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The Flaming Lips (live beim Rolling Stone Park, 2018) © Frank Embacher

Der Europa-Park in Rust ist der Schauplatz der Premiere des Rolling Stone Park, der mit Bands wie The Flaming Lips und Element of Crime aufwartet. Wir waren dabei und verraten, ob sich der Ausflug in die südwestlichste Ecke des Landes lohnt.

Das wurde aber auch Zeit! 10 Jahre nach dem Debüt des Rolling Stone Weekenders am Weißenhäuser Strand an der Ostsee präsentieren FKP Scorpio in Verbindung mit dem Rolling Stone eine süddeutsche Variante des Festivals im Europa-Park in Rust. 

Die Initiative zur Gründung des Rolling Stone Parks ging von den Betreibern des Europa-Parks, der Familie Mack, aus. Die Premiere zog 2.200 zahlende Besucher an – sicherlich steigerungsfähig, aber die Zusammenarbeit ist langfristig ausgerichtet. Zur ersten Ausgabe des Weekenders kamen auch nicht mehr Besucher.

Idealer Standort

Der Europa-Park in Rust ist Deutschlands größter Ferienpark und dementsprechend großzügig mit Veranstaltungsräumen ausgestattet. Im Eingangsbereich existiert eine Arena mit einer Größe von 3.000 Quadratmetern, die die Hauptbühne des Festivals beheimatet. 

Die Wege zu den anderen Konzertsälen sind kurz und führen nur auf wenigen Metern durchs Freie. Auch die Technik ist ausgezeichnet, der Sound fast durchgängig astrein.

Vertraute und neue Stimmen

Der Konzert-Reigen wird eröffnet von Nada Surf, die mit ihrer Tour das 15-jährige Jubiläum ihres besten Albums "Let Go" feiern. Ihre Performance unterstreicht nicht nur die Klasse des Albums, sondern auch ihre Qualität als Liveband und so meistern sie den etwas undankbaren Job als erste Band des Festivals mit Bravour.

Unmittelbar danach verteilt sich das Geschehen auf die kleineren Bühnen und der schärfste Act tritt im als Traumpalast ausgezeichneten Spiegelzelt auf: Velvet Volume aus Aarhus. Drei Schwestern, zwei davon Zwillinge, spielen wilden Post-Punk-Bluesrock und bringen Leidenschaft, musikalische Qualität und atemberaubendes Aussehen auf die Bühne. Was will man mehr?

In der Arena steht als nun Father John Misty auf dem Programm. Der ehemalige Fleet Foxes-Drummer kommt in großer Besetzung und zelebriert seinen Indie-Folkrock mit ausladenden Arrangements in gediegener Bärtigkeit. Obwohl seine Musik ausgesprochen gut klingt, fehlt es ihr schlichtweg – wir sagten es schon – an Lebendigkeit.

Opulent und originell

Im opulenten Ballsaal Berlin steht als nächstes Anna Calvi auf dem Programm. Sie bringt nur zwei Mitmusiker auf die Bühne, einen Schlagzeuger und eine Keyboarderin, die nebenbei auch noch Percussions bedient. Die restlichen Sounds kommen von ihrer Gitarre, aber auch von Backingtapes. Ihre Songs sind auf Dynamik und Dramaturgie aufgebaut und diese Elemente setzt sie wirkungsvoll um. Es ist ein eindrucksvoller Auftritt in eindrucksvollem Ambiente.

Aber auch im Traumpalast ist was los: The Wave Pictures, ursprünglich aus der mittenglischen Provinz, mittlerweile in London beheimatet, scheinen tatsächlich einige Fans aus dem UK mitgebracht zu haben, die die Band enthusiastisch feiern. Ihre völlig unprätentiöse Art sich in einem Outfit, für das die Bezeichnung "casual" noch eine Übertreibung wäre, auf die Bühne zu stellen und ihre einfach, aber liebenswert gestrickten Songs zu spielen, hat einen besonderen Charme.

Stimmungsteigerung

Mittlerweile ist in der Arena die Bühne für Kettcar bereitet. Kettcar sind ja sowas wie ein One-Trick-Pony, sie haben eigentlich nur eine Art von Songkonstukt, das sie immer wieder variieren, aber mit dem sie überzeugen. Dazu kommen klare politische Statements ("Humanismus ist nicht verhandelbar!") und eine ganze Reihe guter Songs. Die Stimmung zeigt es: So langsam kommt das neue Festival in Gang.

John Grant ist ein weiterer Vertreter der neuen Bärtigkeit, in seinem Fall gepaart mit einem entfernt an Ace Freley von Kiss erinnernden Make-up um die Augen und einer Baseball-Kappe obenauf. Sein opulenter Pop verfügt inzwischen über eine große Zahl elektronischer Elemente, was irgendwie nachvollziehbar ist, aber nicht immer wie eine gute Entscheidung wirkt. Gleich gelieben sind seine Ansagen in akzentfreiem Deutsch, die immer wieder für Verblüffung sorgen. Viele Deutsche sprechen die Sprache nicht so gut!

Klein, aber oho!

Um die Ecke in der vierten Spielstätte des Festivals, dem La Sala Bianca, der auch ein absolut geeigneter Saal für Konzerte ist, dominiert die Bärtigkeit ebenfalls, allerdings sehr viel quirliger: White Denim aus Texas spielen hochenergetischen Bluesrock, allerdings durch spannende Arrangements und ausladende Jams bereichert. Dem Publikum gefällt es und die Band selbst hat auch viel Spaß auf der Bühne.

Im Traumpalast ist derweil eine ganz andere Attraktion zu sehen: Darlingside aus Boston haben in der Mitte der Bühne ein großes Mikrophon gestellt, um das sich die vier Musiker eng gruppieren und gemeinsam hinein singen. Dabei wechseln sie regelmäßig die Instrumente und zwischendurch versuchen auch sie sich an deutschsprachigen Ansagen, die vom Publikum mit viel Applaus bedacht werden. Ihr ruhiger, akustisch gehaltener Folk mit Bluegrass-Elementen ist eine Bereicherung des Programmes des ersten Abends, der sich langsam aber sicher dem Ende neigt.

Der Wahnsinn zum Schluss

Als Headliner sind zum wiederholten Male in der Geschichte des Rolling Stone Weekenders und jetzt auch Parks The Flaming Lips am Start. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist der völlig ausufernde Einsatz von Bühnengimmicks im spektakulären Ausmaß. Aber die Lips hätten nicht diesen Rang, wenn sie nicht auch fantastische Songs geschrieben hätten. 

Der Auftakt mit "Race For The Prize", "Yoshimi Battles the Pink Robots" und "Fight Test" ist schlichtweg atemberaubend. Die Zuschauer stehen in buntem Licht, inmitten eines Konfettisturms, während bunte Bälle von der Bühne in die Menge geworfen werden. Völlig irre eben. Wayne Coynes Stimme ist besser als man sie in der Vergangenheit schon gehört hat und für alle Fans, die ihre klassischen Alben zu Hause haben, sind das große Momente.

Wie es ihrer aktuellen Musik entspricht, wird es anschließend verworrener, experimenteller, aber nicht weniger verrückt. Zu "There Should Be Unicorns" lässt sich Coyne auf einem leuchtenden Einhorn durch die Arena ziehen und trägt dabei Flügel, die in den Farben des Regenbogens leuchten. Die Flaming Lips geben 90 Minuten volle Power und verabschieden sich mit einem fast ruhigen Moment, ihrem Klassiker "Do You Realize".

Im zweiten Teil: der Samstag und das Fazit

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Der Samstag präsentiert zunächst die geöffneten Bereiche (Frankreich und Schweiz) des Europa-Parks mit der Option, im herbstlichen Sonnenschein eine Rundfahrt mit der Mono-Rail-Bahn durch den Park zu machen oder aber etwas virtuelles bzw. analoges Achterbahn-Feeling in dem Voletarium respektive der Bob-Bahn zu erleben. Ansonsten gibt es Lesungen im Cinema und den Rolling Stone-Talk im Traumpalast, so dass die Zeit bis zum ersten Konzert leicht zu überbrücken ist.

Musikalisch geht es dann los mit einem Volltreffer: Hudson Taylor aus Dublin sind zwei Brüder (Harry und Alfie) mit dem Doppel-Nachnamen Hudson-Taylor. Gemeinsam mit vier weiteren Musikern begeistern sie mit ihrer Musik, die durch und durch irisch ist, viel Dynamik und mehrstimmige Gesänge vereint und in vielen Momenten an die Waterboys erinnert.

Die Qual der Wahl

Derweil kommen in der Arena The Breeders auf die Bühne. Die Band um Kim Deal hat dieses Jahr nach 10 Jahren Pause wieder ein Album veröffentlicht, und geht mit den neuen Songs auch wieder auf Tour. Trotzdem sind es, wenig überraschend, ihre Nummern aus den 90s, die am meisten zünden. Besonders gut kommt in Zeiten, in denen das weiße Album der Beatles gerade neu erschienen ist, natürlich ihre Coverversion von "Happiness Is A Warm Gun" an.

Für den nächsten Zeit-Slot herrscht dann wirklich die Qual der Wahl: Soll man Oliver Polaks Rat folgen und die in seinem Augen beste Band der Welt (Motorpsycho) anschauen oder zu Ryley Walker gehen? Der spielt in Triobesetzung und begeistert mit seinem dichten, hypnotischen Sound. Walker steht in der Tradition von Bands wie The Grateful Dead, hat aber auch den elektrischen Miles Davis ausgiebig studiert und dadurch einen eigenen Sound kreiert. Wem aber eher nach knackiger Kürze ist, kann sich die kurzen Wege zwischen den Bühnen zu nutze machen.

So ist man in nicht mal einer Minute vom Ballsaal Berlin in den La Sala Bianca gelangt, wo Naked Giants aus Seattle in einer mitreißenden Performance den Saal rocken. Gitarrist und Sänger Grant Mullen hat die Gitarre zwar fast unter dem Kinn hängen, aber zusammen mit Bassist Gianni Aiello, der in bester Townshend-Manier die Windmühle kreisen lässt und Drummer Henry LaVallee, der auch an Keith Moon erinnert und dessen Becken schon schwer beschädigt sind, lassen sie keine Langeweile aufkommen. Es sei ihre letzte Show für dieses Jahr, erklärt Aiello und eigentlich seien sie erschöpft von der Tour, aber heute geben sie noch mal alles. Und das war noch nicht einmal ihr letzter Gig an diesem Abend, wie wir später noch sehen werden.

Leidlich ausgenutzt

Im rappelvollen Traumpalast begeistert Dan Mangan seine Zuhörer mit eher akustisch gehaltenen Songs, die jedoch von seiner Band auch durchaus lebhaft umgesetzt werden. Nach seinem Gig steht eine lange Schlange vor dem Merchstand um sich von ihm die frisch erworbenen Tonträger signieren zu lassen.

Motorpsycho wählen angeblich jeden Abend auf einer Tour die Setlist aus ca. 110 Songs spontan aus. In der ersten Reihe in der Mitte steht natürlich Oliver Polak und geht ab. Die Band ist tight, kraftvoll, dynamisch und lässt die Fans, die auf harten Gitarrenrock stehen, auf ihre Kosten kommen. Ganz so lang wie normalerweise auf ihren Konzerten können sie heute natürlich nicht spielen, aber sie nutzen jede Minute aus und spielen das längste Konzert an diesem Abend.

Zeit für Entdeckungen

Danach kann man im La Sala Bianca Mt. Joy aus Philadelphia erleben. Von all den wirklich tollen Auftrittsorten auf dem Rolling Stone Park entpuppt sich dieser Raum als vielleicht beste Location, die Nähe zur Band, hervorragenden Sound und trotzdem Platz für viele Zuschauer bietet.

Mt. Joy erinnern ein wenig an die frühen Counting Crows, jedoch ohne den großen Pathos eines Adam Durwitz. Aber ihre Songs und ihr Sound begeistern das Publikum, das hier wieder die Chance nutzt, sich von einem bislang unbekannten Act begeistern zu lassen, was ja auch den besonderen Charme dieser Art von Festival ausmacht.

Abschlussfeier

Keine Minute davon entfernt, im Ballsaal Berlin, spielen Car Seat Headrest und links auf der Bühne steht schon wieder ein Gitarrist, der die Gitarre unter dem Kinn hängen hat, und im zweiten Moment stellt man fest, dass das der bereits erwähnte Gitarrist von Naked Giants ist. Und auch seine zwei Mitmusiker sind in dem fröhlichen Geschehen mit dabei. Die Erklärung ist einfach: Naked Giants waren in den vergangenen Wochen zusammen mit Car Seat Headrest auf Tour und an diesem Abschlussabend feiern sie gemeinsam auf der Bühne.

Und was für eine Feier es wird. Car Seat Headrest verfügen über so viel jugendliche Energie, die einfach raus muss! Die Setlist besteht mehrheitlich aus Songs ihres Albums "Teens Of Denial", die teilweise für echte Euphorie im Publikum sorgen. Gegen Ende des Sets biegt die Bands links ab und spielen eine Coverversion von "Satisfaction" von den Rolling Stones, die in einen zwanzigminütigen Jam mündet. Man muss die Band für so viel ausgelassene Verrücktheit einfach mögen.

Meeresthema

In der Arena steht jetzt eine Band auf dem Programm, die auf dem Weekender am Wochenende zuvor noch nicht dabei war und die man auch sonst eher selten auf deutschen Festivalbühnen sieht: The Decemberists. Sänger/Songwriter Colin Meloy ist kein Mann der großen Show. Seine wortreichen Songs werden von seiner Band durchaus abwechslungsreich arrangiert – vom gediegenen Americana über akustischen Folk bis hin zu Noise-Rock-Elementen zieht sich das Spektrum.

Zum Abschluss gibt es dann den legendären "Mariner's Revenge Song" und als Showhöhepunkt erscheint auf einmal ein großer aufblasbarer Wal, der von zwei Personen von der Bühne aus in den Saal gezogen wird und dort zum großen Vergnügen des Publikums seine Runde macht, bevor er wieder hinter der Band verschwindet. 

Mit Ansprüchen

Auf zur letzten Runde: Während im Ballsaal Berlin Die höchste Eisenbahn als einer der wenigen deutschsprachigen Vertreter im Line-up aufspielt, stehen im La Sala Bianca Intergalactic Lovers aus Belgien auf der Bühne. Sängerin Lara Chedraoui hat eine faszinierende Bühnenpräsenz und fordert das Publikum bereits zu Beginn ihres Auftritts durchaus kokett auf, beim nächsten Lied einen Part mitzusingen.

Anders als viele Frontmänner bzw. –frauen lobt sie nicht nur die Bereitschaft, überhaupt darauf einzugehen, sondern gibt sich nicht gleich zufrieden mit den ersten Versuchen. Aber bei ihrem Charme nimmt ihr das keiner übel und so wird dann brav gesungen. Auch hier klingt die Band wieder superb und die groovigen, spannend instrumentierten Songs der Band überzeugen voll.

Der wievielte Frühling?

Der Abschluss des Abends ist dann der Auftritt der kurzfristig als Ersatz für Ryan Adams (der aus persönlichen Gründen abgesagt hat) eingesprungenen Element Of Crime. Auch sie sind bereits Headliner des Weekenders gewesen und man kann von einer sehr glücklichen Fügung sprechen, dass sie hier am Start sind.

Ihr neues Album "Schafe, Monster und Mäuse" dominiert die Setlist, alte Favoriten wie "Schwere See", "Mehr als sie erlaubt" oder "Bring den Vorschlaghammer mit" lockern das Programm auf, bis zum Ende hin dann die Klassiker wie "Weißes Papier" kommen, auf die alle gewartet haben. Der alte Schlachtruf "Romantik" zieht noch immer, die Songs, vor allem auch die des sehr guten neuen Albums, überzeugen auch. Ein perfekter Abschluss.

Wir kommen wieder

Der Rolling Stone Park erlebt eine gelungene Premiere. Die Location Europa-Park überzeugt auf allen Ebenen: hervorragende Spielstätten, kurze Wege, hochwertiges gastronomisches Angebot und die Anbindung an den teilweise geöffneten Vergnügungspark bilden eine sehr attraktive Kombination. Und wenn dazu noch ein hochwertiges musikalisches Programm dazukommt, bleiben keine Wünsche mehr offen. 2019 geht es weiter – wir sind gespannt und voller Vorfreude!

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