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Udo Lindenberg (live in Frankfurt 2016) © Rudi Brand

Mit seiner „Keine Panik!“-Tour und dem aktuellen Hit-Album im Gepäck beweist Udo Lindenberg auch ein knappes Jahr nach seinem Frankfurter Monsterkonzert mit einer weiteren grandiosen Show in der aufgeheizten Festhalle erneut, dass er immer noch einen Sonderstatus unter den deutschsprachigen Künstlern innehat.

Udo Lindenberg ist hierzulande mittlerweile eine echte Rock-Institution. Seine drei Stadionkonzerte im vergangenen Jahr bestritt er vor vollen Häusern. Das aktuelle Album „Stärker als die Zeit“ raste Anfang Mai von null auf eins in den deutschen Albumcharts. Es passt dazu, dass ihn seine derzeitige Tournee durch sämtliche großen Hallen und Stadien der „Bunten Republik Deutschland“ führt. Dabei mussten in gleich mehreren Städten wie München, Hannover und Leipzig Zusatztermine anberaumt werden, um der riesigen Nachfrage nach Tickets für den alten Mann mit Hut Herr zu werden.

Auch in Frankfurt gibt es ein solches zweites Konzert, da die Festhalle binnen kürzester Zeit komplett ausverkauft war. Vor den Toren der Arena tummeln sich dennoch zahlreiche Fans, die kurz vor Beginn des Extraabends immer noch händeringend nach Eintrittskarten suchen. Nur die wenigsten dürften dabei allerdings Erfolg haben, denn fast niemand möchte sich die Chance entgehen lassen, Lindenberg in einem Live-Ambiente aus nächster Nähe zu begutachten. Das Interesse an der lebenden Legende, der einzigartigen Marke Udo, scheint weiterhin keine Grenzen zu kennen.

Ab geht die wilde Fahrt

Gab es im letzten Jahr noch Comedian Bülent Ceylan als Anheizer für die Stadien, so haben sich der Panikpräsident und sein Orchester dieses Vorgeplänkel bei den aktuellen Shows geschenkt. Als die Lichter in der Frankfurter Festhalle erlöschen, geht es gleich richtig zur Sache. Unterlegt mit dem Thema aus dem Klassiker „Der Pate“ kündigen die Videoleinwände eine Katastrophe auf See an. Inzwischen beinahe traditionell schwebt die ‚Nachtigall‘ daraufhin auf einem Podest über das Publikum hinweg zu „Odyssee“ in Richtung Bühne. Als er dort endlich ankommt, ist das Stück schon fast beendet.

Zu seinem ersten kompletten Song vor dem Publikum in der Festhalle steckt sich Lindenberg erst einmal genüsslich eine Zigarre an. „Einer muss den Job ja machen“, wie er es selbst mit diesem Lied so trefflich formuliert, und Udo ist genau der richtige Mann dafür. Ohne groß um den heißen Brei herumzureden, begibt er sich direkt wieder in den vorderen Teil der Bühne, zurück auf das Landefeld, auf dem er kurz zuvor angekommen ist. Denn er ist auch mit siebzig wahrhaftig noch eine „Coole Socke“. Ein Gast aus dem Publikum reicht ihm auch dazu passend gleich einen kurzen Strumpf.

Neue Unterstützung und alte Erinnerungen

Natürlich dürfen, wie schon im vergangenen Jahr, die Düsseldorfer Kids on Stage nicht fehlen. An diesem zweiten Abend in der Mainmetropole haben sie ihren ersten Auftritt gleich während der ersten drei Stücke. Bei „Coole Socke“ tanzen, singen und feiern einige Mädchen aus dem Chor ausgelassen mit Udo. In seiner anschließenden ersten Ansage lobt Lindenberg das Frankfurter Publikum, auch für die grandiose Show in der Commerzbank-Arena im Jahr zuvor, und wundert sich, ob er an diesem ersten richtigen Sommertag des Jahres in der Festhalle oder in einer Sauna auftritt.

Dem Publikum macht die Hitze in der Arena derweil wenig zu schaffen. Ausgelassen jubeln die Zuschauer im Innenraum, zahlreiche davon im Udo-Kostüm mit Hut und Sonnenbrille, als der Frankfurter Lokalmatador Daniel Wirtz die Bühne betritt, um Lindenberg anstelle von Clueso bei „Cello“ zu unterstützen. Mithilfe von leicht bekleideten Cellistinnen hinter Schlagzeuger Bertram Engel sowie Artistinnen, die ihre Kunststücke von der Decke herab aufführen, geht das grandiose Showerlebnis weiter. Unten angekommen, besteigt Udo symbolisch gleich eine von ihnen.

Bei der darauffolgenden Ansage berichtet Lindenberg, dass er mit fünfzehn die Schule geschmissen hat, weil das für einen zukünftigen Rockstar genug sei. Dann erwähnt er eine ‚neue Droge‘ namens ‚Udopium‘, gurgelt den obligatorischen Eierlikör und erzählt anschließend von seiner ersten großen Liebe in seiner westfälischen Heimatstadt Gronau, die er neulich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder getroffen habe. Am Ende von „Ich lieb‘ Dich überhaupt nicht mehr“ legt sich Udo am vorderen Rand der Bühne flach auf den Bauch und genehmigt sich erst einmal einen gehörigen Schluck aus der Pulle.

Kein Blatt vor den Mund

Gut aufgelegt wettert Lindenberg dann gegen Nazis, gegen Merkel und den Möchtegernsultan Erdogan, der seiner Meinung nach die Türkei ins Mittelalter zurückversetzt, sowie gegen die AfD und ihren, in seinen Worten, „Gauleiter“. Danach schlägt er vor, mit der ‚Panikpartei‘ eine eigene politische Bewegung ins Leben zu rufen. Seine Meinung in der Hinsicht kundgetan hat Udo schon immer. Daran ändern auch mittlerweile siebzig Lebensjahre nichts. Quietschfidel ist er aber weiterhin. Bei „Rock ‘n‘ Roller“ tanzt er beispielsweise vergnügt inmitten seiner Gitarristen und Backgroundsängerinnen.

Politisch wird es aber im Anschluss wieder, als der Mann mit Hut den Düsseldorfer Kinderchor für die emotionale Antikriegsballade „Wozu sind Kriege da?“ zurück auf die Bühne holt und mit „Straßenfieber“ sowie „Sie brauchen keinen Führer“ seiner Meinung dazu auch musikalisch Ausdruck verleiht. Das Publikum jedenfalls stimmt seinen Ansichten ganz offenkundig zu. Insgesamt erhält Lindenberg an diesem Abend viel Zuspruch. Immer wieder erschallen Sprechchöre wie  „Udo! Udo!“ oder „Panik! Panik!“ und wahre Jubelorgien durch das Rund der vollgepackten Festhalle.

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Viel Unterstützung

Daraufhin ruft die ‚Nachtigall‘ dann mit Josephin Busch den Star seines „Hinterm Horizont“-Musicals auf die Bühne, um ihn bei „Gegen die Strömung“ zu unterstützen. Am Ende des Duetts darf sie sich vor den Augen der Zuschauer gleich einen Kuss auf den Mund bei Udo selbst abholen. Weitere Gäste sind direkt danach der bekannte Gitarrist Carl Carlton, der während „Das kann man ja auch mal so sehen“ die Saiten zwischen Lindenbergs Beinen beackern darf, sowie Stephanie Heinzmann, mit der Udo Heinz Rühmanns „Ich brech‘ die Herzen der stolzesten Frauen“ in einer sehr rockigen Variante schmettert.

Während „Bunte Republik Deutschland“ heißt der Mann mit Hut dann Daniel Wirtz erneut auf der Bühne willkommen. Der frühere Sub7even-Sänger darf sich zunächst an einem Rap zu Ehren Lindenbergs versuchen, um dann gemeinsam mit ihm und Backgroundstimme Ole Feddersen das Stück für mehr Toleranz und ein farbenfroheres Land zum Besten zu geben. Die mit einer bunten Haarpracht ausgestattete Boo Boo, eigentlich für die gesangliche Unterstützung der ‚Nachtigall‘ aus Gronau zuständig, greift speziell hierfür zur Gitarre und packt ein gelungenes Solo auf dem Instrument aus.

Einer muss den Job ja machen

Anlässlich seines 70. Geburtstags vor kurzer Zeit erzählt Udo dann, dass er ja früher immer mit folgendem Motto in Kneipen gegangen sei: „Was muss hier noch weg?“ Er gedenkt den in den vergangenen Monaten verstorbenen Musikgrößen im Himmel wie Lemmy, David Bowie, Prince und Lou Reed und hofft, dass sie dort gemeinsam mit seinem Mentor, dem legendären Konzertveranstalter Fritz Rau als Manager, eine fantastische neue Band gründen mögen. Danach dankt er seinem eigenen Körper mit „Mein Body und ich“ dafür, dass er trotz der vielen Exzesse so lange durchgehalten hat.

Ansonsten entspricht das Programm in der Folgezeit weitgehend dem Set der ‚Panik Party‘ in der Commerzbank-Arena im Jahr zuvor. Für „Das Leben“ holt sich Lindenberg Unterstützung von seinem ‚Lübecker Marzipanmädchen‘ Nathalie Dorra am Mikrofon sowie von Carola Kretschmer an der Gitarre. Ein weiterer Gaststar des Abends ist der Münsteraner „Tatort“-Kommissar Axel Prahl, der mit Lindenberg zusammen die Ankunft des fiktiven Außerirdischen „Gerhard Gösebrecht“ besingt. Das grüne Alien schwebt dann auch aus einer fliegenden Untertasse heraus von der Hallendecke herab.

Aus aktuellem Anlass

Neuerungen im Vergleich zum letzten Mal sind, passend zur Fußball-EM, „Bodo Ballermann“ inklusive im Kickerkostüm verkleideten Tänzerinnen, die bunte Schaumstoffbälle ins Publikum werfen, sowie ein „Eldorado“ vom neuen Album mit teils in Gold, teils in blau gehüllter Bühne im Schlussteil des Konzerts. Der Rest des Abends ist größtenteils ein gigantisches Spektakel. Bei „Honky Tonky Show“ zum Beispiel tanzen mit Mikrofonen bewaffnete Kinder im Udo-Aufzug gemeinsam mit Lindenberg und den Backgroundsängerinnen Nathalie Dorra und Stephanie Crutchfield auf dem Landefeld.

Für „Der Greis ist heiß“ gibt es an diesem Abend schließlich keinen Helge Schneider, dafür aber diverse als in die Jahre Gekommene Maskierte, die für ihr vermeintliches Alter aber noch äußerst frisch wirken. Ihre trotz Krückstock noch vorhandene Agilität stellen sie sogar durch Flip-Flop-Einlagen unter Beweis. Obendrein wird noch Bassist Steffi Stephan von einem der Greise per Rollator ans vordere Ende der Bühne gekarrt. Dann holt Lindenberg Dorra, Busch und Crutchfield ins Sichtfeld, um gemeinsam mit ihnen „Horizont“ anzustimmen. Am Ende bekommt jede der drei noch einen Schmatzer auf den Mund.

Partystimmung allerorts

Udo feiert die, wie er sie nennt, „Panikhauptstadt“ Frankfurt und die Mainmetropole feiert ihn. Nach einem von Lindenbergs Lebensgefährtin Tine Acke geschossenen Foto der Band mit dem Publikum im Hintergrund arbeitet der Mann mit Hut ganz routiniert, aber grandios seine diversen Klassiker ab. Auf „Johnny Controletti“ folgt „Sonderzug mit Pankow“ inklusive Polonäse über die Bühne und russischer Ansage von Gitarrist Hannes Bauer. Bei „Alles klar auf der Andrea Doria“ übergibt Udo schließlich sein Mikrofon zum Singen an ein paar Zuschauer und begibt sich kurz darauf selbst in die vorderen Reihen.

Während des ausgedehnten „Candy Jane“ fliegt die ‚Nachtigall‘ dann in einer Art Käfig über den Köpfen des Publikums umher. Als Lindenberg so seine Runden unter der Hallendecke dreht, fährt ein Schlauchboot mit einem Konfetti verteilenden Gorilla durch die Massen im Innenraum und auf der sowieso schon gut gefüllten Bühne wird es jetzt erst so richtig voll. Sämtliche Mitwirkende, mindestens fünfzig an der Zahl, versammeln sich nun dort. Nach seiner Rückkehr auf den Boden der Tatsachen benötigt der Mann mit Hut dann auch mehrere Minuten, um alle von ihnen vorzustellen.

Das kann man ja auch mal so sehen

Als sich Udo und das Panikorchester nach „Reeperbahn“, „Eldorado“, „Ich schwöre“ und „Woddy Woddy Wodka“ dann mit einem großen Knall in Form eines Feuerwerks verabschieden, ist die Festhalle endgültig zu einer riesigen, ekstatischen Sauna mutiert. Während des gesamten Konzerts sind die Jubelorgien nämlich nie abgeflacht. Standesgemäß schwebt Lindenberg auf die gleiche Weise aus der Halle wie er sie anfangs betreten hat. Der „Udonaut“, wie er sich gelegentlich gerne selbst bezeichnet, hat seine „Sternenreise“ angetreten, jedoch nicht ohne zuvor ein baldiges Wiedersehen anzukündigen.

Ein paar mehr illustre Stargäste, wie Bryan Adams, Otto Waalkes, Stefan Raab, Klaus Doldinger oder Westernhagen in anderen Städten oder Clueso, Adel Tawil, Helge Schneider und Eric Burdon im vergangenen Jahr, wären sicher auch für die Festhalle wünschenswert gewesen. Mit neuen Songs im Gepäck und einer weiterhin grandiosen, knapp dreistündigen Show inklusive Bläsersatz hat Udo Lindenberg seine Reputation als lebende Legende des deutschsprachigen Rock aber nur noch einmal ausgebaut. Unter den hiesigen Künstlern hat er auch mit siebzig Jahren noch die Nase klar vorn.

Setlist

Odyssee / Einer muss den Job ja machen / Mein Ding / Coole Socke (mit Kids on Stage) / Cello (mit Daniel Wirtz) / Ich lieb‘ Dich überhaupt nicht mehr / Durch die schweren Zeiten / Plan B / Rock ‘n‘ Roller / Wozu sind Kriege da (mit Kids on Stage) / Straßenfieber / Sie brauchen keinen Führer / Gegen die Strömung (mit Josephin Busch) / Das kann man ja auch mal so sehen (mit Carl Carlton) / Ich brech‘ die Herzen der stolzesten Frauen (mit Stephanie Heinzmann) / Bunte Republik Deutschland (mit Daniel Wirtz und Ole Feddersen) / Mein Body und ich / Das Leben (mit Nathalie Dorra) / Sternenreise / Gerhard Gösebrecht (mit Axel Prahl) / Honky Tonky Show / Bodo Ballermann / Der Greis ist heiß / Horizont (mit Josephin Busch, Nathalie Dorra und Stephanie Crutchfield) // Bis ans Ende der Welt / Johnny Controletti / Sonderzug nach Pankow / Alles klar auf der Andrea Doria / Candy Jane / Reeperbahn (mit Ole Feddersen) Eldorado / Ich schwöre / Woddy Woddy Wodka

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