Cassandra Steen im Talk bei der VW-Bandfactory in Wolfsburg

Cassandra Steen im Talk bei der VW-Bandfactory in Wolfsburg © Daniel Nagel

Die von der Volkswagen Sound Foundation veranstaltete Bandfactory bietet Nachwuchskünstlern die Möglichkeit, ihre Musik hochrangigen Vertretern von Plattenfirmen zu präsentieren und intensive Beratung zu erhalten. Klingt toll? Ist es auch, aber wehe dem, der die Sache zu locker angeht!

{image}Zweimal im Jahr lädt die Volkswagen Sound Foundation Newcomer zu einer glänzend organisierten Bandfactory nach Wolfsburg ein, wo sie die Möglichkeit erhalten, sich an zwei Tagen u.a. vor Vertretern deutscher Major-Labels zu präsentieren. Im besten Fall winkt den Bands ein Plattenvertrag, doch um dieses Ziel zu erreichen, müssen viele Voraussetzungen gegeben sein. Die Bandfactory bietet den Teilnehmern außerdem intensives Coaching bezüglich ihrer Musik (Songwriting, Produktion), aber auch in Hinblick auf Präsentation und Vermarktung. Das bedeutet, die Musiker erhalten nicht nur die Gelegenheit, sich in Workshops mit Profis z.B. über Fragen des Videoproduktion und des Bookings für Liveauftritte auszutauschen, sondern sie erfahren auch, wie man sich "am besten einem Plattenlabel vorstellt" oder im "Musikbusiness an Relevanz gewinnt". Die Kontaktaufnahme zwischen überwiegend halbprofessionellen Bands, die sehr häufig noch "alles selbst machen" und den arbeitsteilig vorgehenden Profis, erweist sich als der größte Ertrag der Bandfactory.

{image}Der Samstag wird von Showcases dominiert, in deren Rahmen die in die drei Kategorien Pop, Rock und HipHop/R&B eingeordneten Bands zwei Songs spielen und anschließend direktes Feedback von einem Gremium verschiedener Verantwortlicher aus dem Musikbusiness erhalten. Im Mittelpunkt steht dabei vornehmlich das kommerzielle Potential der Bands – mit für manche Bands ernüchternden Ergebnissen. Gerade in Fällen, in denen sich die Musik keiner bekannten Schublade zuordnen lässt oder der in Deutschland begrenzte Verkaufsmöglichkeiten attestiert werden, fällen die Profis bisweilen überaus deutliche Urteile. Das betrifft auch Bands, deren Performance durchaus durch Lebendigkeit und Verve überzeugt, beispielsweise die spanisch singenden Latino-HipHopper Chupacabras oder das Soul-Pop-Kollektiv Shubangei & The Maxons. Ähnlich harte Urteile fällt das Gremium über Rockgruppen wie Redeem, die sich in einem stark von Engländern und Amerikanern dominierten Genre tummeln und schon aufgrund dieser Konkurrenzsituation als schwer vermarktbar gelten. Die aus Sicht der Profis nachvollziehbaren, aber gelegentlich eindimensionalen Einschätzungen, stoßen manche vor den Kopf.

{image}Dennoch wäre es ungerechtfertigt, die teilweise harte Kritik der Profis als den Künstlern gegenüber unfair abzutun, denn sie betonen zu Recht immer wieder die Wichtigkeit des Songwritings, also die Notwendigkeit, überzeugende Songs mit hohem Wiedererkennungswert zu komponieren wie auch eine eigene musikalische Identität zu entwickeln, die es einer Band erst ermöglicht, aus der Masse herauszustechen. Gerade die A&R-Verantwortlichen der Majors EMI, Sony und Universal suchen natürlich nach Musikern, die in der Lage sind, nicht tausende, sondern im Idealfall hunderttausende Tonträger zu verkaufen. Die Zeiten, in denen die Labels auch ohne genaue Analyse des Marktpotentials Geld in die Hand nahmen, um einem Künstler eine Single oder ein Album zu finanzieren und sich somit an einem kontinuierlichen Aufbau zu beteiligen, sind aber längst vorbei.

{image}Das beste Feedback von Seiten der Profis erhalten daher Bands, die über eine voll entwickelte musikalische Identität verfügen und deren Songwriting jedenfalls die Möglichkeit erkennen lässt, dass ihnen eines Tages ein großer Hit gelingt. Das trifft beispielsweise auf die epische Rockmusik von The Bonny Situation oder den Brit-Pop der jungen Koblenzer Band ColdWaterEffect zu. Gone Astray erregen die Aufmerksamkeit der Anwesenden weniger aufgrund ihres trashigen Rocks, sondern aufgrund der offensichtlichen Entertainerqualitäten ihres charismatischen Frontmanns. Auf das größte Interesse der Plattenfirmen stößt jedoch die Bruchsaler Band Beta 2.0, deren leidenschaftlicher Poprock sich in einem ebenso eingängigen wie mitreißenden Lied wie Geschenk beispielhaft abbildet. Ihr Auftritt zeichnet sich nicht nur durch ebenso erfrischende wie unerschrockene Authentizität aus, sondern verdeutlicht auch, dass Beta 2.0 trotz ihres jungen Alters über eine klare künstlerische Vision verfügen. Das gute Aussehen der Musiker wird sich bei künftigen Gesprächen mit Plattenfirmen über eine Zusammenarbeit sicherlich nicht als Nachteil erweisen.

{image}Der Sonntag der Bandfactory steht ganz im Zeichen der Workshops, in deren Verlauf sich die Bands bei den jeweils zuständigen Profis einfinden, um sich – je nach Bedarf – über grundsätzliche Vorgehensweisen, Strategien oder Details auszutauschen. Die resultierenden Gespräche finden in freundlicher und produktiver Atmosphäre statt und begeistern auch diejenigen Künstler, die sich am Vortag etwas schroffer Kritik zu erwehren hatten. Viele Bands erhalten nicht nur wertvolle Verbesserungsvorschläge, sondern können auch ihre Vorstellungen erläutern, Fragen stellen und erhalten Feedback auf die von ihnen mitgebrachten Studioaufnahmen. So erfahren sie, welche Herausforderungen sie meistern müssen und wie sie ihre Möglichkeiten am produktivsten einsetzen. Es ist dieses Feedback "von außen", an dem die meisten Bands brennend interessiert sind, denn in dieser kompetenten Fülle erhalten sie es nur äußerst selten.

{image}Die Bandfactory der Volkswagen Sound Foundation stellt für Newcomer eine keinesfalls zu unterschätzende Herausforderung da, auf die sich die Teilnehmer gut vorbereiten sollten. Alles kann zum Thema werden: Das Outfit ebenso wie die Bühnenpräsenz, der Gitarrensound, die Texte und der Gesang. Die dadurch erhaltene Masse an Informationen muss erst einmal verarbeitet werden, erweist sich im weiteren Verlauf dadurch aber vielleicht als umso wertvoller. Auch wenn von den Teilnehmern nur ein kleiner Teil einen Plattenvertrag bei einem Major erhalten wird, profitieren die Bands von den reichhaltigen Möglichkeiten des Austauschs und den zahlreichen Kontakten, die man im Verlauf des Wochenendes knüpfen kann.