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The Libertines (live beim Lollapalooza 2015 in Berlin) © Julian Reinecke

Die Libertines haben sich nach langer Sendepause endlich zusammengerauft und zurückgemeldet. Nach mehreren Festivalauftritten im letzten Jahr folgte nun eine große Headliner-Tour durch Europa, die sie unter anderem nach Berlin führte. Dabei präsentierte sich die Band so lebendig wie schon lange nicht mehr.

Keine Band ist so unberechenbar wie The Libertines. Sagen und Mythen ranken sich um die Gruppe wie um kaum eine andere, zum einen kultiviert von den vier Briten selbst, zum anderen dadurch, dass man nie so genau weiß, ob sie wirklich ihr Ding durchziehen werden oder doch wieder irgendwo versumpft sind und es nicht zum Auftritt schaffen.

Nach ihrem Comeback scheinen sie ein wenig zuverlässiger geworden zu sein. Die Angst, dass sie nicht auftauchen, ist vor dem Einlass inmitten der wartenden Menge nicht zu spüren. Dennoch: Der typische Apokalypsentalk vorm Konzert ist da. Man sei froh die Band erleben zu dürfen, man wisse ja nicht, wie lange es sie noch geben werde. Knapp vier Stunden später sind die Jünger der Apokalypse verstummt, diese Band scheint unkaputtbar. But first things first.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Schon lange vor dem offiziellen Einlass, ist die Menge vor der Columbiahalle in Berlin beträchtlich angewachsen. Wer früh dort ist, wird belohnt: Noch vor der Vorband wagen sich Carl Barât, Pete Doherty, John Hassall und Gary Powell auf die Bühne, sehr zum Erstaunen des Publikums.

Ohne große Show spielen Pete und Carl den Babyshambles-Song "Albion" und "7 Deadly Sins" vom neuen Album, Hassall und Powell stehen mit Schellenring am Rand und überlassen den anderen beiden bei ihrem Spontan-Gig die Bühne. Das Publikum feiert, und als die Band von der Bühne trabt und Pete noch ein "Have fun with the Libertines" hinterherwirft, sind alle bereits im siebten Himmel angekommen.

Welcome aboard the Good Ship Albion

Die Band Reverend And The Makers hat dann den undankbaren Job zwischen den beiden Libertines-Gigs zu supporten, meistert den Job aber seriös und bringt ordentlich Stimmung in den Laden. Kann man sich mal anhören.

Die Libs lassen noch eine ganze Weile auf sich warten, als sie die Bühne betreten ist aber gleich eines klar: Sie haben nichts an ihrem früheren Flair eingebüßt. Mit dem Opener des neuen Albums "Barbarians" geht es sofort lautstark los, Powell trommelt sich wie immer die Seele aus dem Leib, und Pete und Carl schrammeln auf ihren Gitarren rum, als wären sie nie weg gewesen.

Alte Leidenschaft und neue Songs

Pete sieht überraschend gut aus, der Rest der Band sowieso, der Gig wirkt wesentlich lebendiger als noch der Auftritt beim Lollapalooza im letzten Jahr. Die Energie, die sie auf die Bühne bringen, hält den ganzen Saal auf Trab, es gibt kein Halten mehr. Selbst der sonst bewegungslose Hassall strahlt diese Energie aus; die Band hat sich wieder zusammengefunden – und erscheint stärker als je zuvor.

Vom neuen Album "Anthems For Doomed Youth" spielen sie eine ganze Reihe an Songs, darunter natürlich "Gunga Din", aber auch "Fame and Fortune", "Anthem For Doomed Youth", "Heart of the Matter" und "The Milkman’s Horse". Dabei gibt es zwischendrin die üblichen Faxen zwischen Pete und Carl, mal schreien sie zusammen ins Mikro, mal stecken sie zwischen den Songs die Köpfe zusammen und besprechen sich. Die wiedergewonnene Freundschaft ist allgegenwärtig, da wird einem ganz warm ums Libertines-Herz.

Die eine oder andere Packung Zigaretten

Die Atmosphäre ist trotz des großes Saales intim, nicht zuletzt dank des Auftretens der Band. Mal versemmeln sie ein paar Einsätze, rauchen wie immer zwischendurch die ein oder andere Kippe und hauen den Fans ihre Deutschkenntnisse um die Ohren. Spätestens bei "You’re My Waterloo", das es endlich auf das aktuelle Album geschafft hat, fühlt man sich so, wie man es sich damals bei den Gigs in den Albion Rooms vorgestellt hat. Carl sitzt am Klavier, Pete lehnt lässig da, rauch noch eine Kippe, während die Fans begeistert singen. Dann wird das Lied richtig angestimmt. Die Stimmung könnte besser nicht sein.

Auch die früheren Songs der Band werden natürlich gespielt. Das Publikum kann sich über "The Good Old Days", "Vertigo", "Death on the Stairs" und viele andere Lieder vom ersten Album freuen. Vom zweiten Album schaffen es unter anderem "What Katie Did" oder das grandiose "The Man Who Would Be King" ins Set, letzteres ist definitiv einer der Höhepunkte des Abends. Auch "Can’t Stand Me Now“ darf nicht fehlen, die Menge tobt. Immer wieder schaffen es crowdsurfende Fans nach vorne in den Graben, wo sie von den amüsierten Securities gewissenhaft abtransportiert werden.

Lust auf die Libertines

Pete und Carl geben sich noch immer so rotzig wie früher, kicken Mikrofonständer um und geben sowieso einen Dreck auf alles. Sie haben nichts von ihrer früheren Begeisterung eingebüßt, sie sind da um zu spielen, und das tun sie. Mit "Music When The Lights Go Out" läuten sie nach einer Runde Applaus die Zugabe ein, nach "What A Waster" und "I Get Along" schließen sie mit "Don’t Look Back Into The Sun" den Abend ab. Eine Weile lungern sie noch mit ihrer Libertines-Flagge auf der Bühne rum und feiern sich selbst und die Fans.

Die "Lust of the Libertines" haben alle in den Knochen, diese Band hat Spaß wieder zusammen dabei zu sein. Mit ihrem Auftritt knüpfen sie an ihre frühere Brillanz mühelos an. Eineinhalb Stunden sind wir an Bord der Albion, jetzt heißt es wieder runter vom Schiff und ab in die Realität. Aber wenn man nur ein Viertel von der Energie hier mitnimmt, dann ist der Akku erstmal wieder lange voll. Die "Boys in the Band" haben abgeliefert. 

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