Thirty Seconds to Mars (live in Mannheim, 2011) 10

Thirty Seconds to Mars (live in Mannheim, 2011) 10 © René Peschel

Noch vor zwei Jahren war es ein Erlebnis, zu einem Konzert von Thirty Seconds to Mars zu gehen: Energetische Shows, ein charismatischer Frontmann mit einer klaren, ausdrucksstarken Stimme und eine Band, die man im Gesamtbild wahrnimmt. Jetzt hat sich das Erlebnis in Enttäuschung gewandelt. Wo einst die Band als Einheit stand, war nur noch ein Spotlight auf Jared Leto sichtbar und wo vorher noch mitreißende Vocals ertönten, gab es jetzt nur eine brüchige Stimme.

{image}Es ist ja immer so eine Sache mit den künstlerischen Zünften: Schauspieler werden zu Sängern und umgekehrt. Selten klappt die Neuorientierung, man hört oder sieht das neue Projekt nur, weil der- oder diejenige sich eben schon einen Namen gemacht hat. Denkt man nur an das nicht vorhandene Schauspieltalent von Christina Aguilera und Co. oder an Kevin Costner, dem als Gitarrist und Sänger noch das ein oder andere Quäntchen Rhythmusgefühl fehlt. Jared Leto kann man aus dieser Gleichung nicht entfernen – nur dass er eben in seiner Erstwahl Schauspielerei nicht sonderlich erfolgreich wahr. Klar, er hatte eine kleine Rolle in Fight Club und Requiem For A Dream zählt sicherlich zu einem seiner besten Filme, aber der große Durchbruch ließ eben auf sich warten – den hatte er dafür in kometenhaftem Aufstieg mit Thirty Seconds to Mars.

{image}Das jetzige Trio hat 2009 sein drittes Album This Is War veröffentlicht, mit dem auch dieses Jahr einige Festivals angespielt wurden. Schon auf dem Highfield Festival konnte die Show um und von Jared Leto nicht überzeugen (hier gibt es den Bericht zum Nachlesen), wir wollten das noch einmal genauer nachprüfen. Schauplatz: Die ausverkaufte SAP Arena in Mannheim, die 12.000 Zuschauer fasste. Eine unglaublich gute Stimmung herrschte von Anfang an, die zwei Vorbands konnten sich auch nicht beklagen. Die fünf Engländer von Morning Parade spielten schönen, melodischen Alternative Rock und konnten vor allem mit ihrem symphatischen, britischen Dialekt punkten. Carpark North im Anschluss haben schon etwas mehr Show auf die Bühne gebracht, nutzten die gefüllte Halle gut aus und haben sicherlich den ein oder anderen Hörer dazugewonnen. Zwischen den Wechseln wurde man noch von DJ Antoine unterhalten – ein Mangel an Beschallung gab es an diesem Abend definitiv nicht.

{image}Dann schließlich, nach zwei Stunden Vorbands, Umbauzeit und dem Pausen-DJ, kamen die Headliner auf die Bühne. Die Spannung war förmlich zu spüren, schon beim Vorab-Film auf der Leinwand ging der Lautstärkepegel nach oben, wenn einer der drei Protagonisten über den Bildschirm flimmerte. Shannon Leto eröffnete mit Escape und einer Trommeleinlage das Konzert, das insgesamt nur 13 Songs beinhalten sollte. Dabei wurde das selbstbetitelte Debütalbum komplett ignoriert, vom zweiten Album A Beatuiful Lie wurden auch nur drei Titel gespielt – ohne dabei From Yesterday zu berücksichtigen. Aber schlimmer war der erste Eindruck, den Jared Leto machte: Vom ersten Moment an klang er abgehetzt, konnte die hohen Töne nicht lange halten oder hat sie erst gar nicht gesungen. Bei Attack oder This Is War hat er den Refrain komplett ausgelassen, hat dem Publikum das Mikro entgegengestreckt oder stattdessen Ansagen gemacht, um die Zuschauer zu animieren.

{image}Das sollte sich auch den ganzen Abend so weiterziehen. Wenn man dachte, es geht bergauf, war es doch nur eine vorübergehende Besserung. Dafür ließ Jared Leto sein gesamtes schauspielerisches Können erkennen: Jede Pose war perfektioniert, jeder Gesichtsausdruck geübt und es wurde eine Show geboten, die um ihn herum aufgebaut war. Seine beiden Bandkollegen sind völlig in Vergessenheit geraten. Nur einmal wurde ein Spotlight auf Tomislav Miličević gerichtet, der ansonsten in fast kompletter Dunkelheit vor sich hin spielte. Und auch Bruder Shannon hatte nur zwei kurze Glanzmomente: Der erste, als er nach der Show ein paar Drumsticks in die Menge warf, der zweite, als er L490 performte. Doch selbst das sollte nur als Ablenkungsmanöver fungieren, damit Jared Leto unbemerkt zum FOH-Stand kommen konnte. Hier spielte er Hurricane und Alibi als akustische Versionen, die auch die Höhepunkte des gesamten Konzertes waren.

{image}Denn hier kam zum ersten Mal der Eindruck auf, dass doch noch nicht das gesamte Potenzial verschwunden ist. Letos Stimme war klar, er erreichte die höheren Tonlagen und war zwischendurch ganz in seinem Element. Sprich: Das Publikum aufzufordern, ihn zu beklatschen und jede seiner Bewegungen ehrfürchtig zu verfolgen. Es war ein ambivalentes Gefühl, das sich während des Konzertes und vor allem in der folgenden Szene breit machte: Beim anschließenden The Kill stürmte Leto durch die Zuschauer, erklomm die Tribüne und stand mitten unter seinen Fans. Eine nette Geste, könnte man meinen, ein Star, der keine Berührungsängste hat – wäre da nicht der Eindruck, er würde das für sein eigenes Ego machen. So konnte er nämlich die 60 Minuten Spielzeit, die das Konzert gehabt hätte, auf 90 Minuten ausdehnen: Mit permanenter Aufforderung zum Klatschen, Tanzen und Abgehen und nicht mit weiteren Songs.

Die Zuschauer schien das alles jedoch kaum zu stören, sie feierten Jared Leto, als ob es kein Morgen gäbe. Dabei kann und muss man ihn von den anderen beiden Bandmitgleidern gesondert betrachten, die einwandfrei gespielt haben: Es war eine einzige One-Man-Show. Das Konzert in Mannheim hat gezeigt, dass er eben doch hauptberuflich Schauspieler ist.

Setliste:

Escape | A Beautiful Lie | Attack | Search and Destroy | This Is War | Vox Populi | L490 | Hurricane (akustisch) | Alibi (akustisch) | The Kill | Closer To The Edge

Zugaben: Night Of The Hunter | Kings and Queens