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Bilderbuch (live in Heidelberg, 2015) © Jannik Rulitschka

Bilderbuch deklassieren gerade fast die gesamte einheimische Poplandschaft mit den zwölf Songs ihres Albums "Schick Schock". Große Erwartungen hatten wir deswegen für ihr Konzert in der neuen halle02 Heidelberg.

Während die deutsche Poplandschaft weiterhin eine untote Monstrosität bleibt, die man nicht einmal in der Stadt R'lyeh bestatten möchte, kommen aus einem kleinen Land inmitten (und jenseits) der dunklen, dunklen Alpen Bilderbuch daher. Die Österreicher veröffentlichten zuletzt ihr Album "Schick Schock" und zeigten damit im Handstreich den darbenden Piefke-Kollegen, wie Pop im Jahr 2015 auszusehen hat.

Auf ihrer Headlinertour, die Bilderbuch durch Deutschland, Österreich und die Schweiz führt, macht der Vierer an einem verregneten Sonntag Ende März auch in der Heidelberger halle02 halt. Und verweist, zusammen mit Support Adi Ulmansky, die Mitbewerber um die Popkrone auf ihre Plätze.

If you can make it there...

Warum, zeigt sich gleich am Anfang. Schon Support Adi Ulmansky allein könnte bereits ihre eigene Headlinertour fahren. Nur das mit dem Cover von James Blakes "The Wilhelm Scream" sollte sie sich noch einmal überlegen, denn so richtig zünden will der Song nicht. Ansonsten bringt die Israelin, die manchmal an Robyn erinnert, ihren Electro-Pop mit der Prise Hip-Hop so gut rüber, dass die halle02 ordentlich kocht, eh überhaupt ein Song des Hauptacts über die Bühne gegangen ist. Und das ist beim Heidelberger Publikum oft schon schwierig genug.

Später, bei Bilderbuchs Hymne auf alle Zuckergetränke, "Softdrink", stößt Adi zu den Bilderbuchlern dazu und übernimmt den Rappart. Man sieht sich eben immer zweimal im Leben.

Willkommen im Hallen-Dschungel

In der Umbaupause ist dann noch einmal Zeit, die ganz neue halle02 zu bewundern, die den Charme der alten halle02 nicht verloren hat. Wer vor dem Umbau dort war, und Angst um seine geliebten weißen Hocker mit Lederbezug hatte: Sie sind immer noch da, wie gebaut für die Ewigkeit. Ansonsten ist alles wie früher, nur schöner, durchdachter und mit Toiletten im Innenraum. Allein dafür ein Hoch auf den Fortschritt!

Sich an seinen Getränken festhaltend, bekommt das Publikum schließlich den Anfang von Bilderbuchs "Barry Manilow" um die Ohren gewummert (übrigens ist die Anlage der neuen halle auch sehr sehr schön), nur um dann von den vier jungen Herren mit "Willkommen im Dschungel" begrüßt zu werden. Was das Publikum mit einem Begeisterungssturm beantwortet (für alle Twitterer: Das ist das Gegenteil eines Shitstorms, ihr kennt das wahrscheinlich nicht).

Brian May gefällt das

Sofort fallen zwei Dinge auf. Erstens: Frontmann Maurice Ernst ist, wie schon beim Maifeld Derby 2014, eine Rampensau par excellence. Zweitens: Solch schöne Gitarren hörte man zuletzt im großen Stil, als der ewige Imperator Ming von der Rakete Ajax durchbohrt wurde. Brian May hat bestimmt irgendwo auf Facebook unter ein Bilderbuch-Video ein "Like" gesetzt.

Das gilt selbstredend vor allem für die neuen Songs von "Schick Schock". Das ältere Material, das Bilderbuch hier und da im Set einstreuen, befriedigt nicht dermaßen die Gitarrennerds. Dafür freuen sich alle Heidelberger Sprachwissenschaftler über die gewitzten Texte der Band; Wie da mit Wörtern gespielt wird, hat man schon lange nicht mehr gehört. Würden Bilderbuch aus Hamburg kommen und eine grausige Live-Band sein, das deutsche Feuilleton würde ihnen die Füße waschen. Täglich.

Es trägt den Handschuh auf

Aber weg von all den Inhalten, auch Optik muss beurteilt werden. Maurice Ernst arbeitet sich sprichwörtlich den Arsch auf der Bühne ab. Michael Krammer und Peter Horazdovsky an Gitarre respektive Bass machen mit ihren Instrumenten teils akrobatische Einlagen. Nur von Philipp Scheibl am Schlagzeug sieht man wenig außer dem selbstredenden Schlagzeugieren, aber das liegt vor allem an unserem Standpunkt in der Halle.

Zwischendurch saugt das Publikum jede Ansange von Maurice Ernst auf, was nur teilweise am Dialekt liegt, darüber hinaus aber vor allem an seinem Wortwitz, der überall durchscheint. Als der Mann schließlich im fahlen Licht eines gelben Scheinwerfers Rennfahrerhanschuhe anzieht, gibt es auch für die letzten Miesepeter kein Halten mehr. Denn es ist Zeit für "Maschin", an dessen Musikvideo die Eingeweihten diese Handlung erinnert.

Kurz aber schmerzhaft

Schnell fliegt die Zeit dahin und schnell, ganz ohne Trara und ewiges Warten, befinden wir uns im Zugabenblock des Konzerts. Ganz am Ende weiß natürlich fast jeder, welcher Song bisher gefehlt hat: "OM". Ohne Umschweife geht das Ding auch über die Bühne und nach einer Verbeugung sind die Bilderbuch-Herren auch schon von dieser verschwunden.

Was 2012 seinen Anfang im Häll, nicht unweit von der halle02, nahm (jaja, den Auftritt haben wir alle verpasst) und 2014 einen kleinen Abstecher ins viel schönere Mannheim machte, kam nun wieder zurück nach Heidelberg. Eine kleine Heldenfahrt haben Bilderbuch hinter sich. Hoffentlich geht sie noch etwas weiter.

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