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Megadeth live in Frankfurt (2016) © Torsten Reitz

In der vollgestopften Frankfurter Batschkapp beweisen Megadeth, dass sie auch nach über dreißig Jahren nicht in Frieden verrosten mögen. Mit einer bombastischen Show im Rahmen ihrer derzeitigen Welttournee festigen die US-Amerikaner ihren Ruf als Thrash Metal-Legende.

Zusammen mit Slayer, Anthrax und Dave Mustaines früherer Band Metallica gehört seine langjährige Formation Megadeth zu den Größen des amerikanischen Thrash Metal. Einst Mitbegründer dieser Stilrichtung, sind die Kalifornier trotz einiger Ausflüge in andere Stilrichtungen seit über drei Jahrzehnten aus der Welt der harten Musik kaum wegzudenken. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die Frankfurter Batschkapp praktisch aus allen Nähten platzt, als das Quartett in seiner neuesten Ausprägung dort aufschlägt, um sein aktuelles Album “Dystopia“ zu promoten.

Verwüstung aus Colorado

Als besondere Gäste haben Megadeth für die deutschen Termine ihrer derzeit laufenden Welttournee ihre Landsmänner von Havok geladen, die bereits ab der ersten Sekunde ihres ungefähr dreiviertelstündigen Support-Sets beweisen wollen, dass sie zurecht im Vorprogramm einer Legende spielen dürfen. Der Vierer aus Denver um den Sänger und Gitarristen David Sanchez kennt keine Gnade und bringt die Halle mit brachialen, zum Headbangen einladenden Thrash- und Speed-Feuerwerken wie “Point Of No Return“ und “From The Cradle To The Grave“ von Beginn an zum Wackeln.

In der Umbauphase zwischen Havok und den Headlinern ertönen Schwermetallklassiker wie “Ace Of Spades“ von Motörhead oder “Island Of Domination“ von Judas Priest vom Band. Die mit weitem Abstand lauteste Resonanz erhält Iron Maidens “Wasted Years“, bei dem die Fans in der Batschkapp während des Refrains aus voller Kehle mitsingen. Gut gelaunt sind die zahlreichen Zuschauer in Erwartung ihrer musikalischen Helden. Immer wieder fordern sie Megadeth im Laufe der etwa halbstündigen Unterbrechung lautstark auf, sich doch endlich auf der Bühne blicken zu lassen.

‚Faust auf Faust, hart, ganz hart‘

Schließlich zollen Dave Mustaine und seine drei Mitstreiter ihrem Wunsch Tribut und legen mit ihrem Klassiker “Hangar 18“ vom ihrem wohl besten Album “Rust In Peace“ gleich fulminant wie farbenfroh los. Es wird erneut laut in der Halle, denn sowohl Band als auch Publikum haben an diesem Abend spürbar Lust auf Hartes. Nachdem Megadeth mit “The Threat Is Real“ den ersten neuen Song vorgestellt haben, greift Mustaine für seine erste Ansage in der Mainmetropole zum Mikrofon und wird direkt mit Liebesbekundungen aus den Tiefen der Batschkapp begrüßt.

Der Bandchef bedankt sich für die großartige Unterstützung durch die Fans und erinnert daran, dass die Gruppe erst kürzlich in Nick Menza auf tragische Weise ein, wie er es nennt, ‘Familienmitglied‘ verloren hat. Der langjährige Drummer verstarb erst vor wenigen Wochen während eines Konzerts seiner Gruppe OHM in Los Angeles. Ihm widmet Mustaine das dritte Stück, “Tornado Of Souls“, ebenfalls von “Rust In Peace“, der ersten Platte, die Menza seinerzeit mit Megadeth aufnahm. Das Publikum ist sowohl der Wortmeldung als auch des Liedes wegen völlig aus dem Häuschen.

(Nicht) alles neu

Nachdem die Band mit “Wake Up Dead“, “In My Darkest Hour“ und “She-Wolf“ zur Freude der Zuschauer drei weitere, altbekannte Songs aus der Phase vor der ersten Auflösung aus dem Köcher gezaubert hat, wechseln sich in der Folgezeit neue Stücke von “Dystopia“ und Klassiker aus dem frühen Arsenal der Band ab. ‘Megadave‘ und seine Mitmusiker wissen eben, was die Fans wollen – und ignorieren wohlweislich sämtliche weiteren Alben seit der Neuformierung. Es scheint fast so, als wolle Mustaine mit der frisch zusammengekommenen Besetzung einen konsequenten Neuanfang wagen.

Ein Händchen für großartige Musiker hat der kreative Kopf der Gruppe Zeit seines Lebens besessen. Nicht umsonst ist schon eine Vielzahl talentierter Tonkünstler in der Reihen Band aktiv gewesen, seien es der bereits erwähnte Menza und der ebenso verstorbene Jazz-Schlagzeuger Gar Samuelson hinter der Schießbude oder der virtuose Marty Friedman und Urgitarrist Chris Poland an der zweiten Streitaxt. Mit seinem langjährigen Basser David Ellefson, Lamb Of God-Drummer Chris Adler und dem Brasilianer Kiko Loureiro hat er einmal mehr eine schlagkräftige Truppe zusammengestellt.

Es wird international

Besonders der neue Saitenmann aus Südamerika hat sichtbar Spaß an der ganzen Sache. Von der ersten Sekunde an rennt er über die Bühne, posiert vor den Zuschauern und interagiert mit dem Publikum. Eingefleischten Metalfans ist Loureiro natürlich seit langem durch seine Stammband Angra ein Begriff. Vor Spielfreude nur so sprühend, dürfte der Brasilianer der vielleicht beste Gitarren-Sidekick sein, den Mustaine in den letzten anderthalb Jahrzehnten hatte. Bei zwei der “Dystopia“-Nummern an diesem Abend darf der Sechssaiter obendrein sein Talent als Songwriter demonstrieren.

David Ellefson präsentiert sich auch in Frankfurt in guter Verfassung wie eh und je. Zusammen mit Mustaine und Loureiro schüttelt er immer wieder seine Mähne. Zudem sorgt er noch dafür, dass auch die Rhythmusgruppe präzise wie ein Schweizer Uhrwerk tickt, obwohl erst kürzlich mit Dirk Verbeuren von Soilwork vorübergehend ein ganz neuer Schlagzeuger hinter dem massiven Drumkit von Megadeth Platz genommen hat. Dass der Belgier ganz frisch mit von der Partie ist, merkt man dabei keineswegs. Immer wieder sorgt er mit kräftigen Double Bass-Gewittern dafür, dass die gesamte Halle bebt.

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Symphonischer Kugelhagel

Auch wenn die Stücke von “Dystopia“ von den Zuschauern sehr wohlwollend aufgenommen werden, sind es natürlich die altbekannten Klassiker, die bei der Menschenmenge eine sehr viel stärkere Resonanz erzeugen. Am lautesten geht es in dieser Hinsicht zunächst bei “Sweating Bullets“ zugange. Das Publikum geht bei den beinahe gesprochen vorgetragenen Strophen fast komplett mit, während Mustaine dank eines Spotlights ganz in weiß erstrahlt. Ebenso viel Applaus und Jubel erhält “Trust“, bei dem sich Verbeuren zunächst alleine auf der Bühne befindet, bevor der Rest wieder dazu stößt.

Laut wird es später wiederum während “Symphony Of Destruction“, denn auch hierbei lassen es sich die Fans nicht nehmen, die Band lautstark zu unterstützen. Megadeth stehen auf einer rot, lila und blau eingefärbten Bühne und geben ihren Riesenhit zum Besten, während die Zuschauer in der fast platzenden Halle jedes einzelne Wort des legendären Songs von Mustaines Lippen übernimmt. Als das Quartett dann den hymnischen Song beendet, ist frenetischer Jubel aus dem proppenvollen Innenraum sowie der ebenso prall gefüllten Empore die einzig logische Konsequenz.

Krieg und Frieden

Daraufhin verlässt die Band kurzzeitig die Bühne. Ellefson kehrt jedoch alsbald zunächst alleine dorthin zurück, reckt die Faust nach oben und fordert das Publikum auf, es ihm gleich zu tun. Die zahlreichen Anwesenden lassen es sich auch nicht nehmen, seinem Appell Folge zu leisten. Als er schließlich das markante Bass-Intro zu “Peace Sells“ anstimmt, brüllt das Publikum im Takt mit. Megadeth fahren für den letzten Song ihres regulären Sets einige Highlights auf. Neben animierten antiken Schriftrollen und Dollarzeichen auf den Videoleinwänden taucht auch noch Maskottchen Vic Rattlehead im Anzug auf.

Nachdem sich die Band erneut verabschiedet hat und es dunkel in der Halle geworden ist, ertönen ‘Megadeth! Megadeth!‘-Sprechchöre. Die Bühne ist in Türkis gehüllt und zeigt das Logo der Gruppe. Mustaine kehrt sodann zurück, bedankt sich ganz artig bei seinem deutschen Publikum für die grandiose Unterstützung und kündigt das finale Lied des Abends an, ein Stück, das zwar alt sein mag, aber leider Gottes weiterhin seine Gültigkeit hat. Gemeint ist damit “Holy Wars… The Punishment Due“, seines Zeichens einmal mehr ein Klassiker vom “Rust In Peace“-Album.

‘Thank you for coming. You were great!‘

Während des Songs mutieren die Videoleinwände im wahrsten Sinne des Wortes zu Flimmerkisten. Einerseits zeigen sie den Fernsehschnee vergangener, analoger Tage. Andererseits ist auf ihnen eine ganze Armada an Kriegsbildern und mittelalterlichen Symbolen zu sehen – ein Indiz dafür, dass die Menschheit im vergangenen Jahrtausend keineswegs schlauer geworden zu sein scheint. Auch seit dem Erscheinen von “Rust In Peace“ gegen Ende des Kalten Krieges hat sich wenig daran geändert, befinden wir uns doch gerade in einer schwierigen, konfliktbeladenen Epoche.

Ausgerechnet bei diesem Highlight verlassen einige allerdings bereits die Halle. Vom Eingang aus betrachtet wird die Batschkapp dadurch jedoch irgendwie kein Stück leerer, so dass man sich schon stark wundern muss, wie all diese Leute wohl in das Gebäude gepasst haben. Selten war die Location so voll wie an diesem Abend. Megadeth sind eben immer noch ein Zugpferd. Man mag zu Mustaines teils recht kontroversen politischen Ansichten stehen wie man mag. Musikalisch betrachtet hat seine Gruppe kein bisschen nachgelassen. Insofern ist auch der Jubel um die Band vollkommen berechtigt.

Setlist

Hangar 18 / The Threat Is Real / Tornado Of Souls / Wake Up Dead / In My Darkest Hour / She-Wolf / Post American World / Sweating Bullets / Poisonous Shadows / Trust / Dystopia / Dawn Patrol / Poison Was The Cure / Fatal Illusion / Symphony Of Destruction / Rattlehead / Peace Sells // Holy Wars… The Punishment Due

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