OFWGKTA (live beim Frauenfeld 2011)

OFWGKTA (live beim Frauenfeld 2011) © Hannes Mezger

Frauenfeld No.17 bewies: Das Schweizer Openair hat dem Splash! in Sachen HipHop-Festival mittlerweile den Rang abgelaufen – zumindest was die Zuschauerzahlen angeht. Etwa 47.000 Besucher durften sich auch in diesem Jahr auf Künstler der Extraklasse freuen. Wu-Tang Clan, Cypress Hill, Snoop Dogg, um nur ein paar der Künstler aus den USA zu nennen, gaben sich neben europäischen Größen wie Soprano, Kool Savas und Deichkind die Ehre.

{image}Auf dem Gelände stehen zwei große Bühnen hinter drei Fressmeilen. Abwechselnd finden hier die Auftritte statt. Den Anfang macht F.R., gefolgt von Ryan Leslie und ONYX, die als Ersatz für Jay Electronica spielten. OFWGKTA – "Odd Future Wolf Gang Kill Them All" –, die Rapcrew um Tyler The Creator und momentan der Hype aus Kalifornien, wird gespannt erwartet. Mit Basswummern kommen die Jungs direkt aus dem Stau auf die Bühne. Knallbunte Kniestrümpfe, "Wolf Gang, Wolf Gang"-Gegröle aus dem Publikum, doch Stop! Tyler selbst fehlt. Nach dem ersten Lied humpelt Tyler grinsend, gestützt auf zwei Krücken, in Richtung der Bühnenmitte auf einen Stuhl zu. "I broke my fucking leg!". Er lacht. Die Show verbringt er fast vollständig auf dem Hocker. Wie es wohl gewesen wäre, wenn Tyler über die Bretter gefegt wäre, wie man es aus den youTube-Videos kennt? Egal. Die Show ist in Ordnung. Tyler macht seine Sache so gut es geht.

Fotos vom Frauenfeld Openair 2011: Teil 1 mit Soprano, Snoop Dogg, dem Drumherum & Teil 2 mit Wu-Tang Clan, Cypress Hill, Samy Deluxe u.v.m.

{image}Gegen 20:40 Uhr ist es Zeit für Westcoast Rap, die Erste: Ice Cube. Schwarze Chucks, schwarze Dickies-Hose, schwarzes Hemd – wie immer, wenn Ice Cube auftritt. Unterstützt durch WC präsentiert er souverän und entspannt, was er die letzten 20 Jahre aufgenommen hat. Ein "Yeiyeah" hier, ein Cribwalk da; Ice Cube liefert eine solide Live-Show. Im Anschluss folgt Deutschlands kontrovers rezipierter Rapper Bushido. Er hat sichtlich Spaß an den Menschenmassen. Dass er das Splash! nicht mag, wird vom Schweizer Publikum geschmeichelt zur Kenntnis genommen. Man hat Lust sich entspannt mit einem Bier abseits eine der vielen Nebenattraktionen zu Gemüte zu führen. Aber dafür ist keine Zeit.

{image}Es folgt Westcoast Rap, die Zweite: Der große Snoop Dogg. Er hat im Vorfeld eine besondere Doggystyle-Performance angekündigt. Und so kommt Snoop nicht alleine: Lady Rage, RBX, Tha Dogg Pound und Warren G sind mitgekommen. Als die LED-Wand in der Bühnenmitte zu leuchten beginnt, rollte ein Brüllen des Publikums übers Frauenfeld – so laut, man hätte es dem Schweizer an sich nicht zugetraut. Es folgen 60 Minuten G Funk. Snoop scheint übermächtig. Schleifenden Schrittes, das mit Diamanten besetzte Mikrofon in der rechten Hand, gibt er seine Hits zum Besten. Viele Klassiker vom Doggystyle-Album sind dabei: Gin & Juice, Pump Pump, What's my name. Und auch ein paar neuere Sache wie Drop it like it's hot. Warren G darf, nachdem er wie aus dem Nichts auf der Bühne auftaucht, seinen größten Hit Regulators spielen. Das wird aber eine Ausnahme bleiben. Snoops Sippschaft geht im Programm seiner großen Hits etwas unter. Auch den Tha Dogg Pound-Hit New York New York, für den Snoop selbst einen Part beigesteuert hatte, wird nicht gespielt. Der breiten Masse ist das einerlei. Snoop wird gefeiert.

{image}Trotz des Marathonprogramms hat das Publikum noch viel Liebe für Kool Savas. Begleitet von Olli Banjo gelingt Savas alles – sogar ein Mitschnitt der Hook für seine kommende Single. In den verschiedenen Zelten ist für die Unsattbaren noch eine Extraration zu haben – unter anderem Alchemist. Er legt Hit nach Hit nach Hit nach Hit auf. Eigentlich sollten Reserven für das Iron Man-Programm am Samstag bedacht werden. Aber auf den Zeltplätzen wird noch bis in die Morgenstunden gegrillt, geraucht, getanzt und und und.

Der Samstag beginnt früh. Zu früh für die meisten Festivalgänger. Gegen 14:00 Uhr füllt sich das Gelände des Frauenfeld Openair. Yelawolf, der Metal-affine Amerikaner, sorgt für Stimmung. Ebenso wie im Anschluss Big Boi, die eine Hälfte des Duos Outkast. Während der ersten 30 Minuten wird einem bewusst, wie viele Hits seit knapp 20 Jahren aus Atlanta in die Welt geschickt werden. Als jedoch Ms. Jackson, ATLiens, Rosa Park und Konsorten verschossen sind, fällt zuerst das Niveau von Big Boi und schließlich auch die Zuschauerzahl merklich. Schade. Das Abwandern der Besucher hat aber auch noch einen zweiten Grund: Nebenan wird Soprano erwartet. Ohne Anfangsschwierigkeiten kocht der Franzose die Menge mit brachialen Instrumentalen und glasklaren Raps in Rekordzeit auf. "Faire du bruit!". Er selbst scheint beeindruckt von dem Feuer der Massen. Eine gelungene Show von Frankreichs Rapstar.

{image}M.O.P. – die Mash Out Posse aus Brownsville, New York – fahren schwere Geschosse auf. Neben der obligatorischen "Eye of the Tiger"-Nummer und alten Hits leider auch Aktuelleres. Billy Daze und Lil' Fame geben sich Mühe, müssen aber zwischenzeitlich eine Partyhits-Pause einlegen. Die beiden sehen alt aus und sind es auch. Zu Ante up geben sie aber nochmal alles. Apropos "alles": The Roots  sind mit das facettenreichste, was der Live-Rap zu bieten hat. Sie können "alles", was ihre Tributes an Fela Kuti, Guns&Roses und Gil Scott Heron unter Beweis stellen. Die Jungs aus Philly präsentieren neben ausgiebigen Soli die ganze Palette ihres eigenen Schaffens. Sehr gelungen! Der Status des folgenden Acts war überall hör- und vor allem sichtbar: Neben dem Ghettoblastergeschepper auf dem Zeltplatz, war das Bandmerchandise des Wu-Tang Clans wohl das beliebteste auf dem gesamten Festival. Für ihren letzten Tourstop (→ wir berichteten erst kürzlich über ihre exklusive Clubshow in Mannheim) hatten sie dem Frauenfeld ein Konvolut aus vornehmlich alten Tracks geschnürt. Wu-Tang Clan Ain't Nothin' To Fuck Wit'und M.E.T.H.O.D. MAN funktionieren live immer. Während der Großteil des Clans eher zurückhaltend und blass blieb, lag es vor allem an Method Man, dass der Auftritt nicht in die Hose ging. Fazit: Method Man gab ein gutes Wu-Tang-Konzert.

{image}23:00 Uhr... die Beine werden schwerer. Frittenbuden und Bierstände erfreuen sich regem Zulauf. Eine Stärkung ist auch unbedingt notwendig: Cypress Hill haben noch einiges vor. B Real und Sen Dogg wissen, wie man einer Festivalcrowd ordentlich einheizt. Zu nicht enden wollendem Applaus röhren die beiden mit völlig wund gekifften Augen – sie waren im Backstage auf den Wu-Tang Clan getroffen – ihre Hymne Hits from the bong. Unter dem Jubel der Menge raucht B Real zu I want to get high einen kompletten Joint alleine. Applaus. Außer Tequila Sunrise spielen Cypress Hill alles, was der Festivalgänger zu hören wünscht, was angesichts ihres nebulösen Zustands eine unmenschlich anmutende Leistung ist.

{image}Unmenschlich oder zumindest sehr bemerkenswert ist auch die Leistung eines gewissen Drummers: Questlove von The Roots gibt sich einem dreistündigen Dj-Set hin. Und das, obwohl er mit seiner Crew schon ein Konzert auf der Hauptbühne absolviert hatte. Der Andrang ist enorm. Von allen Seiten wird versucht, noch einen Platz im Zelt zu ergattern. Die leuchtenden Würfel auf Europaletten hinter den Turntables zeichnen die markante Silhouette des Schlagzeugers ab. Sehr schön. Wie auch die Musik, die er mitgebracht hat. Questlove reiht Klassiker und deren Sample-Stück flüssig aneinander. Die Menge dankt es ihm mit ausgiebigen Tanzeinlagen.

{image}Am Sonntagmorgen knallt die Sonne. Verschlafene Augen luken aus Zeltschlitzen hervor. Es ist halb zwölf, als Azad und seine Armada im Einheitslook losbrettern. Erneut zu früh für einige, doch vor der Bühne hat sich durchaus eine beachtliche Menge an Frühaufstehern eingefunden. Und die bekommt zu hören, weshalb sie gekommen ist. Der Fokus der restlichen Besucher liegt eher auf Kaffee besorgen oder die vom Regen zerstörte Regenschirmkonstruktion wieder auf Vordermann zu bringen. In der Nacht hatte es ordentlich geregnet und wer vergessen hatte, sein Zelt wasserdicht zu verschließen, dem war ein guter Freund zu wünschen. Currensy kann im Anschluss nicht überzeugen. Keine erkennbare Linie im Ablauf, wenig Motivation. Langweilig. Was aber auch zu verkraften war, sofern man sich bis zum nächsten Act gedulden konnte: Marteria. Marsimoto. Berlins Ausnahmetalent – deutlich lädiert vom Vorabend-Auftritt beim Splash! – legt eine hochprofessionelle Show hin. Nach wenigen Minuten ist das T-Shirt nass. Marsimoto weiß, wie man auf Festivals zu spielen hat. Zu erwähnen gilt auch der anständige Kurzauftritt von Chefket und der legendäre Rap-Part des Fotografen Paul Ripke. Hohes Niveau. Überzeugend.

{image}Nicht überzeugen konnte Ziggy Marley. Und auch Sense Unique wirkten bei ihrem offiziell letzten Auftritt rostig und ungelenk. Vielleicht ist es ganz gut, dass dies ihr Abschied war. Samy Deluxe – gekleidet wie der Albumtitel Schwarz Weiß – kann alleine eine Bühne füllen. Ohne Back-Up-MC, dafür mit der Tsunami-Band, markiert der Hamburger sein Revier. Für seine Verhältnisse ein durchschnittlicher, im nationalen Vergleich aber ein guter Auftritt. Während des Auftritts hatte es zu Regnen begonnen. Unwetterwarnungen machen die Runde. Don't believe the Hype! Public Enemy entern die Bühne. Und die Sonne ist zurück! Chuck D und Flava Flav hüpfen und springen über die Bühne und animieren das Publikum. Nach 15 Minuten Hochdruck auf die Ohren wäre etwas Abwechslung willkommen gewesen. Aber den Altmeistern sei die Monotonie verziehen. Yeah Boy!

Fotos vom Frauenfeld Openair 2011: Teil 1 mit Soprano, Snoop Dogg, dem Drumherum & Teil 2 mit Wu-Tang Clan, Cypress Hill, Samy Deluxe u.v.m.

Insgesamt bleibt das 17. Frauenfeld Openair als ein mit Hochkarätern gespicktes Festival in Erinnerung. Die Stimmung war sehr entspannt, die meisten Auftritte hör- und sehenswert, die Organisation lobenswert. Auch wenn der ein oder andere sein Megaphon im kommenden Jahr besser zu Hause lassen sollte, muss das Fazit sehr positiv ausfallen. Aber vielleicht gehört das Megaphon und die Zeltniederbrennaktion auch einfach dazu, wie Raviolidosen auf dem Einweggrill. Danke Frauenfeld!