensibilität, ihre Songs haben nur geringen Wiedererkennungswert und ihr Auftritt ist von langen Instrumentalstücken bzw. Jams durchzogen, die keineswegs besonders mitreißend oder ausdrucksstark sind. Außerdem sind Kitty, Daisy & Lewis keine herausragenden Sänger oder gar begnadete Entertainer – im Gegenteil, gelegentlich hat man den Eindruck, dass sie nicht so recht wissen, wie sie mit der ihnen entgegenschlagenden Begeisterung umgehen sollen. Ihre Musik lebt aus der Rhythmik und wenn Kitty, Daisy & Lewis mehr Uptempo-Nummern in ihrem Repertoire hätten, dann wäre es ihnen vermutlich gelungen, die Halle zum Tanzen zu bringen.

Was treibt also die Menschen in dieses Konzert? Wer vermutet, es handle sich beim Publikum um eine Ansammlung von 50er-Freaks, der liegt komplett daneben. Nur wenige haben sich im Stil der 50er herausgeputzt, die Zahl der Petticoats und Haartollen ist gering. Im Gegenteil, das Publikum – obwohl von den mittleren Semestern dominiert – ist außerordentlich durchmischt, von 15 bis 65 ist jede Altersgruppe vertreten. Eigentlich ist das die beste Voraussetzung für einen eher lahmen Konzertabend, was sich auch anfangs zu bewahrheiten scheint, bis Kitty, Daisy & Lewis Going Up The Country spielen und die Zuschauer zu wahren Begeisterungsstürmen veranlassen, die dann auch bis zum Ende des Konzerts nach knapp 80 Minuten nicht mehr nachlassen.

{image}Wenn Nostalgie nicht die Ursache ist, was ist es dann? Vielleicht ist es die absolute Überzeugung, mit der Kitty, Daisy & Lewis den Rock'n'Roll der 1950er Jahre wiederaufleben lassen. Sie wechseln sich am Gesang, Schlagezug und Keyboards ab und überspielen mit echter Leidenschaft manchen musikalischen Wackler. Dennoch gehen sie nur so weit, wie man auf einer Party gehen würde, die man gemeinsam mit seinen Eltern besucht, die ja auch tatsächlich im Hintergrund Gitarre und Bass spielen. Solche Geschichten kann man sich nicht ausdenken...

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