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Bülent Ceylan (live SAP Arena Mannheim, 2016) © Akis Konstantinidis

Zweimal in Folge hat Bülent Ceylan die SAP-Arena in seiner Heimatstadt ausverkauft. Mit seiner Show machte er den Erwartungen alle Ehre und lieferte trotz kleinerer Unstimmigkeiten eine astreine Comedy-Show.

Die Show von Bülent Ceylan in der Mannheimer SAP-Arena beginnt so fulminant, wie man es von jemandem, der so große Bühnen gewohnt ist (Wacken!), bei einem Heimspiel erwartet: Metal dröhnt, Pyrotechnik knallt, das Publikum macht ohrenbetäubenden Willkommenslärm. Es ist eine besondere Show an diesem Donnerstagabend, denn Bülents Mutter befindet sich im Publikum, deshalb schöpft der Komiker aus den Vollen und genießt es sichtlich, dass er hier nicht hochdeutsch sprechen muss, um verstanden zu werden.

Nachdem er sich von allen komplett besetzten Rängen einzeln begrüßen lässt, stellt er das Motto seiner Tour "Kronk" vor: "Die Welt is kronk" (hochdeutsch "krank"), erklärt er. Man erwartet komische Reflexionen und Brechungen der bedeutenden Themen der Gegenwart und wird zumindest in der ersten Hälfte nicht enttäuscht.

So deutsch, dass er eigentlich blond ist

Für sein erstes Thema nimmt Bülent unmittelbar das wichtigste und aktuellste Thema auf, für das er als Türkisch-Deutscher idealer Botschafter ist: Rassismus. Er sei Deutscher, postuliert er, so deutsch, dass er eigentlich blond sei. Die Haare seien nur tätowiert. Dann nimmt er sich einen Moment, um in aller Deutlichkeit zu sagen: "Herzlich Willkommen, egal woher ihr seid!"

Dass das nicht Teil des Programms ist oder Verkaufsstrategie, auch kein Stoßdämpfer für seine klischeebeladenen Zoten gegen die verschiedensten Nationalitäten, sondern tatsächlich authentisch gemeinter Appell an humanistische Ideale, glaubt man gerne. Er ist einfach sympathisch, der Türk.

Damit sind die Nettigkeiten aber fürs erste abgehandelt, denn jetzt bekommen alle denkbaren Nationalitäten ihr Fett weg, aufs übelste mit Stereotypen angereichert, doch aber mit der nur Bülent eigenen Herzlichkeit. Über Griechen, Österreicher, Schweizer, Italiener, Albaner, Türken, Schwarze und auch den polnischen Techniker zieht er her. Eine andere "Minderheit" nimmt er ebenfalls aufs Korn: die Veganer, meistens kränkliche, weiße Gestalten, die bald ihre eigenen Veganermärchen (Robinson Tofu, Rote-Beete-Käppchen) in Umlauf bringen werden.

Als erstes kommt Harald, dann Hassan

Das Thema Veganer ruft die erste von Bülents Rollen auf den Plan: Harald. Der erzählt von seinem gescheiterten Annäherungsversuch mit einer Veganerin und dem Konflikt zwischen Fleischessern und Veganern (Salamisten vs. Salatisten) und wünscht sie sich zurück dahin, wo sie hergekommen sind, nach Veganien. Nur die sexuellen Details dieses Erlebnisses spart Harald aus, "wegen de Kinner". Ganz der Moralapostel.

Bülent übernimmt wieder und spricht über das Thema Fitness. Er hat es auf Monnemer Bodybuilder und "uffgebretzelte" Fitnessstudiogänger/-innen abgesehen (von denen wohlgemerkt auch der eine oder andere im Publikum sitzt). Zu dem Thema bittet er dann einen zu Wort, der sich auskennt: Hassan, der "anatolische Hengst", der von den Struggles für seinen Körper erzählt und durch seine plumpe Art begeistert, die auch Kaya Yanars Figur Hakan schon populär machte.

Kronkheit Facebook

Als Bülent zurückkehrt, bedankt er sich zuerst für die "geile Stimmung", bevor er weitermacht, mit etwas, das er auch echt "kronk" findet: Facebook. Er spricht über Facebooksucht und dass man ja auch früher nicht 30 Mal täglich zum Briefkasten gerannt sei, und über den Realitätsverlust, der übertriebene Social Media-Nutzer erwartet. "Genießt das Leben!", fordert er daher, "„Und wenn ihr meiner Meinung seid, gebt mir ein Like!"

Weitere Kronkheiten des digitalen Zeitalters schließen sich an: Selfies, Datensicherung und –Diebstahl, eine Die Nackte Kanone zitierende Siri ("Ich träume von einer Welt, in der Pinguine ohne Aufnahmeprüfung Polizisten werden können"), SMS schreiben beim Sex – auch hier wieder mit kindgerecht inszenierten Darstellungen der Sexualakte, über die er sich selbst genauso amüsiert wie das Publikum. "Jetz bin ich druff, jetz geht’s ab!" verkündet er. Schade eigentlich, dass danach nur ein sehr schlecht verständlicher Facebook-Rap und danach die Pause kommt.

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Die zweite Hälfte und ein Appell gegen Terrorismus

Als es nach der Pause weitergeht, macht Bülent von der Bühne einen Selfie mit einem aufgedrehten Fan, und beweist so erneut, was ihn zum Publikumsliebling macht. Während er noch auf die letzten Brunser (hochdeutsch "Toilettengänger") wartet, verkürzt er sich die Zeit mit ein paar obligatorischen Witzen über seinen Bühnenassistenten Ali (wir berichteten).

Die zweite Hälfte der immer noch starken Show fällt leider nicht so strukturiert und auch nicht so substantiell aus wie die erste.  Es geht zunächst um Alltägliches wie das Einkaufen, Höflichkeit, Anekdoten aus seiner Erziehung und die Schwierigkeiten des Gentlemanseins bei Dates.

Zwischendurch, als er aus der Klischeekiste kurz einen Spruch über Araber holt, hält er kurz inne für einen der serious-Bülent-Momente, vielleicht den wichtigsten des Abends, denn er tangiert sicherlich die Bedenken einiger, die am großen Security-Aufgebot vorbei in die riesige Arena gekommen sind: "Wir dürfen uns von diesen Scheißterroristen nicht das Lachen nehmen lassen." Wenn jetzt einer reinkäme, sagt Bülent, stürbe er eben lachend. Dafür erhält er sehr verdienten Applaus.

Anneliese steht ebenfalls ihre Frau

Dann übernimmt Bülents vielleicht kultigster Charakter: Anneliese. Die wird so sehr von der Stimmung des Heimspiels getragen, dass sie über etliche Minuten nichts weiter machen muss um das Publikum zu erheitern, als Possen und Pöbeleien vorzubringen. "Ich hab des Gefühl in Monnem brauch ich gar kein Text!", sagt sie, beginnt dann von bedeutungsschweren Versprechern gespickt von ihren jüngsten Expeditionen in den Esoterikbereich zu berichten und verkündet, dass sie jetzt offiziell "esoterische Kosmetikerin" sei.

Im Anschluss hat der cholerische Mompfred seinen Auftritt. In bester Rammstein-Manier mit Metal und Flammenwerfer erobert er die Bühne und berichtet von seinen jüngsten Problemen und meint, die Männer werden ihn verstehen: Seine Frau, Waltraut, hat seinen Schrank aufgeräumt.

Es geht dann in pöbelnd-chauvinistischer Art um übliche Geschlechterdifferenzen: Einkaufen, Umkleiden, Brigitte, den Besuch bei der Verwandtschaft und ein bisschen um Pegida. Mompfreds gnadenlos zuschlagende Bummbewasserzong-Rhetorik haucht diesem inhaltlich eigentlich nicht sonderlich spektakulären Teil das nötige Leben ein und das mehr als ausreichend. Ein großer, derber Spaß. Und dass er einen (absichtlichen?) Texthänger mitten im feurigen Auftakt einer Rede in Führermanier hat, fällt dabei wirklich gar nicht ins Gewicht.

Ein sentimentaler Schluss

Mitten im tobenden Comedy-Sturm abundzu innezuhalten und auf die ernsten Hintergründe verschiedener Gags einzugehen, seine erhöhte Position zum Zwecke humanistischer, ja notwendiger Botschaften nutzend, ist eine Tendenz, die Bülent durch das ganze Programm hinweg verwirklicht. Sie ist begrüßenswert, spricht er doch eine Menge Menschen über viele soziale Grenzen wie Ethnien und Bildungsschichten hinaus an, die sich sonst vielleicht eher selten auf den gleichen Veranstaltungen wiederfinden würden.

Leider treibt er sie so weit, dass es letztlich ein stückweit in Kitsch umschlägt. Besonders das Ende der Show hat Bülent sich zu diesem Zweck reserviert. Er vermittelt Botschaften gegen sexuelle Belästigung und gegen Intoleranz und zuletzt auch über den Wert guter Eltern und den der Kinder: "Ohne Kinder ist diese Welt einfach scheiße."

Denkt an die Kinder!

Deshalb hat er sich im letzten Teil noch eine besondere Nummer für das Publikum aufgehoben, mit dem er ohnehin ständig seine Scherze treibt. Drei Kinder (und Jörg) lässt er auf die Bühne kommen, in die Montur seiner Charaktere werfen und dann jeweils einen von deren Schlüsselsätzen aufsagen, die natürlich mit tosendem Applaus belohnt werden.

Dass sie aufgefordert werden, damit Lehrer zu beleidigen, deren Namen sie vorher vor versammeltem Publikum bereitwillig nennen, widerspricht zwar ein wenig Bülents Toleranzpredigt, aber das interessiert eigentlich keinen. Es sind ja Kinder. Denen widmet er auch unter Handylichtsternenhimmel und mit Konfetti das Schlusslied des regulären Programms, eine Rockballade, wie sie, sorry Bülent, dicker aufgetragen nicht sein könnte. Auch wenn er natürlich recht hat.

Standing Ovations

Bei "Ich bin so gerne Monnemer! Kronk!" erntet Bülent schließlich Standing Ovations. Die „richtig lange Zugabe“, die er verspricht, ist eigentlich nicht mehr nötig, rein im ästhetischen Sinne des geschlossenen Werks, denn wie soll sie den Spannungsbogen dieser hervorragenden Show wieder aufgreifen können?

Vielleicht hatte das Programm an sich ein paar Schwachstellen, vielleicht hat Bülent die Moralapostelrolle manchmal etwas überzogen und vielleicht ist er nicht der beste aller aktiven Mannheimer Sänger. Aber getragen von der Stimmung im heimatlichen Monnem, mit Sympathie und natürlichem Humor hat Bülent eine erstklassige Show geliefert.

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