Helldorados unterschreiben bei Massacre Records: hier v.l.n.r. Chris (Schlagzeug Helldorados), Pierre (Gesang Helldorados), Thomas Hertler (Head of A&R Massacre Records), Gunnar (Bass Helldorados), Steve (Gitarre Helldorados) Fotostrecke starten

Helldorados unterschreiben bei Massacre Records: hier v.l.n.r. Chris (Schlagzeug Helldorados), Pierre (Gesang Helldorados), Thomas Hertler (Head of A&R Massacre Records), Gunnar (Bass Helldorados), Steve (Gitarre Helldorados) © Helldorados

Können die Fleet Foxes nach ihrem Wahnsinns-Debüt auch mit ihrer zweiten Platte "Helplessness Blues" überzeugen? Wie viele neue Ideen können Arrested Development auf ihrem mittlerweile neunten Album "Strong" noch bringen? Haben Peilomat das Zeug dazu, dank ihrer neuen Scheibe "IcHERZähler" bald die großen Bühnen zu rocken? Was bieten die Helldorados auf ihrer neuen EP? Alles Fragen, denen sich die Redakteure von regioactive.de in den letzten Wochen angenommen haben. Antworten gibt es hier.

Texta – Grotesk | Groove Attack

{image}Rap aus Österreich? Das ist längst nicht mehr grotesk. Einen großen Verdienst daran haben die vier Rapper um DJ Dan von der Texta Crew, die mit Grotesk bereits ihr sechstes gemeinsames Studioalbum vorlegen. Markenzeichen der fünf Pioniere des österreichischen Raps sind clevere Wortspielereien und mit viel Schmäh gereimte Passagen. Genau wie für das letzte Album der im Grotesk Intro sinnierenden Fiva MC aus München, zeigt sich Flip diesmal für den Löwenanteil der Produktionen verantwortlich. Das bedeutet Soul-Samples und Snare-Drums satt. Bestes Beispiel für dieses Konzept ist You're Driving Me Wild, das mit gesungenem Vocal-Sample der Stylistics (Break Up To Make Up) ausgestattet als Hookline dient und sich ohne Umwege ins Ohr schmiegt. Noch besser funktioniert die Kreuzung von Rap und Soul dann aber bei Wo?Hin! mit live eingesungenen Lyrics. Lylit heißt die österreichische Chanteuse, die sich für den begnadeten Soulgesang mit unglaublicher Substanz verantwortlich zeigt und dem Stück einen absoluten Glanzpunkt verleiht. Überraschungsgast auf dem Longplayer der fünf Linzer ist der französische Rapstar Soprano für das Titelthema Grotesk, auf dem der Mann aus Marseille seine Reime in Doubletime abspult. Durch die listige Idee, den Silberling einfach Grotesk zu nennen, entziehen sich Texta jeglicher Schaffensrichtlinien und genießen somit die Narrenfreiheit der Kunst, die sich in unterschiedlichsten Experimenten ausprägt. So trifft bewährtes Storytelling (Strange, So Änderst Du Nichts) auf ausgefeilte Lyrics (Die Dramaturgie der Ereignisse) und auch vor außergewöhnlichen Beatkonstruktionen mit z.B. indischem Flair (Ka Genie) schreckt das quirlige Quintett nicht zurück. Ein vielseitiges und spannendes Gesamtkunstwerk.
Wertung: ++++ (Andreas Margara)

Helldorados – Helldorados EP | Eigenvertrieb

{image}Vier Jahre liegen zwischen ihrem Album Just Rock und der neuen Helldorados EP. Vier Jahre, die die Helldorados aus Stuttgart für zahlreiche Aktivitäten zugunsten der Band und neben der Band genutzt haben. Auf ihrer Habenseite stehen deshalb nicht nur weit über 80 Konzerte, darunter Supportshows für Bloodlights, Harmful und Die Happy, sowie die neuen Songs, sondern auch weitreichende Erfahrungen, die sie im Musikbusiness darüber hinaus sammeln konnten. Sänger Pierre zum Beispiel ist nicht nur ein Shouter erster Güte und vor allem alter Schule, sondern zeichnet sich im Rahmen seiner Tätigkeit für das Popbüro Baden-Württemberg unter anderem für die reibungslose Durchführung des Bandförderprogramms Play Live verantwortlich. So verwundert es nicht, dass das EP-Promo-Paket der Helldorados in annähernder Perfektion gestaltet ist. Von der Tüte (die "Bag for the Attack"), die nach dem Öffnen neben der EP allerhand Goodies wie Helldorados-Buttons preisgibt, bis hin zur Covergestaltung: Schon die Verpackung prägt das Image der Band und macht klar, worauf sich der geneigte Hörer vorzubereiten hat. Das hier wird rocken – zweifellos! Sleaze Metal und Hard Rock sind die zwar selbst gewählten, doch überaus treffenden Kategorisierungen für die vier neuen Songs, deren Titel Never Gonna Stop, Girls, Changes und Shout Out selbst schon Bände sprechen. Aufgenommen wurden sie in den legendären Horus Studios in Hannover, was dem gleichzeitig dichten und sauberen Sound der EP spürbar gut tut. Musikalisch kumuliert alles, was die ersten drei Songs bereits bieten (wobei Changes als ruhigste Nummer etwas aus dem Rahmen fällt), im letzten, schnellen und herausstechenden Track Shout Out: Helldorados beeindrucken durch kompromisslosen Hard'n'Heavy mit allen "Bells and Whistles": Mehrstimmige und eingängige Hooklines mit inhärenter Mitgröhlpflicht, prägnante Vocals, breite Gitarren, derbe straighter Groove, wirkungsvolle Bridges, Breaks und Leads. Darf's also mal wieder purer Rock sein, der überflüssige Gehirnwindungen auf direktestem Wege umschifft und sich stattdessen sofort in Bein, Kehlkopf und Headbanger-Neck katapultiert? Dann sollte man stil- und selbstsicher zu den Helldorados greifen. Für 7€ gibt es die EP im Webstore der Band direkt von der Quelle.

Wertung: ++++ (Markus Biedermann)

Golden Kanine – Oh Woe! | Glitterhouse Records

{image}Aus mysteriös bedrohlichem Rauschen und Geräuschen erweckt eine Stimme den Zuhörer und wiegt ihn in der Vorstellung, jetzt wieder in einer besseren Welt zu sein. Doch lange hält dieses Gefühl nicht an, denn mit Law of Probable Outcome ist es eben diese Stimme, die einen in den Bann der nebligen Wälder der Musik von Golden Kanine zieht. Mit Burial gelingt den Schweden aus Malmö eine Folk-Up-Tempo-Nummer, zu der man nicht anders kann als Tanzen. Insgesamt ist das zweite Album Oh Woe! von Golden Kanine schneller als das Debüt Scissors & Happiness, düsterer, aber auch vom Songwriting her gesehen ausgereifter und vielschichtiger. Die Melodien sind einprägsam und andersartig. Und durch die Besetzung mit Posaune, Banjo, Mandoline, Harmonium usw. entsteht ein ungewöhnlicher Sound, der selbst im breiten Folk-Universum einzigartig scheint. "Oh Woe! war ursprünglich als Titel für ein Seitenprojekt gedacht, im Laufe der Zeit fanden wir den Titel dann aber immer passender für dieses Album. Er beschreibt das ungreifbare Gefühl, plötzlich Unglück zu erfahren und mit diesem fertig werden zu müssen." Trotz der düsteren Stimmung ist Oh Woe! das richtige Album, um bei Sonnenscheinwetter mit blauem Himmel und Schäfchenwolken begleitet von Vögeln einen Roadtrip zum Lieblingsfestival zu machen. Auf dem ein oder anderen werden sicherlich auch Golden Kanine zu finden sein.

Wertung: +++ (Sarina Pfiffi)

Arrested Development – Strong | Vagabond Records and Tapes

{image}Arrested Development melden sich wieder einmal zurück! Strong heißt das mittlerweile neunte Album der afrozentrischen Rap- und Soul-Combo aus Atlanta, die seit 1989 in unregelmäßigen Abständen von sich hören lässt. Obwohl sich während des Reggae-Openers Bloody noch kein wirkliches Bild vom neuen Sound der achtköpfigen Truppe abzeichnet, dringt mit den ersten gerappten Zeilen von Frontmann Speech schon bald eine beruhigend-vertraute Stimme in den Gehörgang ein, die einen über die nächsten 50 Minuten permanent begleitet. Ein Flashback, als hätte das Debüt 3 Years, 5 Months & 2 Days in the Life Of... gerade zuvor noch im CD-Wechsler gelegen. Inhaltlich gibt sich die Grammy-prämierte Gruppe gewohnt weltverbesserisch. Sozialkritisch (Trends), politisch (Let Your Voice Be Heard) und 2011 natürlich auch nachhaltig in Sachen Umwelt (Greener). Verkehrt ist das nicht, revolutionär allerdings auch nicht. Für Abwechslung sorgt der Soulgesang von Tasha Larae und Montsho Eshe. Was die zugehörige Vertonung angeht klingt das alles in allem sehr herkömmlich. Höhepunkte bleiben auf Strong leider aus, wenn sich ein zweitklassiger Titel an den nächsten reiht, verlagert sich der Schwerpunkt mehr auf "arrested" als auf "development". Eingefleischte Fans von AD, die sich nach dem alten Sound zurücksehnen, mögen dennoch auf ihre Kosten kommen. Außerdem scheint die ohnehin viel wichtigere Nachricht des neuen Albums zu sein, dass das alternative Kollektiv wieder auf Tour kommt. Und live sind Arrested Development immer noch ganz weit vorne anzusiedeln!

Wertung: ++½ (Andreas Margara)

Fleet Foxes – Helplessness Blues | Universal

{image}Sie haben es vollbracht! Alle Fans, die zweifelten, ob die Fleet Foxes imstande sein würden, ein weiteres Album auf dem Niveau ihres meisterhaften Erstlings aus dem Jahr 2008 zu vollenden, können beruhigt sein: Helplessness Blues ist ein gleichwertiges Zweitwerk, das alle Fans des Debüts für Monate mit musikalischen Glücksgefühlen erfüllen sollte. Zwei zentrale Aspekte verdienen hervorgehoben zu werden, nämlich das Songwriting, das mindestens so stark ist wie auf dem Debüt und zweitens die behutsame, aber effektive Fortentwicklung des jetzt schon ikonischen Fleet-Foxes-Sounds. Songs wie Battery Kinzie, Helplessness Blues und Lorelai vermitteln die gleiche überbordende musikalische Euphorie, die das Debüt so unverwechselbar machte. Der gewaltig aufbrausende Harmoniegesang der Band inszeniert jedes Lied mit maximaler Intensität, so dass selbst die thematisch introspektiven Montezuma oder Bedouin Dress wie ekstatische Anrufungen wirken. Gleichzeitig vermögen die Fleet Foxes ihre Songs dramaturgisch so geschickt zu arrangieren, dass der Zuhörer sich stets nur erhaben bzw. im positiven Sinne überwältigt und nicht überrollt oder überfordert vorkommt.

Die gelungene Weiterentwicklung ihres Bandsounds zeigt sich beispielsweise in der etwas anderen Gestaltung akustischer Lieder: The Cascades erinnert an englischen Folk, während Blue Spotted Tail durch seine karge Intimität überzeugt. Am deutlichsten weist jedoch die experimentelle Form von The Shrine/An Argument, das sogar ein kurzes Free-Jazz-Inferno beinhaltet, in eine Zukunft jenseits barocker Opulenz. Bei allem Streben nach neuen musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten bleibt das Grundgerüst des unvergleichlichen Bandsounds erhalten, ohne dass ein Abfall der Qualität zu verzeichnen wäre. Im Gegenteil, Helplessness Blues etabliert die Fleet Foxes endgültig als eine der interessantesten und besten Bands der Gegenwart.

Wertung: ++++½ (Daniel Nagel)

Peilomat – IcHERZähler | Edel Records

{image}Lange hat es gedauert bis nach dem ersten Album Grossstadkinder endlich die zweite Platte IcHERZähler in den Läden stand – vier Jahre haben sich Peilomat dafür Zeit gelassen. Die 13 neuen Songs gehen über die ganz persönlichen Geschichten der Band, verpackt in melodischem Poprock. Die drei Peilomaten sind nicht nur älter, sondern auch rockiger und erwachsener geworden. Und so klingt Erwachsen, der erste Song auf dem Album, auch fast autobiographisch wenn Flo über den Lebensweg von der Kindheit bis zum Tode singt. Als kleinen Vorgeschmack auf die neue Scheibe wurde der Song Du hältst den Regen nicht auf veröffentlicht, eine Ballade mit Power. Und Power haben auch die anderen Songs des IcHERZähler-Albums. Es sind Geschichten aus dem Leben, von Sommerlaune und Fernweh. Aufbauende Songs wie Das Schönste Mädchen der Welt oder einfach nur etwas zum austoben und tanzen wie Lauter. Und ganz am Schluss: Eine sanfte Akustik-Ballade namens Unsterblich, begleitet von Streichern. Egal ob Herzschmerz, Partylaune oder Songs mit Hintergrund und Tiefgang, Peilomat bringen es auf den Punkt. Die Texte kommen von Herzen und mit jedem ihrer Songs erzählen die Drei eine neue Story. Die einzige Veränderung gibt es in der Besetzung, denn statt Hennich gibt nun Neuzugang Tobi den Takt am Schlagzeug an. Peilomat starten mit ihrem neuen Album durch, mit viel Potenzial nach oben.

Wertung: ++++ (Melanie Prunzel)

Gorillaz – The Fall | EMI

{image}"Einmal Gorillaz zum mitnehmen, bitte!" So in etwa könnte man sich den Drive-Through-Aufnahmeprozess des neuen Gorillaz Albums The Fall am trefflichsten vorstellen. 15 Tracks sind entstanden, als die Band letztes Jahr quer durch die Vereinigten Staaten getourt ist und dabei immer mal wieder Stücke mit ihrem iPad aufgenommen hat. Vom einstigen Crossover aus Indie-Rock und experimentellem HipHop ist dabei wenig übrig geblieben. Experimenteller Elektro trifft es im Falle von The Fall besser. Während sich im Eröffnungsstück Phoner To Arizona ein Delfin telefonisch um eine Stelle bei den Gorillaz zu bewerben scheint, aber nicht ganz bis zu Damon Albarn durchkommt, überzeugt Revolving Doors mit dem urtypischen Gorillaz-Sound, bei dem Innovation auf Melancholie trifft. Ein Ohrwurm, der sich festsetzt und so schnell nicht mehr loslässt. Bei Hillbilly Man, auf dem die Klampfe von Mick Jones (The Clash) zu hören ist, machen sich erstmals die Einflüsse des Tourens bemerkbar, die auf The Fall immer wieder zum Tragen kommen. Wie knallige Fahrzeuge oder Lichter von Städten wie Detroit, Dallas, Amarillo und Phoenix rauschen diese am Fenster des Tourbusses vorbei. Zu oft klingen die verspielten Arrangements jedoch nur nach lückenfüllenden Interludes. Musikalisches Gesamtkonzept: Fehlanzeige. Bis auf Albarns Gesang fehlt es an den charakteristischen Gorillaz-Merkmalen und leider auch an Glanzpunkten. Einer der wenigen aber bedeutenden Gastauftritte markiert Soulsänger Bobby Womacks Kontribution bei Bobby in Phoenix. Disharmonisch und streckenweise chaotisch kreuzen sich die Spuren, um kurz nach dem Einklang abgewürgt zu werden (California & the Slipping of the Sun). Passenderweise endet das Gorillaz-Experiment mit unerklärlichem Gejodel (Seattle Yodel), was für die Beteiligten vermutlich ein aberwitziger Insider-Gag ist, den gemeinen Hörer aber allenfalls zurück zu Revolving Doors skippen lässt.

Wertung: ++½ (Andreas Margara)

Und so werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"