Giant Sand feat. Steve Shelley (Sonic Youth) live beim Rolling Stone Weekender 2010
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Giant Sand feat. Steve Shelley (Sonic Youth) live beim Rolling Stone Weekender 2010 Foto: Jan Wölfer © regioactive.de

Zu den Highlights des Rolling Stone Weekenders zählte der Auftritt der amerikanischen Band Giant Sand. Ein langjähriger Fan der Band gibt seine Eindrücke für uns wieder.

{image}Giant Sand unternahmen, wie erwartet, keinen Versuch, sich den Konsumgewohnheiten des flüchtigen Festivalpublikums anzupassen und ein dramaturgisch durchkonzipiertes Set zu spielen. Die stirnrunzelnden, amüsierten, rückversichernden Blicke der Musiker in Richtung von Frontman Howe Gelb zeigten, dass sie gelegentlich nicht wussten, was sie im nächsten Takt erwarten würde. Besinnlich bilanzierende Songwriterklänge (Fields of Green vom aktuellen Longplayer Blurry Blue Mountain) wurden von fahrigem Barjazz (Chunk of Coal) abgelöst, auf verhallte Keyboardexerzitien folgten ausufernde gitarrenbretternde Feedbackexzesse, die vom Punk die Unmittelbarkeit, vom Post Punk den Sinn für Ökonomie, Geräusch und Flächen haben, Herz und Hitze aber traditionsverwurzelter Americana verdanken.

Die aktuelle Besetzung, bereichert um Gastschlagzeuger Steve Shelley (Sonic Youth, Hallogallo), spielte insbesondere bei den lautstark intonierten Songs ihre Stärken aus, nahe an der Ergebnisoffenheit eines improvisierten Jams, aber doch von Howe Gelb gleichsam aus der Vogelperspektive mit Blick auf das Ende gelenkt und unter steter Spannung gehalten: Zu den Highlights zählten ein berauschendes Monk’s Mountain, das spielend das Versprechen der Albumversion (ebenfalls von Blurry Blue Mountain) einlöste, das eruptive, hoch energetische Tumble & Tear (vom 1985er Debüt Valley of Rain) und einmal mehr als Memento Mori und Tribut für seinen verstorbenen Lebensfreund Rainer Ptacek das zugleich kontemplative und trotzig euphorische The Farm - unglaublich, wie Howe diesem langjährigen Set-Standard immer noch neue Seiten entlockt.

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Nach mittlerweile vielen Jahren Beschäftigung mit Howe Gelbs Werk auf Tonträger und Bühne bleibt mein Fazit, dass ich die musikalische Laborsituation, bei der das Verzetteln, der spontane Einfall, Versuch und Irrtum, Abbruch und Aufbruch, das Spiel mit Erwartungen und die kauzige Interaktion mit Band und Publikum unverzichtbarer Teil der Versuchsanordnung sind, den meisten auf einer verlässlichen Setlists fußenden, den Hörer bei der Hand nehmenden und an seiner Erwartungshaltung ausgerichteten Auftritten" professioneller" denkender Bands vorziehe, insbesondere wenn sich aus dem Moment immer wieder solche verblüffenden neuen Perspektiven auf Howe Gelbs vielseitiges Songbook eröffnen, wie an diesem Abend am Weißenhäuser Strand.

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