Love Like Blood (live beim Wave-Gotik-Treffen 2011)

Love Like Blood (live beim Wave-Gotik-Treffen 2011) © Tobias Blank

In Leipzig hatte man zu Pfingsten nicht nur die Entsendung des Heiligen Geistes zu feiern, sondern auch – ganz nebenbei – noch das zwanzigste Jubiläum des Wave-Gotik-Treffens. Bei mehr als 30 Veranstaltungsorten, rund 200 Bands und einem großen Rahmenprogramm musste man sich seinen Zeitplan aber genau einteilen. Tobias Blank hat diese Kraftanstrengung für regioactive.de vollbracht und neben vielen Fotos auch seinen Eindruck vom WGT mitgebracht.

{image}In diesem Jahr war es bereits am Donnerstagnachmittag soweit: Die Scharen an Batcavern, Cyber-Goths, Mangas, Steampunkern, EBM'lern oder klassischen Grufties strömten aus allen Teilen der Welt auf das AGRA-Gelände in Leipzig, um sich mit einem Eröffnungskonzert auf die festlichsten Tage im Jahr eines jeden Gothic-Daseins einzustimmen, die sich 2011 zum zwanzigsten Mal jährten. Mit Love Like Blood gelang den Veranstaltern des Wave-Gotik-Treffens gleich zum Auftakt ein traurigschöner Höhepunkt: Nach zwölf Jahren Bühnenabstinenz spielte diese zu Recht als Aushängeschild des deutschen "Gothic Rock" bezeichnete Band ihr offizielles Abschiedskonzert. Mit solchen Klängen im Ohr stieg die Vorfreude auf die nächsten Tage noch viel mehr als durch die sonst üblichen Pre-Parties in den Clubs der Stadt an.

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{image}Um eine zusätzliche Konzertnacht erweitert und um mehrere neue Locations reicher bot die diesjährige Zusammenkunft der Schwarzen Szene wieder die vielgeschätzte Melange aus Konzerten, Lesungen und Kleinkunst. Hinzu kamen die kurzweiligen Vergnügungen auf den Mittelaltermärkten des Heidnischen Dorfs und der Moritzbastei: Von Jungfrauenversteigerungen über Bogenschießen bis hin zu Kettenhemdenknüpfen und Schwerterschmieden unter Anleitung wurde hier nichts ausgelassen. Auch Shoppingangebote für das schwarze Konsumentenherz gab es natürlich reichlich. Bereits ab Freitagmittag war die Stadt dann auch brechend voll. Schnell wurde deutlich, dass sich mehr Besucher für das WGT als für das parallel stattfindende Bachfest entschieden hatten. Die Farbe Schwarz dominierte das Straßenbild. Niemand wunderte sich jedoch, dass auch 2011 wieder eine Reihe von Klassik-Konzerten ihren Weg ins Programm fanden. Unter anderem wurden Vorspiele und Ouvertüren von Wagner, die Opern Elektra und Der Barbier von Sevilla wie auch das Deutsche Requiem von Brahms aufgeführt. Wer sagt, dass Menschen mit Iro-Frisur keine Klassik-Liebhaber seien?

{image}Trotz aller Bemühungen der Veranstalter und Betreiber von beteiligten Örtlichkeiten war manche Location dem Ansturm der Schwarzen Massen nicht gewachsen. So hätte das Varietétheater Krystallpalast mehr als doppelt so groß sein müssen, um alle in der Schlange stehenden Gothics einlassen zu können. Wer könnte auch einer Komposition aus Wort, Gesang und Burlesque-Darbietungen mit dem Titel Leuchtende Liebe, lachender Tod widerstehen? Der erfahrende WGT-Besucher plante deshalb ganz in Ruhe mithilfe des mehr als 200 Seiten starken Programmheftes "Pfingstbote" und einem beigelegten Faltplan seine Konzert- und Kulturereignisse und Reiserouten zwischen den Veranstaltungsorten. Schnell wurde dabei klar, dass nur eine kleine Auswahl an gewünschten Auftritten zu realisieren war: Entweder spielten die ausgewählten Bands zur gleichen Zeit oder die Distanz zwischen den Locations ließ einen zum Straßenbahn-Junky verkommen.

{image}Gleich am Freitag stand beispielsweise solch eine schwere Entscheidung zwischen Covenant und Diorama an. Für die Freunde harter Elektromusik gab es am Sonnabend einen Doppelpack auf die Ohren: Feindflug und Front 242 beschallten die alte Messehalle mit ordentlich Bassdruck und ließen dadurch EBM-Herzen höher schlagen. Der Sonntag hielt zwei Urgesteine der Szene bereit: Killing Joke und Fields Of The Nephilim haben es immer noch raus die Hallen zu füllen. Am Pfingstmontag war dann das Werk 2 eine hervorragende Adresse, um ganz langsam aus dem Traum zu erwachen und sich auf den Alltag vorzubereiten: Was passt da besser als Horror-Punk und Psychobilly von den Bloodsucking Zombies From Outer Space oder den Thee Flanders? Alternativ war aber auch ein Ausflug in den Gothic-Metal möglich: Crimfall lud alle ein, sich schon mal das Haarspray vom Kopf zu schütteln.

{image}Routinierte WGT-Besucher nehmen sich jedoch nicht mehr als drei Konzerte oder Aufführungen am Tag vor und sind nicht enttäuscht, wenn sie mal etwas sausen lassen müssen. Denn es kann immer sein, dass man neue Leute kennenlernt oder alte Bekannte trifft und darüber die Zeit vergisst. Diesen Charakter hat sich das WGT trotz seiner Größe bewahrt und wird deshalb zu Recht als "Treffen" und nicht als "Festival" bezeichnet. Ob Viktorianisches Picknick oder Blogger-Treffen, viele begleitende Veranstaltungen wurden losgelöst von offiziellen Line-Ups und Programmplänen realisiert.

Mit den Impressionen als Erinnerung für das Warten auf das nächste WGT bleibt die Gewissheit: Auch nach 20 Jahren Wave-Gotik-Treffen sind die Pfingsttage in Leipzig immer noch jugendlich wild, unangepasst und beizeiten herzlich unartig.

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