Mutiny On The Bounty (2016)

Mutiny On The Bounty (2016) © Mutiny On The Bounty

Wann besucht man schon mal ein rein instrumentales Rock-Konzert, bei dem nicht ein Wort gesungen wird? Es zeigt sich, dass ein Konzertabend mit Mutiny On The Bounty auch ohne sperrige Satzbrocken Spaß machen kann. Nie hat die wortkarge Symbiose zwischen Mensch und Maschine besser geklungen.

Schon der Support Act Trottoir vermittelt einen guten Eindruck, was die geneigten Besucher des Café Centrals an diesem Abend erwartet: Das Mannheimer Trio sorgt mit solidem instrumentalem Progressive Rock, den sie selbst als Hartkraut bezeichnen, für mehr als nur vereinzelte Kopfnicker.

Trottoir machen Laune auf mehr

Die teilweise bis zu zehnminütigen Stücke besitzen durch ihre abrupten Rhythmus-Wechsel und den starken Kontrast zwischen stark zurückgenommenen piano-Passagen und lauten, krachenden Gitarrenparts eine ungeheure Energie.

Schlagzeuger Daniel stiehlt seinen Kollegen Martin (Gitarre) und Gabor (Bass) durch sein leidenschaftliches Drummen fast die Show. Dennoch agieren die drei Mannheimer als gleichberechtigtes Ganzes, das mit geradlinigem Rock die Zuschauer mehr als überzeugt.

Effektgerät-Flaggschiffe

Während der Umbaupause bildet sich eine kleine Menschentraube vor der Bühne, die die riesigen Effektboards der beiden Gitarristen von Mutiny On The Bounty bestaunt. Die jeweils 20 Einzeleffekte und die augenscheinlich um die 50 verschiedenen Schalter der blinkenden Technik-Ungeheuer lassen selbst erfahrene Musiker ungläubig staunen.

Als das Quartett die Bühne betritt, stellen sich die beiden Gitarristen Nicolas und Clement einander direkt gegenüber auf, da sie aufgrund der Breite der Effektboards (die fast wie vollwertige Bandmitglieder erscheinen) seitlich zum Publikum stehen müssen.

Tanz mit mir, Maschine

Schon von der ersten Minute an wird klar, dass die Effekte keineswegs nur eine Attrappe sind: Vorgefertigte Loops wechseln sich ab mit völlig entfremdeten, atmosphärischen Gitarrensounds. Die sehr konzentrierten Gitarristen ändern mit ihren Füßen im Sekundenabstand ihre Effekte und vollführen so ihren ganz eigenen Tanz mit der Maschine.

Die Songs sind derart perfekt und auf den Punkt gespielt, dass die Band fast genauso klingt wie auf dem Album. Drummer Sacha trägt das gesamte Konzert über einen Kopfhörer, auf dem er das Klicken des Metronoms der einzelnen Stücke hört. Die beiden Gitarristen sind an manchen Stellen derart auf ihre anorganen Lieblinge fixiert, dass sie kaum Zeit finden, sich dem Publikum zuzuwenden. Da drängt sich die Frage auf: Spielen da vier Roboter? Sind Mutiny On The Bounty eine Math-Rock-Version von Kraftwerk? Weit gefehlt!

Mensch UND Maschine!

Angetrieben vom unerbittlich treibenden Hämmern des Ersatz-Bassisten (dessen Namen der Autor bedauerlicherweise zu notieren versäumt hat), lassen sich die Gitarristen aus ihrer technischen Reserviertheit locken und tanzen mit erhobener Gitarre zusammen mit dem Publikum. Nicolas animiert die Zuschauer sogar hin und wieder mit einem Lächeln auf dem verschwitzten Gesicht zum Mitklatschen oder zum beschwingten Mittanzen.

Zu gern lässt man sich von den ostinaten, teilweise mechanisch klingenden Gitarrenmelodien treiben. Als die Lichter dann im schnellen Wechsel aufleuchten, hält man kurz inne. Ist das nicht Discomusik? Den Luxemburgern gelingt der Spagat zwischen mathematischen, kalkulierendem Rock und gut tanzbaren Passagen. Und in diesem Moment wird einem klar: Falls je ein Mensch eine Maschine heiraten sollte, würde als Hochzeitmusik Mutiny On The Bounty laufen.

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