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Young Fathers (live in Heidelberg, 2015) © Alex Schäfer

Die britische Gruppe Young Fathers brachte am 4. Oktober im Rahmen des Enjoy Jazz Festivals den Karlstorbahnhof zur Ekstase. Innerhalb von nur fünfzig Minuten waren die Gäste durch die beeindruckend einnehmende Bühnenpräsenz des Trios in Euphorie versetzt. Bericht eines Ausnahme-Konzertabends.

Das Enjoy Jazz Festival ist bekannt dafür, auch weit über den Tellerrand hinauszuschauen. Im diesjährigen Lineup gelingt dies mit Acts wie Liturgy, Apparat oder eben den Young Fathers. Der Karlstorbahnhof ist an diesem Sonntagabend zwar nicht ausverkauft, aber gut gefüllt. Das Publikum ist gut durchmischt, wie man es vom Enjoy Jazz kennt.

Viel Nebel und Atmosphäre

Die Vorband Deaths betritt um 21 Uhr die Bühne. Die Gruppe um Wahlberliner Igor Bruso steht nebelumwadert im Halbdunkel der gedimmten Scheinwerfer, die Stimmung ist sehr atmosphärisch. Musikalisch bewegt sich das Quartett zwischen James Blake und The xx. Mal ist Brusos Gesang sehr leidenschaftlich und soulig, mal stehen Synthie und Gitarren im Vordergrund. Meist fügt sich aber alles sehr harmonisch ineinander.

Trotzdem schaffen Deaths es nicht gänzlich zu überzeugen. Sie grenzen sich nicht von anderen Bands dieser Spielart ab – ihnen fehlt das gewisse Etwas. Hinzu kommt, dass die Anlage leider stellenweise ziemlich übersteuert und teils schlicht und ergreifend zu laut ist, besonders während Gitarrenspiels am unteren Ende des Bretts. Dennoch bietet die Band eine stimmungsvolle Einstimmung.

Radikal frontal

Eine halbe Stunde nach Ende der Vorband wird es dann dunkel im Saal. Die Bühne ist bis auf drei Mikrofonständer, eine Tom, einen Synthie und ein minimal besetztes Schlagzeug, das weit hinten steht, völlig leergeräumt. Die Young Fathers betreten die Bühne. Alloysious Massaquoi, Kayus Bankole und 'G' Hastings werden live von Steven Morrison am Schlagzeug unterstützt.

Von Anfang an wird klar, dass hier keine Gefangenen gemacht werden. Das sehr nüchterne Bühnenbild erklärt sich dadurch, dass die drei Musiker den gesamten Raum einnehmen. Keiner bleibt lange an seinem Platz. Es wird getanzt, gesprungen und vor allem gesungen und gerappt. Es ist nicht verwunderlich, dass die musikalische Kategorisierung der Young Fathers oft schwierig fällt. Sie sind alles und nichts.

Die Gewalt der Stimmen

Die Musik kommt aus dem Schlagzeug und der Konserve, wird allerdings live modifiziert. Das Hauptmerkmal sind aber die drei Stimmen auf der Bühne. Diese bewegen sich zwischen harmonischem Dreiklang, aggressivem Sprechgesang oder einfach der Stimme als Instrument, ganz ohne Worte. Darüber hinaus weiß man gar nicht, wo man auf der Bühne hingucken will. Es passiert so viel! Die Young Fathers machen ihre Körper, den Bühnenboden, die Luft im Saal zum Instrument.

Ganz selten gibt es Verschnaufpausen, ruhige Stücke mit klaren Gesang. Dann wieder bewegt der musikalische Unterbau sich zwischen brachialem Beatgeschredder oder stampfender Baseline ohne Schnörkel. Der Funke springt schon im ersten Moment auf das Publikum über. Viele tanzen mit, jede kurze Pause im Programm wird mit lautem Applaus gefüllt.

Ein kurzes Vergnügen

Nach nur fünfzig Minuten ist dann aber Schluss. Trotz fünfminütigem Applaus und Zugaberufen lassen die Young Fathers sich nicht mehr auf die Bühne bewegen. Die Kürze des Auftritts bleibt aber der einzige Wermutstropfen des Abends.

Allen Anwesenden dürfte klar sein, dass sie Zeuge eines Ausnahmekonzerts werden durften. Wenn das Enjoy Jazz so beginnt, darf man gespannt auf die nächsten Konzerte sein.

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