Westernhagen (live in Mannheim, 2010)

Westernhagen (live in Mannheim, 2010) © René Peschel

Marius Müller-Westernhagen eröffnet seine erste Tour seit 5 Jahren in der Mannheimer SAP Arena und überzeugt das Premierenpublikum mit einer sehr knackigen Band und einer guten Mischung aus Klassikern und erstaunlich vielen Songs von seinem aktuellen Album "Williamsburg".

{image}Westenhagen ist auf dieser Tour dahin zurückgekehrt, wo er angeblich in der Zeit vor Mit 18 war – in eine Rolling Stones Coverband. Und das ist durchaus als Kompliment gemeint. Es geht mir gut klingt an diesem Abend nicht wie in der Studioversion nach Heroes von Bowie, sondern wie All Down The Line von der Platte Exile On Main Street. Und die Band hat diesmal auch die Rauheit, die sie vielleicht zuletzt 1985 hatte. Nicht so eine Jay-Stapley-Stoneskopie wie vor 20 Jahren, sondern eine richtig dreckige. Das geht soweit, dass das ansonsten unsägliche Willenlos auf einmal fast wie Happy vom selben Stones-Album klingt. Alleine von Radio Maria zitiert im Outro gar Stay With Me von den Faces. Natürlich ist klar, dass die Band diese Art von Musik nicht erfunden hat, sondern ihr huldigt. Aber über eine solche Huldigung kann man sich freuen. Beachtlich ist dabei zudem, dass der Sound der Band vom ersten Ton an steht – etwas, was man von den Stones beispielsweise auf den ersten Nächten einer Tour nicht unbedingt erwarten kann. Seine Stimme hat sich über die Jahrzehnte deutlich weg von der klaren Knabenstimme, die er früher gern einsetzte, hin zu einer fast Joe Cocker-artigen Alt-Bluesmänner-Stimme entwickelt und es dauert einige Songs lang, bis die Stimme auch gut im Sound platziert ist. Doch dann zeigt Westernhagen, dass er als Sänger einer solchen Band noch immer bestehen kann.

{image}Bei der Bandvorstellung wird deutlich, was den Unterschied ausmacht: Bis auf den zweiten Gitarristen stammen alle Instrumentalisten und auch die Backgroundsänger/innen aus dem UK oder den USA. Ein derart wuchtiger und trotzdem nicht in Grund und Boden gestampfter Blues wie Lieben werd' ich Dich nie war aller Wahrscheinlichkeit nach in der SAP Arena noch nicht zu hören gewesen. Das grandios gejammte Schinderhannes nimmt das Publikum gar so gefangen, dass es ganz vergisst auf die Eins mitzuklatschen und stattdessen in ruhigen Momenten kollektiv begeistert aufschreit. Nach allem was Westernhagen in den letzten Jahren falsch gemacht hat, muss man ihm wirklich zugestehen, dass er wie zuvor mit dem Album Williamsburg auch mit dieser Tour wieder überzeugt. Die Schmock-Quote, die bei ihm gefühlt schon den Intelligenzquotienten überrundet hatte, sinkt unter die Außentemperatur, die Band ist nicht nur konzentriert und versiert, sondern pumpt Leben in alte und neue Songs, als wollten sie es allen nochmal zeigen. Was ja allerdings für eine Band, die gerade ihr erstes Konzert spielt, keine Motivation sein kann. Für Westernhagen dagegen schon. Und es hat den Anschein, dass er seine Motivation auf die Musiker übertragen konnte. Selbst komplett totgespielte Nummern wie Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz erwachen – in den ersten zwei Strophen nur mit einer scharf gespielten Bluesgitarre begleitet – an diesem Abend zu neuem Leben. Die 8.500 Fans, die diese Premiere erleben, reagieren mitgerissen und begeistert. Nach dem Konzert sind nur positive Kommentare im Foyer und auf den Treppen zu hören.

{image}Damit nicht der Eindruck, man erkenne den Westernhagen, den man in den letzten zwei Jahrzehnten erlebte, so gar nicht wieder, vollends entsteht, gibt's im letzten Zugabenblock dann doch noch die befürchtete Portion Schmock'n'Pathos. Zu Lichterloh fliegen noch einmal die Boeings ins World Trade Center, Engel wird durch eine Art öffentliche Liebesbekundung zur Sängerin Della Miles (hieß seine Frau nicht eigentlich Romney?) illustriert und Freiheit lässt sich wohl gar nicht unpathetisch aufführen. Johnny Walker versöhnte dann aber wieder zum Abschied. Welcome back, Marius!

 

Alle Fotos vom Westernhagen-Konzert in Mannheim gibt es hier!

Setlist:

Jesus | Es geht mir gut | Wir haben die Schnauze voll | Durch Deine Liebe | Willenlos | Fertig | Typisch Du | Nur ein Traum | Alleine | Lieben werd ich dich nie | Schweigen ist feige | Schinderhannes | Ganz und gar | Hey Hey | Zu lang allein | Nurejew | Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz | Sexy

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Mit 18 | Ein Mann zwischen den Zeilen | Baby I want you (Della Miles) | Wieder hier

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Lichterloh | Engel | Freiheit | Johnny Walker

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