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Caribou © City Slang

Caribou hinterließ einen ausverkauften Karlstorbahnhof in heller Begeisterung. Aber nicht nur Dan Snaith, Mastermind hinter dem Projekt, und seine Band überzeugten, auch das Vorprogramm mit Barbara Panther und Mount Kimbie strotzte nur so vor Experimentierfreude und großen Soundkulissen.

"SOLD OUT – eventuell nicht abgeholte Reservierungen gehen in den Abendkassenverkauf." Die Begeisterung für das Konzert von Caribou ist schon im Vorfeld zu sehen. Um kurz nach neun Uhr kann sich Barbara Panther daher als Opener des Abends auch über viel Publikum freuen. Sie steht zwischen zwei Mikrofonständern, ihr einziges Instrument ist ein kleiner Laptop. Mehr Platz für ihre Bühnenshow, den sie auch nutzt. Wie eine Besessene tanzt Panther, dreht sich um sich, springt herum und singt dazwischen auch noch. Da muss viel Ausdauer dahinter stecken. Ihr Musik ist genauso hektisch und schnell und voller ungewohnter Töne; extrem elektronisch. Extrem beispielhaft dafür ist das Video zum Song Empire, das man sich unbedingt ansehen sollte.

Dass diese Sounds in ihrer Musik jetzt so einen großen Raum einnehmen, ist insofern erstaunlich, da sie in älteren Interviews behauptet, keinen Computer zu besitzen. Bis vor zwei Jahren waren ihre einzigen Instrumente ein Aufnahmegerät, ein Drumcomputer und ein Keyboard, daher auch jeder Song langwierige Handarbeit. Ihrem älteren Material ist das auch noch anzuhören, wobei man einschränkend sagen muss, dass Barbara Panther in Bezug auf sich selbst gerne etwas ungenau sein kann und aus Vielem ein Geheimnis macht. Aber nehmen wir es einfach so hin! Die Wahlberlinerin, geboren in Ruanda und aufgewachsen in Brüssel, hat jedenfalls am 10. September über City Slang ihre EP Empire veröffentlicht – reinhören lohnt sich.

{image}Zweite Band des Abends ist danach das englische Duo Mount Kimbie, bestehend aus Kai Campos und Dominic Maker. Die beiden veranstalten auf der Bühne Dubstep, oder das, was Kritiker als Dubstep erkennen wollen. Passt leider nicht so ganz, da die Band aus dem Dubstep-Universum immer wieder ausbricht, aber Schubladen sind sowieso größtenteils sinnbefreit. Daher übergehen wir den Punkt ganz geschickt und kommen zurück zu den Inhalten: Campos und Maker benutzen nicht nur Sequenzer und den ganzen anderen elektronischen Firlefanz, sondern auch Schlagzeug und Gitarre. Der Sound, der von Mount Kimbie auf der Bühne gestrickt wird, ist dicht und atmosphärisch. Auch hier gibt wieder ein Video einen kleinen Eindruck, nämlich das zum Song Would Know. 2009 erschienen ihre EPs Maybes und Sketches On Glass, im Juli dieses Jahres dann das mit 33 Minuten Spielzeit fast schon zu kurze Album Crooks & Lovers. Die Empfehlung wird hier ausgespart, dürfte aber eigentlich ja klar sein.

Jetzt geht alles sehr schnell, Caribou betreten endlich die Bühne. "She Can Hold Onto Her Own...": Ohne große Ankündigung geht es mit Kaili los. Das Publikum hatte aber zuvor auch genug Aufwärmzeit, da kann jetzt keine Zeit verschwendet werden. Dan Snaith, der Kopf hinter Caribou, wird von drei weiteren Musikern unterstützt. An der Gitarre und am Keyboard steht Ryan Smith, dazu am Schlagzeug Brad Weber, der auf klassische Weise (Live-)Drummer der Band wurde: Im Jahr 2004 bekam Snaith nach einem Konzert ein Demotape von Webers damaliger Band in die Hand gedrückt. Daraufhin blieb man in Kontakt, die Band durfte sogar im Vorpogramm von Caribou spielen. Snaith war von Webers Spiel dermaßen begeistert, dass er zum Vorspielen eingeladen wurde, was schließlich zur Festanstellung führte. Diese hat auch der Dritte im Bunde, nämlich John Schmersal am Bass. Der New Yorker ist Gründungsmitglied und neben Toko Yasuda noch einzig verbleibendes der Band Enon. Deren Ex-Schlagzeuger Matt Schulz trommelt jetzt bei Holy Fuck (Konzertbericht), womit sich der Indie-Electro-Kreis wieder schließt.

Zurück zum Konzert: Snaiths Stimme ist wie auf Platte fast engelhaft hoch, gemischt mit dem im Vergleich dazu überhaupt nicht engelhaften Schlagzeug von Weber ergibt sich eine hypnotische Stimmung. Weber ist sowieso vollkommen im Spiel gefangen: Sein Mund ist offen, die Hand schwebt alle paar Takte in der Luft. Als wäre das nicht auch für das Publikum genug Bannkraft, faszinieren die kreisrunden Projektionen im Hintergrund auch den letzten Zweifler. Leave House wird ein Höhepunkt unter den Höhepunkten, in dem Beatgewitter des Songs ist der immer wiederkehrende kurze Ausbruch "Leave House!" befreiend und gleichzeitig auch antreibend; man kann sich kaum entscheiden! Melody Day aus dem Album Andorra kommt auch zum Zuge, bietet sich aber auch an, schließlich kann man hier Schlagzeug spielen – und das exzessiv. Odessa wird wiederum leicht umgemodelt, das Hauptgerüst bleibt erhalten, bekommt aber beinahe noch mehr als bei den übrigen Songs eine ordentliche Portion Schlagzeug spendiert. Mehr Beat. Der Saal tobt. Immer wieder spielt Caribou einfach drauflos, Fragmente werden aufgegriffen und für kurze Zeit entwickelt jeder Song ein kleines Eigenleben.

{image}Dann ist das Ende nahe. Das Publikum verlangt lauthals die Zugabe: "Sun! Sun! Sun!", als wäre man mit Mel Gibson im Thunderdome gefangen. Snaith soll es wie dieser doch endlich zu Ende bringen. Und wie bei wahrscheinlich fast jedem Konzert von Caribou in den letzten Monaten wird Sun auch als Zugabe gespielt. Die Leute kennen das Spiel. Snaith schreit ins Mikrofon, die bekannte Melodie mit den verzerrten Tönen rauscht durch die Boxen und erlöst die Massen. Klar, dass das Lied mit Improvisationen ausgedehnt wird. Jetzt ist aber wirklich Schluss, ein kurzer Wink gen Publikum und Caribou sind von der Bühne verschwunden.

Über drei Stunden mit sehr unterschiedlichen, aber gerade auch deswegen grandiosen Künstlern sind vergangen. Caribou spielen an dem Abend das live, was Swim eigentlich auf Plattenlänge treibt: Experimentelles und Zugänglichkeit mithilfe elektronischer Musik zusammenzubringen. Denn seien wir mal ehrlich: Wer der Anwesenden im ausverkauftem Karlstorbahnhof würde sich denn freiwillig die Stimme Dan Snaiths anhören, wenn dazu nicht sehr ansprechende Sounds laufen würden? Gleiches gilt noch viel mehr für die Improvisationen, die die Songs in die Länge strecken, und das exorbitante Schlagzeugspiel. Die Mischung macht's. Wie immer.

Caribous Setliste

Kaili | Leave House | Niobe | Bowls | Melody Day | Odessa | Hannibal | Sun

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