Die Sterne

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Die Sterne sind volljährig geworden und haben sich mit ihrem neusten Werk "24/7" nach Meinung vieler Musikexperten neu erfunden. Unser Redakteur Daniel Voigt traf sich mit der Band in Berlin für ein ausführliches Interview. Anwesend waren Frank Spilker und Thomas Wenzel. Sie gaben u.a. Auskunft über das neue Album, was sie über Quizshows denken, wie wichtig das Band-Image ist, fehlende Originale im Digitalen, die Chancen für junge Bands und sie erklären, warum ein Streik der Kreativen sinnvoll sein könnte.

{image}regioactive.de: Ihr habt euch 1992 gegründet und seid damit dieses Jahr volljährig geworden. Wie fühlt ihr euch?
Frank: Im Prinzip darf man darüber eigentlich überhaupt nicht nachdenken. Wir haben in den 18 Jahren zwar nicht ganz so viel geschafft wie die Beatles, die es ja sogar nur 10 Jahre gab, aber wir haben auch nichts gemacht, wofür man sich schämen müsste. Für eine Band ist 18 Jahre fast schon ein Rentenalter.
Wie habt ihr euch selbst als 18-jährige gefühlt?
Frank: Anders und jünger.
Thomas: Aber trotzdem super.

Und welches Lebensmotto hattet ihr früher und welches habt ihr heute?

Frank: Da ich auf dem Land aufgewachsen bin, wollte ich mit 18 Jahren vor allem aus dem provinziellen Milieu herauskommen. Ich hatte den Wunsch, das zu machen, was ich eben jetzt mache und das war dort nicht möglich. Ich machte mir Gedanken, wie man das am besten schaffen konnte. Denn in ein großes, urbanes Umfeld bin ich nun wirklich nicht hineingeboren worden. Dort wo ich herkomme gibt es erst einmal gar nichts. Die nächstgrößere Stadt ist genauso Provinz wie auch die nächstnächstgrößere Stadt. Und dann kommen Köln, Hamburg und Berlin und da gehen dann auch die meisten Leute hin. Aber natürlich war das aufgrund der Entfernung auch mit Auswanderungsgefühlen und Schmerz verbunden.

{image}Ihr werdet oft als Vertreter der Hamburger Schule angesehen. Was haltet ihr von dieser Kategorisierung?

Thomas: Allgemein finde ich Kategorisierungen richtig und es ist ok, wenn man uns in diese Schublade steckt. Es weiß auch jeder, was damit gemeint ist, aber die Hamburger Schule selbst gibt es eben nicht mehr.

Frank: Es gibt Begriffe, die sich selbst aushöhlen. Und darauf immer wieder angesprochen zu werden, macht es auch nicht besser. Eigentlich sollte jeder wissen, dass das ein Thema der frühen und mittleren neunziger Jahre war. Natürlich kannst du immer wieder fragen, was wir davon halten, aber das ändert nichts daran, dass der Begriff komplett irrelevant ist.

An welchem musikalischen Punkt seht ihr euch gerade?

Thomas: Ich sehe mich gerade eher bei LCD Soundsystem und ähnlichen Dingen.

Frank: Das ist vielleicht übertrieben, aber unsere musikalische Orientierung war auch schon zu Zeiten der Hamburger Schule immer internationaler gewesen. Den vermuteten originalen Hamburger Sound gab es so nicht. Die Bands, die damals Protagonisten waren, hatten durchaus unterschiedliche Ansätze und orientierten sich auch an Bands wie Sonic Youth oder Nirvana. Da waren wir mit unserem HipHop-artigen Groovezeug schon immer von einem anderen Planeten. Ich würde sagen, dass wir unseren Weg immer konsequent weitergegangen sind, ohne dass wir uns als Band im Sound und unserem musikalischen Thema eingeschränkt haben, sondern stattdessen versucht haben, das zu perfektionieren und variieren. Nach 18 Jahren kannst du heute mit Fug und Recht sagen, dass Die Sterne weiter Die Sterne sind, auch wenn wir nicht so erfolgreich waren und sind wie eben die Beatles. Die Sterne ist eine Marke, die für sich steht.

Euer neues Album heißt 24/7. Es klingt elektronischer und grooviger als eure früheren Sachen.

Frank: Elektronik ist der zweite Begriff, den ich sehr ausgehöhlt finde. Alles ist Elektronik. Sie wird dort am besten eingesetzt, wo man sie nicht spürt oder aufgesetzt wirkt oder sie als Effekt hört, sondern wo sie bloß einen organischen Zusammenklang mit der Musik bildet. Und wenn ich jetzt Beispiele nennen soll, wen ich am innovativsten finde, dann sind das Bands wie WhoMadeWho oder Datarock: man erlebt sie auf der Bühne als ganz normale Rockband, aber es kann dann plötzlich passieren, dass der Keyboarder vom Keyboard weggeht und Saxophon spielt, während das Keyboard dennoch weiterläuft. Dann weißt du, dass da etwas anderes am Werk ist. Und das ist genau das Ding der Zeit. Die Begriffe verschwimmen.

{image}Wie würdet ihr euren Sound in eigenen Worten beschreiben?

Frank: Es geht um das Abspecken, um die Konzentration auf den Rhythmus durch das Weglassen von Gitarren, um das Minimalisieren von Sprache und Rhythmus.

Thomas: Da die Stücke recht lang sind, folgen sie einer Tracklogik, was man ja eher aus dem Clubkontext kennt. Es geht darum, dass man über längere Strecken denkt und nicht die Methode "Strophe-Refrain-Strophe-Refrain" anwendet, die sich immer nach einem Drei-Minuten-Takt richtet. Die Standardisierungen sollen aufgehoben und Längen geschaffen werden. Die Leute sollen dazu gezwungen werden, länger in eine Atmosphäre einzutauchen, dort drin zu bleiben und dazu zu tanzen. Unser Wunsch war, dass sich dadurch ein anderes Hören und eine andere Songlogik eröffnet.

Was war der Auslöser, dass ihr euch genau dieser Musik immer mehr zugewandt habt?

Thomas: Die Gründe waren bei jedem Einzelnen unterschiedlich. Ich kann da nur für mich sprechen. Man kann sich der Musik um einen herum einfach nicht entziehen. Ob Minimal oder Techno, irgendwo hört man immer elektronische Musik. Allerdings können wir nicht das Gleiche machen, da wir eben eine Band sind, die ihre Musik noch mit akustischen und handgemachten Instrumenten live zu spielen versucht. Das ist ähnlich wie mit der HipHop-Musik, von der wir uns auch beeinflusst sehen, die wir aber sozusagen live gesampelt haben. Und wenn man Atmosphären schafft, dann greift man mit dem Computer natürlich nochmal ein bisschen ein. Aber das muss nicht bedeuten, dass das gleich programmierte Musik ist, die wir geschaffen haben. Vielmehr machen wir immer noch das, was wir immer gemacht haben. Wir gehen ins Studio und spielen die Musik mehr oder weniger live ein. Es ist nicht unsere Tradition, etwas allein mit dem Computer aufzunehmen. Zwar haben wir so etwas Ähnliches in der Zeit von Wo Ist Hier schon einmal versucht und als wir dachten, dass wir mehr mit dem Computer arbeiten müssten, aber davon sind wir dann auch schnell wieder weggekommen. Wir haben erkannt, wo unsere Stärken liegen. Und die liegen eben mehr im Groovigen.

Richard von der Schulenburg hat eure Band verlassen. Was war der Grund und wie habt ihr das aufgenommen?

Frank: Wir haben das quasi gemeinsam entschieden, weil wir an einem Punkt nicht weitergekommen sind. In einer Band muss man Kompromisse machen und gemeinsam etwas zustande bringen. Eine Band ist ein Kreativkollektiv und es wird ganz schwer, wenn einer davon bestimmte Sachen nicht mitmachen will. Man ist dann an einem Punkt angelangt, wo man sich entweder blockiert oder trennt. Deshalb konnten wir diese Platte so nicht zusammen machen und er musste gehen.

Ein Song von eurem neuen Album 24/7 heißt Life In Quiz. Es beschreibt nach meiner Interpretation die Verblödung durch Rateshows...

{image}Frank: Wenn es mit "Ich" und "Du" nicht noch einen Subtext gäbe, fände ich das ein langweiliges Thema. Ich finde, man sollte den gesamten Text auch als eine private Auseinandersetzung lesen. Denn ich finde es spannend, wenn man den Text auf zwei Weisen liest. Es geht hier ja auch nicht nur um Kritik an Quizshows. Das ist albern, denn jeder weiß ja, dass Quizshows nicht gerade bildend sind. Der Song ist vielmehr eine Art Metapher. Du benimmst dich, als wärst du in einer Quizshow. Oder anders gesagt: Die Situation, in der ich mich befinde, ist ähnlich unangenehm wie die Situation in einer so blöden Show.

Ein anderer Song heißt Depressionen Aus Der Hölle. Da geht es um Depressionen und die Hilflosigkeit und Schwierigkeiten, aus dieser Situation wieder herauszukommen. Kennt ihr Leute, die Depressionen hatten oder haben?

Frank: Ich denke, ich kenne viele Leute, die die Tendenz zur Depression haben. Auf einer Skala von 1 bis 10 stehe ich eher auf einer 3. Aber ich glaube, jeder kann Depressionen bekommen. Allerdings ist eine klinische Depression natürlich immer nochmal etwas anderes, da das eine Situation ist, aus der man selbst nicht herauskommt. Aber ich glaube, dass auch dieser Song als Metapher zu verstehen ist. Der Satz "In meinem Traum gibt es kein Morgen" deutet das an.

Wie kommt man aus einer depressiven Stimmung am besten raus?

Frank: Indem man Tanzen geht. Dabei geht es in diesem Sinne gar nicht mal so um diese Ekstase oder Körperlichkeit, sondern vor allem um die Community und um das Gefühl zu haben, ein Teil einer Gemeinschaft statt allein zu sein.

Ein weiterer Song heißt Deine Pläne. Was bedeuten und wie wichtig sind Pläne für euch?

Frank: Pläne spielen deshalb so eine wichtige Rolle in dem Song, weil es dort offensichtlich zwei Personen gibt, die unterschiedliche Pläne haben und das wiederum zur Trennung von Lebenswegen führen kann. Wenn man Pläne macht, dann bedeutet das, dass man sich für etwas entschieden und ein Ziel hat oder irgendwohin geht. Und wenn man das jetzt auf das Thema "Beziehung" anwendet, dann bedeutet das, dass man eine bestimmte Entscheidung getroffen hat, die dazu führt, dass man eine Beziehung abbrechen oder hinter sich lassen muss.

Was haltet ihr von spontanen Aktivitäten?

Frank: Spontane Aktivitäten sind zwar auch schön, aber selten zielgerichtet. Es hilft nicht immer. Man kann auch den ganzen Tag in den Tag hineinleben und keine Pläne machen.

Machen Pläne überhaupt Sinn?

Thomas: Es besteht die Gefahr, dass andere für dich Pläne machen.

{image}Was haltet ihr davon, wenn andere für euch Pläne machen? Als Band habt ihr ja zum Beispiel Vertraute, die für euch Interviewpläne machen.

Frank: Ich denke, das ist eine Frage der Arbeitsteilung. Aber um noch einmal auf Pläne zurückzukommen. Pläne zu machen ist eine Eigenschaft, die den Mensch vom Tier unterscheidet. So bedeutet Pläne zu machen, dass du in der Lage bist, komplexe Vorgänge durch planvolles Handeln hinter dich zu bringen. Oder sagen wir es so: Wenn du durch die Wüste gehst, ist es sinnvoll irgendwo Wasser zu vergraben, damit du auf dem Rückweg was zu trinken hast. Das unterscheidet den Menschen vom Tier. Zumindest glaube ich, dass es kaum Tiere gibt, die sowas machen. Insofern sind Pläne auch eine urmenschliche Eigenschaft. Du hast Ziele, aber wenn du ein Ziel erreichen willst, dann musst du Pläne schaffen. Was die Interviewpläne angeht: Das macht auch Sinn sowie es auch Sinn macht, einen Boooker zu haben anstatt alles selbst zu machen. Es ist gut, einen Repräsentanten zu haben, der ein Puffer zwischen der Band und der Außenwelt schafft. Denn den braucht man auch manchmal.

Thomas: Denn ansonsten musst du dich mit Dingen beschäftigen, mit denen du dich eigentlich überhaupt nicht beschäftigen willst.

Frank: Speziell beim Booking finde ich es schwierig zu sagen, dass man mit irgendeiner bestimmten Band zusammen spielen will. Denn normalerweise sollte es so sein, dass man gefragt ist und gefragt wird.

Für junge Bands ist das doch aber sehr schwierig, oder?

Thomas: Auch als junge Band ist es trotzdem sinnvoller, in diesem Bereich den professionellen Weg der Arbeitsteilung zu gehen. Das wirkt einfach besser.

Frank: Auf jeden Fall sollte man nicht hausieren gehen.

Thomas: Als Band hast du schon genügend damit zu tun, gute Musik zu machen oder auf Styling zu achten.

Wie wichtig ist euch ein Image?

Thomas: Es ist nicht das Allerwichtigste, aber ein sehr gutes Styling kann schon etwas bringen.

Frank: Ich glaube, mit Image ist noch etwas anderes gemeint. So sind wir von den achtziger Jahren sehr genervt, was diese Frage anbetrifft. Dort war alles Styling und Image. Das sollte eine Gegenbewegung zum Natürlichkeits- und Authentizitätsstreben der siebziger Jahre darstellen. Zwar ist das bei mir schon verwurzelt, weil ich eben in den achtziger Jahren groß geworden bin, aber dennoch habe ich die ständige Imagepflege abgelehnt. Ich bin da eher der 90er-Typ.

Hat sich die Frage nach dem Image bei euch im Laufe der Zeit verändert?

Frank: Klar, denn ich habe ja gerade gesagt, dass ich eher der 90er-Typ bin. Den 90ern muss ich zugestehen, dass man dort angefangen hat, mit Image herumzuspielen und dass die Retrowellen dadurch schneller geworden sind. Ich habe auch gelernt, dass es Authentizität gar nicht gibt, sondern auch ein authentisches Image ein Image ist. Aber mittlerweile ist das ja schon fast Gemeingut.

{image}In einer Songzeile von Deine Pläne singt ihr: "Ich lade tausend Leute ein." Wenn man sich das World Wide Web anschaut, dann gibt es Plattformen wie Facebook, in denen man ständig von wildfremden Menschen eingeladen wird. Kann man überhaupt so viele "Freunde" haben oder so viele Menschen kennen, die man einlädt?

Frank: Ich glaube, da geht es wieder um diese reinigende Kraft des Gemeinschaftsgefühls. Wenn eine Trennung passiert, wendet man sich seinen Freunden zu. Das gibt einem Halt und deswegen singe ich dann auch "tausend Leute". Wobei "tausend Leute" jetzt vielleicht nicht der Realität entspricht.

Wann sind Menschen für euch Freunde?

Thomas: Ich kann zu den ganzen neuen und modernen Kommunikationsdingen leider nichts sagen. Da hast du mich komplett in die Falle geleitet. Aber Freunde? Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass eine Tour Gelegenheiten bietet, Leute zu treffen, die entweder weggezogen sind oder die man lange nicht gesehen hat. Da gab es letztens zum Beispiel einen, den ich als guten Freund bezeichnen würde und der von Hamburg nach Salzburg gezogen ist. Ich habe ihn jetzt seit gut einem Jahr nicht mehr gesehen und dann haben wir uns wieder getroffen. Ich hatte sofort das Gefühl, dass das Jahr, wo wir uns nicht gesehen haben, gar nicht existiert hat. Und ich denke, wenn man so etwas spürt, dann ist derjenige ein guter Freund.

Und welche Chancen und Nachteile seht ihr beim Internet?

Frank: Ich glaube, das Internet fördert wirtschaftliche Probleme. Man darf den illegalen Handel mit Ideen oder geistigem Eigentum nicht weitertreiben wie gewohnt. Denn jede Idee, die in elektronischer Form da ist, hat den Charakter des Originals nicht mehr und kann unentgeltlich getauscht werden. Um das zu ändern bräuchte man eine weltweite Kooperation. Das ist die rechtliche Herausforderung, um mitzukommen. Mein Eindruck ist, dass nicht die Technik schlecht ist, sondern eher der Mensch versagt, indem er es nicht schafft, eine weltweite Technik zu installieren, aber kein weltweites Recht.

{image}Ein weiteres Thema auf eurem Album ist die Dienstleistung. Ein Beispiel ist dafür der Song Convenience Shop, in dem ihr die Nichtwürdigung dieser Arbeit kritisiert. Habt ihr Vorschläge, wie die Arbeit in solchen Berufen humaner oder besser gewürdigt werden kann?

Frank: Ich glaube, dass dies ein Verteilungsproblem ist. Die Arbeit ist schlecht bezahlt, während Shareholder oder Grundstückseigentümer sehr gut bezahlt werden. Letztere haben Eigentum, das sich von selbst vermehrt. Es gibt in der Gesellschaft einfach eine Teilung in Dienstleister und Dienstentgegennehmer. Und das ist vielleicht keine Frage der gewerkschaftlichen Organisation, weil diese total ausgehebelt ist, aber auf jeden Fall der Wahrnehmung und darum geht es im Album. Wie viel bin ich bereit zu geben und wo ist die Grenze zum Verlust der menschlichen Würde? An welchem Punkt ist es nicht mehr so toll, Dienstleister zu sein?

Glaubt ihr, dass ihr selbst Dienstleister seid?

Frank: Sind wir nicht alle Dienstleister? Oder wie würdest du den Beruf des Journalisten definieren? In Wirklichkeit ist es doch so, dass das auch eine Dienstleistung ist, die mehr oder weniger bezahlt wird. Ich glaube, dass man sich im Moment persönliche Grenzen setzen muss, indem man selbst festlegt, dass man unterhalb von so und so viel Geld nicht auftritt oder nicht mehr als zwölf Stunden am Tag arbeitet und stattdessen lieber das Handy ausmacht. Früher war das noch mit Arbeitsverträgen geregelt, dass man acht Stunden am Tag und 40 Stunden die Woche gearbeitet hat, aber das gibt es ja heute oftmals nicht mehr. Und genau um diese Veränderung geht es. So arbeiten die meisten Menschen, die ich kenne, freiberuflich und gerade in der Medienbranche ist man als Freiberufler durch verschiedene Rahmenbedingungen kontinuierlich oder durchgängig unterbezahlt und man muss deshalb so viel arbeiten, um seinen Lebensunterhalt weiter bestreiten zu können. Die Frage stellt sich deswegen umso mehr: Wie weit darf und muss ich gehen, um überhaupt meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können?

Die Stadt Der Reichen ist ein Song, der sich mit der Macht des Geldes in der Wirtschaft beschäftigt, die Existenzen zerstören kann.

Frank: Vom Inhalt geht es mir um ein Land wie Belgien, dessen Reichtum in gewisser Weise komplett auf kolonialistischem Adel beruht und um eine Stadt wie Brüssel, die im Prinzip in gewissem Maße auf den Leichen dieser kolonialistischen Ausbeutung gebaut worden ist. Das ist ein sehr komplexes und selbstverständliches Thema, das jeder kennt, aber über das keiner redet. Und das war das Bedürfnis, das mich dazu bewegt hat, so ein plattes, parolenhaftes Lied zu schreiben. Ich will zeigen, dass der Reichtum irgendwoher kommt und dass es genug für alle gäbe, wenn es gerechter verteilt wäre. Der Reichtum der Reichen hat viel mit der Armut der Armen zu tun.

Viele Musiker haben Probleme, sich alleine mit der Musik ihr Leben zu finanzieren. Wie kann man eurer Meinung nach junge Künstler besser unterstützen und fördern?

{image}Frank: Ein bisschen habe ich vorher ja schon über die Struktur und das generelle Grundproblem gesprochen. Einerseits denke ich, dass man nicht erwarten kann, dass Musik ein Job ist, von dem man leben kann. So wie zum Beispiel jemand, der im Straßenbau arbeitet. Aber auf der anderen Seite würde man am meisten die Kunst im Allgemeinen schützen, wenn man darauf aufmerksam macht, dass es Dinge gibt, die ungelöst sind und die Strukturen insoweit ändert, dass nicht immer nur diejenigen Geld verdienen, die Strukturen zur Verfügung stellen, sondern auch diejenigen, die Inhalte liefern. Das ist im Moment nicht der Fall. Du hast einerseits die Telefon-, Handy- und Internetprovider, die sich an dir dumm und dämlich verdienen, aber andererseits wollen alle diese schicken Handys vor allem deshalb haben, weil es dort Inhalte gibt, mit denen sie Musik hören und Filme schauen können. Die Produzenten von Inhalten haben davon quasi gar nichts. Meiner Meinung nach wäre es das Beste, wenn man mal ein Jahr lang keine Inhalte produzieren würde, um dann zu gucken, wie viel die Leute dann noch verdienen, die die Struktur zur Verfügung stellen. Das ist das Ungleichgewicht und da könnte und muss man ansetzen. Denn alles andere, wie Unterstützung aus Mitleid, ist Unsinn. Das würde genau das falsche Bild produzieren. Die Leute müssen endlich kapieren, wie abhängig sie von diesem Inhalt sind. Vielleicht könnte man durch einen Streik was erreichen. Der Drehbuchstreik in Hollywood hatte ja durchaus eine Wirkung.

Vielen Dank für dieses Interview!

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