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Hannover Neues Rathaus © Martin Kirchner

"Wir haben's ja schon immer gewusst, wir haben's nur nicht gewagt auszusprechen: Wir sind doch irgendwie wer", so paraphrasiert es Dr. Benedikt Poensgen, der Leiter des Hannoveraner Kulturbüros. Denn neben Mannheim ist Hannover im Dezember zur "UNESCO City of Music" gekürt worden. Warum eigentlich? Eine Spurensuche.

Aus seinem Büro kann der Leiter des Hannoveraner Kulturbüros, Dr. Benedikt Poensgen, das Neue Rathaus sehen. In jeder anderen Stadt wäre ein Gebäude, das neues Rathaus heißt wahrscheinlich ein grauer Betonbau aus den 50ern. Doch in Hannover – dieser an grauen Betonbauten doch sehr reichen Stadt – ist das Neue Rathaus ein Prachtbau aus der Jahrhundertwende.

Hannoveraner Understatement

"Ein Ausgangspunkt der Bewerbung ist eine Studie aus dem Jahr 2009, mit der ursprünglich die Bedeutung Hamburgs als Musikstadt belegt werden sollte, allerdings wurde im Ergebnis Hannover nach Lokalisationskoeffizienten unter den deutschen Großstädten als Nummer 1 ermittelt."

So steht es in der Broschüre zu Bewerbung Hannovers als UNESCO City of Music, und unter diesem Satz ist die leichte Überraschung darüber zu spüren. "Wir haben's ja schon immer gewusst, wir haben's nur nicht gewagt auszusprechen: Wir sind doch irgendwie wer", so paraphrasiert es Poensgen.

Der Weg zum Titel

"City of Music" ist ein von der UNESCO verliehener Titel – und Hannovers Weg vom Erscheinen der Studie im Jahr 2009 bis zur Verleihung des Titels Ende November 2014 war lang. "Die Initiative ging von den Kreativschaffenden aus“, sagt Poensgen. "Dann war es aber durchaus nicht ganz einfach sich in der Stadtverwaltung bis zu Spitze zu überlegen: Wollen wir denn tatsächlich diesen Schritt wagen? Ist das nicht vermessen?"

"Die Bewerbung Hannovers beruht auf einer Idee des [kre|H|tiv] – Netzwerks. Den ersten Vorstoß haben wir Ende 2011 gemacht", sagt Kai Schirmeyer. Er ist Projektleiter des Netzwerks, das Kulturschaffende der Region vernetzt. Das Netzwerk hat – als Zwischenlösung – die Aufgabe, gemeinsam mit dem Hannoveraner Kulturbüro Aktivitäten rund um City of Music zu koordinieren, regelmäßige Treffen, beispielsweise, auf denen Projektideen vorgestellt werden können.

Transparenter Prozess

Man merkt dem City-of-Music-Konzept die Handschrift des Netzwerkes an. Während Mannheim – zeitgleich mit Hannover zur City of Music gekürt – mit dem Titel die seit langen Jahren in der Stadt betriebene Förderung der Popmusikszene krönt, steht Hannover am Anfang eines Prozesses. "Im Rahmen des 'UNESCO Creative Cities Network' stehen Hannover vielfältige Möglichkeiten offen, das bisherige Potenzial der Stadt weiter zu entwickeln", so formuliert es die Broschüre. In Hannover will man den Titel zum Anlass nehmen, sich auszutauschen. Mit anderen Städten, die den Titel tragen, aber auch untereinander: Alles soll aus der Szene kommen.

"Der Prozess war von Anfang an sehr transparent", sagt Jann Bruns, Vizepräsident der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, der Hannovers Bewerbung in beratender Funktion mit betreut hat. Interessierte konnten in jeder Phase der Bewerbung Kritik äußern, Input liefern und Anregungen geben.

Großer Enthusiasmus, wenig Konkretes

"Es wäre schön, wenn es endlich mal voranginge", sagt Schirmeyer, schiebt aber sofort hinterher: "Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch, mir geht nie was schnell genug."

Jeder, der mit Hannovers Titel zu tun hat, freut sich darüber, dass es geklappt hat. Jeder betont, dass es wichtig sei, die Netzwerke zu stärken, dass der Titel bei der Musikförderung helfen können. Konkrete Aktionen, Konzerte, Festakte? Erste Ideen seien skizziert worden, sagt Schirmeyer. Die Stadt wolle nicht das tolle irgendwas über den Köpfen der Szene machen, sagt Poensgen, der Input müsse aus der Szene kommen.

Die HMTMH habe keine konkreten Pläne, sagt Bruns, aber dadurch, dass Studierende, Absolventen und Lehrende der Hochschule in der Hannoveraner Musikszene stark involviert seien, sei auch die Hochschule stark vertreten. Überall großer Enthusiasmus – konkrete Pläne, was man jetzt mit diesem Titel anfängt sind noch in der, nun ja, Planung.

Nicht Musikstadt werden, sondern sein

Das heißt, teilweise konkrete Pläne haben alle: Werbung, Image, sagen Poensgen, Schirmeyer und auch Bruns, wenn man sie danach fragt, was nun der Titel brächte. Bruns will "noch mehr der besten Studenten der Welt nach Hannover locken, und sie noch ein bisschen besser machen." Schirmeyer möchte den Titel nutzen, "um es Musikern leichter zu machen von der Musik zu leben".

Poensgen kann sich eine Imagekampagne der Stadt vorstellen. Denn auch, wenn die Stadt mit dem Titel keine neuen öffentlichen Mittel bereit stellt, kann der Titel doch nachhaltigere Förderung bedeuten. Allen hilft es, wenn sie dabei das Label "City of Music" verwenden können. Denn letztendlich möchte sich Hannover nicht – wie beispielsweise Mannheim sich den Titel als Bestätigung jahrelanger Vorbereitung abholen den Titel oder wie die japanische Stadt Hamamatsu zur Feier des Titels einen straffen, von oben verordneten Fünf-Jahres-Plan voller Festivals durchziehen. Sondern Musikstadt sein.

Sowohl innerhalb der Stadt die Musikszene zum Einen näher zusammenbringen und zum Anderen mit anderen Musikstädten "auf Augenhöhe", wie es Bruns formuliert, kommunizieren. Bessere Bedingungen für Musiker und die Musikwirtschaft schaffen. Oder anders gesagt: Wo andere Städte sich über den Titel freuen, geht es für Hannover gerade erst los.

Hannoveraner Understatement, eben.

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