Letztes Jahr musste das Berlin Festival aufgrund von Sicherheitsbedenken und zu großem Zuschauerandrang am Flughafen Tempelhof frühzeitig abgebrochen werden. Dieses Jahr hatten die Veranstalter deshalb einige Änderungen vorgenommen, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Das neue Konzept: Tagsüber Musikprogramm am Flughafen, nachts Locationwechsel zur Arena Treptow. regioactive.de war an beiden Tagen des Festivals live dabei - hier ist der erste Teil unseres Berichts.

{image}Was hat sich verändert? Im letzten Jahr noch längs angeordnet, sorgten die quer ausgerichteten Bühnen in den Hangars des ehemaligen Flughafen Tempelhofs diesmal für mehr Platzfreiheit bei den ca. 15.000 Festivalbesuchern. Mit der Ausrichtung ins offene Gelände des Flughafens und den fehlenden Gittern und Zugangsschleusen wollten die Organisatoren des Berlin Festivals dem letztjährigen starken Zuschauerstrom entgegenwirken. Auch die Öffnung der Hangar-Schleusen sicherte den Zuschauern vermehrte Beinfreiheit und beste Sicht auf die Bühnen. Nur die Musik klang wie in den vergangenen Jahren leider weiter sehr schallend und dumpf. Einzelne Instrumente hörte man bei vielen Bands deshalb nur schwer aus dem Soundbrei heraus, und vielen Bands bereitete die Soundanlage immer wieder Probleme. Manche Zuschauer mussten bei Santigold, besser bekannt als die US-amerikanische Sängerin Santi White, aufgrund dessen 45 Minuten lang warten. Um Lärmbeschwerden aus der Nachbarschaft vorzubeugen, setzten die Veranstalter dieses Jahr auf ein zweigeteiltes Tag- und Nachtprogramm. Während tagsüber die Bässe auf dem ehemaligen Flughafen in Tempellhof wummerten, wurden die Zuschauer ab Mitternacht mit einem kostenlosen Bus-Shuttleservice zum Nachtprogramm in die Arena in Treptow gebracht. Dort beschallten zahlreiche Dj-Sets von Andy Butler, Public Enemy oder auch der 80er Jahre Legende Boy George mit DJ Mark Vedo die Gäste auf den vier Floors – Arena, Arena Club, Badeschiff, Glashaus – und ließen diese bis in die frühen Morgenstunden in Ekstase tanzen.

Der Freitag

{image}Musikalisch wurde das Berlin Festival vor noch überschaubarem Publikum vom gehypten britischen Musiker-Stern James Blake eröffnet. Mit wummernden Bässen, die Mark und Bein erzittern ließen, sorgte der 22-jährige Brite mit seinem minimalistischen Dubstep zu für ihn mit Sicherheit ungewohnter Uhrzeit auf der Main Stage für einen gelungenen Auftakt des Festivals. Die kanadische New-Wave-Band Austra knüpfte daran mit düsterem Synthiepop nahtlos an. Vor allem die klassisch ausgebildete Sängerin Katie Stelmanis schaffte es immer wieder, das Publikum mit magischen Beschwörungsgesten zu verzaubern. Zur gleichen Zeit bot aber auch der Hangar 5 sehr viel Sehenswertes. Erst tobte sich hier voller Enthusiasmus die französische Sängerin Yelle zu ihren Dancebeats aus und steckte das Publikum dabei an, als würde Band und Zuschauer gemeinsam in einem prächtigen Safari Disco Club tanzen. Dann verwandelte die südamerikanische Combo CSS den Hangar ebenfalls in eine Pilgerstätte tanzbaren Elektropops, bevor schließlich auch die queeren Spaßvögel von Hercules & Love Affair mit ihrem Mix aus Disco und House für gute Laune sorgten. Klatschen, tanzen, in die Luft springen und sich einmal im Kreise drehen wurde bei dem Programm zur Routine.

{image}Auf der Main Stage lockten derweil die New Yorker The Rapture mit Acid House eine große Anzahl von Neugierigen an. Sänger Luke Jenner bewies einmal mehr, was für ein ausgezeichneter Entertainer er mit seiner präsenten Ausstrahlung ist. The Drums dagegen ließen bei ihrem Auftritt zwar wieder einmal eine ausgeprägte Mischung aus Selbstverliebtheit, Überheblichkeit und Arroganz durchscheinen, boten aber außer souveräner Routinemäßigkeit und subtiler Lustlosigkeit den Zuschauern sonst nicht viel anderes an. Zwar wurde man von den aus Brooklyn stammenden Battles mit verzerrtem Math-Rock für diesen unmotivierten Auftritt kurz darauf entschädigt, doch erst die alten Herren von Primal Scream und Suede konnten einen wirklich wieder mitreißen.

{image}Während Primal Scream mit der Performance des gesamten 1991er Albums Screamadelica vergangene Zeiten wieder aufflackern ließen, gab sich Frontmann Brett Anderson von Suede als Rampensau wie eh und je aus. Als ob er einige Jahre jünger wäre, sprang er umher, als wäre die Bühne ein Trampolin, ließ das Mikrofon artistisch über dem Kopf kreisen und sang die bekannten Hymnen seiner Band mit einer Intensität, die einen zwang, selbst freudenfröhlich mitzusingen.

Es war der gelungene Abschluss des ersten Festivaltags auf dem Flughafen Tempelhof, der nichts mit dem Desaster von vor einem Jahr gemein hatte. Und wer trotz des Feierabends am Flughafen immer noch weiter tanzen wollte, der konnte in einen der zahlreichen Shuttlebusse steigen, die ihn in gerade mal 15 Minuten zur Nachtveranstaltung in die Arena nach Treptow brachten. Dort konnte man sich dann entweder für die angesagte Boys-Noize-Labelnacht im Arena Club entscheiden oder aber bis in die frühen Morgenstunden zu Beats von unter anderem Kruder & Dorfmeister auf den drei weiteren Floors Badeschiff, Arena und Glashaus tanzen. Die Nacht wurde zum Tag.