© Woche junger Schauspieler/Bensheim

Wer Kultur in der Metropolregion Rhein-Neckar erleben will, der muss nicht zwangsläufig nach Mannheim, Heidelberg oder Ludwigshafen fahren. Mitten in der "hessischen Toskana" bietet das rund 40.000 Einwohner zählende Bensheim mehr Kultur, als die meisten Menschen dort erwarten würden.

Mit der "Woche junger Schauspieler“ und der Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Rings finden gleich zwei Highlights der deutschen Theaterszene in Bensheim statt. Die Kunstfreunde Bensheim holen internationale Stars der Kammermusik in die Stadt an der Bergstraße. Und die Agentur Showmaker Entertainment versucht, neben der Hochkultur frischen Wind in Bensheims Szene zu bringen. Doch auch wenn auf den ersten Blick alles rosig erscheint, sind nicht alle Kulturmacher mit allem zufrieden.

Theater und Musik

Der Gertrud-Eysoldt-Ring ist mit 10.000 Euro der höchst dotierte Theaterpreis im deutschsprachigen Raum. Während der "Woche junger Schauspieler" gastieren Theater-Ensembles aus Dresden, Wien, Hamburg und Berlin in Bensheim. Mit dem Parktheater beherbergt die Stadt zudem das einzige fest bestuhlte Theater an der Bergstraße.

Auf dem Hessentag 2014 zeigte Bensheim, dass die Stadt nicht nur den richtigen Riecher für große Stars wie Xavier Naidoo hat, sondern auch Szene-Größen wie Thees Uhlmann und Blumentopf dort gern gesehene Gäste sind. Institutionen wie das Musiktheater Rex und das Bensheimer Museum helfen, das ganze Jahr über die kulturelle Grundversorgung der kunsthungrigen Bensheimer zu sichern, und über 200 Vereine stehen beispielhaft dafür, dass die hier lebenden Menschen voller Tatendrang sind. Es ist beachtlich, dass in eine Stadt dieser Größe so viel Kultur passt.

"Bensheim ist eine Kulturstadt"

"Bensheim ist eine Kulturstadt, sie ist es aber nicht von heute auf morgen geworden", so Berthold Mäurer, der Leiter des Parktheaters. Das habe Bensheim der Eigenlogik der Städte zu verdanken. So sei die Stadt inmitten der lieblichen Hügellandschaft der "hessischen Toskana" schon immer Heimat der Ministerialen und Offiziere gewesen.

Bereits seit der letzten Jahrhundertwende sei dort ein ausgeprägtes Bildungsbürgertum ansässig – und der Bensheimer an sich heute dementsprechend offen und kulturinteressiert. Im örtlichen Kulturbetrieb ist für Mäurer alles in bester Ordnung: "Wenn ich Kritik äußern würde, dann nur, dass wir zu viel Kultur machen", sagt er scherzhaft. Vor allem freue man sich in Bensheim aber gerade, "als Außenstelle der Metropolregion Gastgeber des Denkfests am 27. September zu sein".

Mehr Gemeinschaftsgefühl nötig

Auch für Harry Hegenbarth, lokaler Veranstalter und Inhaber der Bensheimer Agentur Showmaker Entertainment, läuft im Bensheimer Kulturbetrieb vieles richtig – nur setzt die Stadt für ihn ihre Schwerpunkte vielleicht ein bisschen zu sehr auf etablierte kulturelle Einrichtungen. Der Initiator von Festivals wie "Vogel der Nacht" oder dem "Maiway-Festival" wünscht sich außerdem mehr Gemeinschaftsgefühl unter den Bensheimer Kulturschaffenden: "Alle machen so tolle Dinge hier in Bensheim, aber im Moment geht es nicht so sehr voran, wie es könnte", so Hegenbarth.

Eine Schwäche der Bensheimer Kulturarbeit sieht der Veranstalter vor allem in der Jugendförderung: "Das war früher mal ganz anders, aber leider passiert heute im Jugendbereich neben Abi-Partys und der Stadtpark-Invasion nicht mehr viel", stellt der leidenschaftliche Kulturmacher fest. Die Stadt versuche zwar alles, aber das Budget sei eben begrenzt. Auch wenn er immer wieder durch erfolgreiche Festivals glänzt und es schafft, Künstler wie Glasperlenspiel oder Thees Uhlmann nach Bensheim zu holen, gesteht Hegenbarth:"„Es wird immer härter. Bei einigen Festivals sind wir froh, wenn wir am Ende eine schwarze Null sehen"“

Hochkultur im Aufwind

Trotz allem ist das Bensheimer Angebot auch im Festivalbereich mehr als imposant: Selbst an einem Festival für elektronische Musik fehlt es nicht. Beim "Pley!-Festival" am 8. November wird kein Geringerer als Westbam hinter den Plattentellern zu sehen sein.

Konjunktur hat in Bensheim aber vor allem die Hochkultur. Die Kunstfreunde arbeiten in ihrer mittlerweile 67. Saison auffallend professionell – im Jahr 2013 wurden sie vom Bergsträßer Anzeiger und der Sparkasse Bensheim wohl auch deshalb zum Verein des Jahres gewählt. Und auch in diesem Jahr holen die Kunstfreunde wieder internationale Stars der Kammermusik wie das Klavierduo Koroliov, das Gould Piano Trio oder das Jerusalem Quartett nach Bensheim.

Beachtliches kulturelles Angebot

Als Kulturmetropole würde die Vorsitzende der Kunstfreunde, Anne Dingler, ihre Heimatstadt trotzdem nicht bezeichnen: "Eine Kulturmetropole müsste alles bieten, und das können wir aufgrund der Größe unserer Stadt einfach nicht. Aber das, was wir bieten, ist doch sehr beachtlich", so Dingler.

Eine Stärke sieht die Kunstfreundin aber gerade in der überschaubaren Größe der Stadt: "Bensheim ist noch klein genug, dass man sich als Kulturschaffender kennt, die Kommunikation unter uns funktioniert sehr gut." Lediglich die Kommunikation mit der Stadt könne besser funktionieren. "Wenn man hier Kultur machen will, braucht es schon sehr viel an Eigeninitiative", so die Vorsitzende des Vereins. Und für Dingler gibt es noch einen weiteren Kritikpunkt: "An manchen Tagen ist die kulturelle Dichte einfach zu hoch, da müsste man sich besser absprechen." Aber das ist für eine Stadt von Bensheims Größe glücklicherweise Klagen auf hohem Niveau.

Dieser Artikel wurde unterstützt durch das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar.

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