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Dave Gahan & Soulsavers (live in Berlin, 2015) © Johannes Rehorst

Das im Vorfeld mit Spannung erwartete Konzert von Dave Gahan & Soulsavers in Berlin erweist sich als relativ überraschungsarme Angelegenheit, bei der Dave Gahans Bühnenpräsenz alle anderen Aspekte überstrahlt.

Eine von nur sechs Shows weltweit, ein binnen kurzem ausverkauftes Venue, weltweite Übertragung im Livestream: Die Berliner Visite von Dave Gahan und seinen derzeitigen Kollaborateuren, den Soulsavers, war bereits im Vorfeld ein kleines Superlativ. 

Große Erwartungen

Und als am Ende im Rund des Temopodroms Hunderte von Schildern "Thanks for visiting Berlin" bekundeten, dann zeigt das, wie groß die Erwartungshaltung war, die die Fans an das Konzert hatten. Vorab: Diese wurden sicherlich erfüllt, nicht zuletzt, weil die meisten Menschen natürlich aufgrund der Prominenz des Hauptakteurs anwesend waren. Die Loyalität der Fans zu Gahan und seiner Hauptband Depeche Mode ist bekanntlich legendär.

Dennoch kurz einige Worte zur Vorgeschichte der Kollaboration und somit auch zum Konzert in Berlin: Über zehn Jahre machen Rich Machin und Ian Glover alias Soulsavers bereits Musik – zunächst Trip-Hop und ab 2007 dann zwei brillante Alben, auf denen sie Downbeat und Trip Hop gelungen mit Dark Folk, Gospel und Americana verschmolzen.  

Ein Supportslot als Startschuss

Als Gastsänger holten sich die beiden Produzenten wechselnde Sänger, unter anderem Mike Patton und Will Oldham, aber den Großteil der Songs auf "It's Not How Far You Fall, It's the Way You Land" sowie "Broken" wurde getragen von der ebenso düsteren wie unverwechselbaren Stimme von Mark Lanegan. 2009 supportete die Band Depeche Mode auf der "Tour of the Universe", was wohl die Keimzelle für das nächste Stadium war:

2012 wurde der introvertierte Lanegan, der bei Konzerten am liebsten ganz mit dem Bühnenvorhang verschmelzen würde, mit dem Godfather der großen Geste getauscht: Depeche-Mode-Fronter Dave Gahan. Kurzum: Rampensau statt Bühnenautist. Auch das brachte 2012 noch wenig Interesse mit sich – die erste Veröffentlichung "The Light The Dead See" fand nur wenig Beachtung, geisterte hier und da durch die Feuilletons, wo sie durchaus positiv aufgenommen wurde.

Soulsavers im Hintergrund

2015 haben sich die Vorzeichen etwas geändert. Statt unter dem Namen Soulsavers prangt nun Gahans Namen an erster Stelle vor dem &, die nachstehenden Soulsavers wiederum sind inzwischen scheinbar vom Duo zum Ein-Mann-Projekt geschrumpft. Von Ian Glover liest man im Zuge der Veröffentlichung von "Angels & Ghosts" jedenfalls kaum etwas und auf den Promofotos ist ebenfalls nur Rich Machin, die zweite Hälfte des Produzentenduos zu sehen.

In Berlin steht dieser unscheinbar mit Gitarre im Hintergrund, dirigiert von dort aus seine insgesamt siebenköpfige Band mitsamt Background-Chor und gibt gemeinsam mit den Mitmusikern die perfekte Hintergrundkulisse für den Mann, wegen dem der Großteil des Publikums wohl überhaupt erst gekommen ist.

Vom Publikum vergöttert

Im grauen Sakko, die Haare zurückfrisiert, immer ein Lächeln auf den Lippen singt, leidet, windet und klagt sich Dave Gahan durch das anderthalbstündige Set. Es gibt viel Neues zu hören, aber auch einiges vom ersten gemeinsamen Album. Routiniert bis faszinierend kommt das rüber, wenngleich das Konzert mit zunehmender Dauer immer konventioneller wirkt. Die neuen Songs harmonieren gut mit der Charakterstimme und statt kalten DM-Synth-Sounds schwirren Orgelteppiche und geisterhafte Gitarren durch den Raum, klagende Klarinettenklänge, traditionelle Gospel-Arrangements und folkige Akustikgitarren ergänzen sich mit der düstern, oft recht stereotypen Lyrik Gahans. Da ist viel von Gott, Sünde, Vergebung und Liebe die Rede.

Nur die große Pose, die bleibt. Gahan ist eben kein Crooner, sondern er selbst, einer, der die Bühne liebt. Und den das Publikum vergöttert. Das ist für die Soulsavers Fluch und Segen zugleich. Denn die beinahe übermächtige Präsenz des musikalischen Halbgottes macht eine allzu große Entfaltung der Musiker beinahe unmöglich. Vor allem die neueren Songs sind mehr oder weniger auf den Frontmann zugeschnitten, leben von seiner Stimme und live vom Appeal. Dennoch gelingt es den einzelnen Musikern hier und da durchaus, sich von der Dominanz des Sängers zu emanzipieren – vor allem bei den älteren Stücken im Set. An diesen Stellen ist das Konzert auch am Besten: Wenn auf der Bühne nicht der Superstar und seine Begleiter stehen, sondern einfach gleichrangige Musiker.

Der Schatten von Depeche Mode

Doch spätestens im Zugabenblock passiert es: Die Musiker sind für die letzten vier Songs endgültig zur Begleitband degradiert, von einer gleichberechtigten Kollaboration ist nicht mehr viel zu spüren. Stattdessen startet jetzt endgültig die große Dave Gahan-Show. Obwohl sicher noch der eine oder andere Song aus dem gemeinsamen Œuvre vorhanden gewesen wäre (zum Beispiel das überragende "The Longest Day“), bekam das Volk was es verlangt: Viermal Dave Gahan – zwei Songs von früheren Soloalben plus zweimal Depeche Mode. Wobei sich hier die Frage stellt, wer das wirklich braucht. Klar, 90 Prozent des anwesenden Publikums gerieten dadurch endgültig in kollektive Verzückung, schwenkten die bedruckten Schals und hoben fleißig Schildchen in die Höhe, aber sorry: Depeche Mode-Songs klingen dann eben doch am besten, wenn Martin L. Gore und Andrew Fletcher mit von der Partie sind.

Nach der Show hat sich um den Nightliner der Band eine Traube an Fans gebildet, die in der Kälte geduldig darauf warten, einen letzten Blick auf ihr Idol zu werfen. Solche Szenen gäbe es mit einem anderen Sänger sicher nicht. Ob sie im Gegenzug allerdings das Temprodom ausverkaufen würden, das steht woanders geschrieben.

Setlist

In the morning / Shine / You owe me / Tempted / Tonight / All of this & Nothing / Presence of God / Just Try / Don’t Cry / The last Time / My Sun // Kingdom (Dave Gahan) / Dirty Sticky Floors (Dave Gahan) / Condemnation (Depeche Mode) / Walking in my Shoes (Depeche Mode)

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