Mario Adorf (2014)

Mario Adorf (2014) © BB Promotion

Mit allen schauspielerischen und gesanglichen Mitteln inszeniert Mario Adorf im Mannheimer Capitol einen humorvollen Rückblick auf seine mehr als siebzigjährige Bühnenkarriere. Aber nicht nur sein Leben steht im Mittelpunkt des Abends.

Was soll ein Schauspieler auf der Bühne wenn nicht schauspielern? Obwohl sich Mario Adorf von den Brettern, die die Welt bedeuten schon vor Jahren verabschiedet hat, vermisst er den täglichen Kontakt mit dem Publikum, den das Theater bietet.

Also inszeniert er sein Leben in amüsanten, häufig urkomischen Anekdoten und Geschichten. Mario Adorf will die Zuschauer zum Lachen bringen, und das gelingt ihm im Verlauf der mehr als zweistündigen Performance ausgezeichnet. Im Alter von fast 85 Jahren wirkt Adorf beneidenswert frisch und gesund. Wenn er dennoch mal kurz ins Stocken gerät, überspielt er die Unsicherheit in Millisekunden mit jahrzehntelanger Routine.

Kraft und Naivität

Wenn er etwa berichtet, wie er bei seiner Schauspielprobe zur Aufnahme an die Otto-Falckenberg-Schule in München voller Übereifer in den Bühnengraben stürzte, biegt sich das Publikum vor Lachen. Später erfährt er, warum er trotz dieses Desasters aufgenommen wurde. Friedrich Domin gefielen seine "Kraft und Naivität".

Mario Adorfs Auftritt bezieht einen nicht geringen Teil seines Reizes aus Adorfs Fähigkeit, Stimmen zu imitieren. Wenn er nachspielt, wie sein aus dem Rheinland stammender Gymnasiallehrer, das morgendliche "Heil Hitler!" an die Klasse bis zum Unkenntlichkeit vernuschelte, wird diese Szene wieder lebendig.

Er singt, spielt und imitiert

Überhaupt beschwört Adorfs Erzählweise die damaligen Geschehnisse in sehr plastischer Form wieder. Dazu trägt bei, dass er natürlich nicht nur erzählt, sondern auch schauspielert und singt, wenn er beispielsweise berichten möchte, dass er bei einer Opernprobe in Zürich kurzerhand alle Gesangsrollen übernahm, da die Sänger allesamt an der Grippe erkrankt waren.

Solche Anekdoten sind einfach nur lustig, hinter anderen verbirgt sich tiefer Ernst, den Adorf allerdings nur andeutet und nicht thematisiert. So erinnert er sich an eine defätistische Hitler-Imitation eines SS-Offiziers während des Aufenthalts in einem Luftschutzkeller in Mayen so gut, dass er noch vermag, die ersten Sätze nachzuahmen. Auch kurz vor Kriegsende war das eine ungeheuerliche Tat, die den stets "aufmüpfigen" Adorf offensichtlich tief beeindruckte.

Zweifacher Hunger

Wie viele andere beschreibt er den Hunger nach Wissen, nach Bildung, den neuesten Entwicklungen in Film, Theater, Musik, den die Kriegsgeneration nach dem Ende des 2. Weltkriegs ergriff. Adorf litt aber auch tatsächlichen Hunger in dieser Zeit. In Deutschland habe es Solidarität gegeben: Menschen teilten Nahrungsmittel mit Fremden oder luden sie zum Essen ein.

Im vom Krieg nicht beeinträchtigten Zürich hingegen habe er sich mit Diebstählen behelfen müssen, um seinen Hunger zu stillen. Wenngleich Adorf diese Geschehnisse humorvoll erzählt, wirken seine Worte dennoch – oder gerade deshalb? – nach.

Gedenken an die Großen

Aber Adorf ist nicht nur gekommen, um aus seinem Leben zu erzählen, er möchte auch an berühmte Schauspieler und Regisseure erinnern, die ihn geprägt haben und die er als seine Vorbilder betrachtete. Dazu zählte Fritz Kortner, der jüdische Schauspieler und Regisseur, der Deutschland 1933 verließ, aber kurz nach dem Krieg zurückkehrte und an den Münchner Kammerspielen eine dauerhafte künstlerische Heimat fand.

Adorf berichtet von seinen Begegnungen mit Kortner, der im persönlichen Umgang scharfzüngig und verletzend sein konnte, was den jungen Adorf veranlasste, es ihm mit gleicher Münze zurückzuzahlen, so dass Kortner ihn aus seinem Ensemble herauswarf – und am nächsten Tag wieder zurückholte.

Humorvoll, nicht belehrend

Mario Adorf erwähnt nicht einmal, dass Kortner Jude war und sich auch in der Bundesrepublik antisemitischer Anfeindungen erwehren musste, rezitiert aber später den berühmten Monolog Shylocks aus Shakespeares Kaufmann von Venedig und führt sein Plädoyer für Toleranz sozusagen durch die Hintertür ein.

Dieser Umstand verdeutlicht Adorfs Bemühen, nicht belehrend, sondern stets humorvoll und freundlich aufzutreten. Einen Zuschauer veranlasst das sogar zum Zwischenruf, dass der "edle Charakter" Adorfs geeignet sei, Frieden zu stiften. Adorf geht darauf nicht ein, schließlich hat er eine Rolle zu spielen und die sieht vor, Bedeutung nur zwischen den Zeilen zu vermitteln.

Früher war alles anders

Nur einmal fällt er aus dieser Rolle, als er abhebt, seine jungen Kollegen zu kritisieren, die nicht mehr in der Lage seien, deutlich zu sprechen, aber gleich nach großen Rollen verlangten. Die Schauspieler seiner Generation hätten sich ihre Sporen erst einmal verdienen müssen. Das vornehmlich ältere, gutsituierte Publikum applaudiert.

Dieser Ausrutscher vermag eine sehr vergnügliche zweistündige Vorstellung nicht zu trüben. Zum Abschluss erheben sich die Zuschauer und spenden Adorf standing ovations. Er hat es wieder einmal geschafft, sein Publikum zu unterhalten.

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