Bob Dylan - "The Bootleg Series Vol. 9: The Witmark Demos 1962-1964"

Bob Dylan - "The Bootleg Series Vol. 9: The Witmark Demos 1962-1964" © Sony Music

Das 2 CD-Set The Witmark Demos bietet einen Einblick in den Entstehungsprozess von Bob Dylans Frühwerk und ist dennoch nur für Spezialisten interessant.

{image}The Bootleg Series Vol. 9: The Witmark Demos vereinigt auf zwei CDs 47 akustische Demos, die Bob Dylan zwischen 1962 und 1964 für die Musikverlage Leeds und hauptsächlich M. Witmark & Sons aufgenommen hat. Das Unternehmen Witmark & Sons hat eine faszinierende Geschichte. Gegründet wurde es im Jahr 1886 von Marcus Witmark, einem deutschen Einwanderer, in Vertretung seiner teilweise noch jugendlichen Söhne Isidore, Julius und Jay. Zunächst publizierten dieBrüder ihre selbstkomponierte Musik in Notenform, später dann die Werke verschiedener bekannter Komponisten. 1929 verkaufte Isiodre Witmark die Firma an die Warner Bros, Jack und Harry Warner.

{image}In den 1960er Jahren war Witmark Teil des größten Musikverlages der Welt unter dem Dach von Warner Bros. Unter der Ägide von Albert Grossman, seinem geschäftstüchtigen Manager, vollzog Dylan den Wechsel von Leeds zu Witmark zu einem Zeitpunkt, als niemand wusste, dass der junge Folksänger die Popmusik revolutionieren würde.

Ab 1962 nahm Dylan die besagten Demos für Witmark auf, vornehmlich damit andere Künstler seine Lieder hören, aufnehmen und veröffentlichen konnten. Einen Teil der damit erzielten Einnahmen floss in Form von Tantiemen an Dylan, Grossman und Warner/Witmark zurück. Nachdem das Folk-Trio Peter, Paul & Mary mit ihrer Version von Dylans Blowin’ In The Wind einen großen Erfolg erzielte, wurde die Musikwelt auf den jungen Folksänger aufmerksam. In den folgenden Jahren überschwemmte Dylan die Musikbranche mit so vielen Eigenkompositionen, dass er keineswegs alle auf seinen eigenen– immer erfolgreicheren – Alben veröffentlichten konnte.

Dylans kometenhafter Aufstieg veränderte die Musikwelt nachhaltig. Künstler, die eigene Aufnahmen ihrer selbstgeschriebenen Lieder veröffentlichten, wurden zum Standard der populären Musik, womit die professionellen Songwriter der Tin Pan Alley ausgedient hatten. Die zahlreichen Coverversionen, die andere Künstler von Dylan-Kompositionen aufnahmen, erwiesen sich für Dylan, Grossman und Warner/Witmark als äußerst lukratives Geschäft.

{image}Die nun erhältlichen Witmark-Demos bieten neben den regulären Studioalben sowie den akustischen Konzertaufnahmen einen dritten Zugang zum Phänomen Dylan in den frühen 1960ern. Denjenigen, die es lieben, Dylans Karriere in jedem Aspekt nachzuvollziehen, werden die Demos sicherlich die eine oder andere neue Perspektive liefern, aber viele Käufer werden sie vermutlich nicht allzu oft abspielen. Das liegt auch daran, dass zahlreiche, ursprünglich unveröffentlichte Lieder bereits von Bootleg Series Vol. 1-3 bekannt sind, wo sie in Hinblick auf Soundqualität und Performance teilweise in deutlich besseren Versionen vorliegen. Während die Aufnahmen der hier vertretenen Klassiker nur selten an die bekannteren Studioversionen heranreichen, da Dylan manchmal gehetzt, ungeduldig oder unkonzentriert, aber vor allem weniger präsent wirkt, sind die ausschließlich diesem Set vorbehaltenen Eigenkompositionen mit wenigen Ausnahmen aus gutem Grund wenig bekannt. Dennoch bieten nicht gänzlich ausgereifte Lieder wie All Over You oder I'd Hate To Be You On That Dreadful Day einen wertvollen alternativen Einblick in Dylans Songwriting in einer seiner kreativsten Perioden.

Es ist ohne Zweifel erfreulich, 1960er-Aufnahmen von Songs wie Tomorrow Is A Long Time, Ballad Of Emmett Till und John Brown zu besitzen, aber insgesamt bieten die Witmark-Demos zu wenige Überraschungen, um vorbehaltlos empfohlen werden zu können. Wer die bislang erhältlichen Aufnahmen aus dieser Zeit gehört hat, der kennt bereits das Wesentliche. Aufgrund der sensationellen Qualität des Songmaterials (nicht der Aufnahmen!) und des hervorragenden beiliegenden Essays von Colin Escott, der die Hintergründe der Entstehung detailliert und anschaulich erläutert, verdienen sie dennoch eine vergleichsweise hohe Bewertung:

 

Wertung: ****

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"

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