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Am 24. Januar 2015 kamen die Heads zum fünften Mal in die Tapefabrik im Schlachthof Wiesbaden. Ein ausgewähltes Line-up erwartete die Fans, die einen Tag lang Köpfe nickten, Knie wippten und Rhymes kickten.

Bereits eine Stunde nach Beginn des Tagesfestivals Tapefabrik ist im Schlachthof Wiesbaden viel los. Kein Wunder, waren doch sogar die frühen Acts keine unbekannten Größen. Als etwa JAW um 17 Uhr auf der Mainstage steht, ist die Halle bereits zur Hälfte gefüllt. Anfangs noch etwas träge, ist das Publikum gegen Ende des Sets gut dabei und hebt fleißig die Arme im Takt.

Rap aus dem Sauerland und ein Hohepriester

Überhaupt lässt das Line-up nichts zu wünschen übrig. Nach JAW stehen 58Muzik aus Lüdenscheid auf der Bühne, bestehend aus Absztrakkt, Cr7z, Ruffkidd, 2Seiten und DJ Eule. Die Crew legt sich ins Zeug, das Publikum lässt sich nicht lange bitten und nimmt die Vibes auf. Allerdings fällt hier bereits ein Problem auf, das sich noch mehrmals zeigen soll: Wenn mehr als ein MC gleichzeitig rappt, verschwimmt das Stimmbild. Abgesehen von diesem gelegentlichen Abmisch-Mangel überzeugt die Technik aber.

Nach Umse und Deckah, die in ihrem Set mit klassischem Boombap-Rap gewohnt abliefern, kommt Damion Davis auf die Bühne. Besser gesagt, steigt Damion Davis zwischen die Turntables aufs DJ-Pult und eröffnet sein Set von dort. Nachdem er danach mit einem bereitgestellten Fahrrad einige Runden über die Bühne gedreht hat, läuft er im wahrsten Sinne des Wortes über das Publikum.

Auf den Schultern eines Fans stehend und von anderen zusätzlich gestützt, predigt der MC wie ein manischer Hohepriester des HipHop die vier Elemente. Dabei wettert er gegen Faschisten und die Deutsche Bahn gleichermaßen. "Ich war auf dem Weg hierher in drei Zügen, hab ich alle getaggt." Nachdem mitten im Publikum ein spontaner Breakdance-Kreis entsteht, lädt Damion Davis noch zur gemeinsamen Cypher vor dem Schlachthof ein. "Vielleicht kann ich Haftbefehl auch überzeugen."

Viele große Egos

Mit Hiob & Morlockk Dilemma, die anschließend die Bühne einnehmen, kann sicherlich nicht jeder etwas anfangen. Der Großteil des Publikums begrüßt das Duo allerdings höchst euphorisch, besonders wird die Vorstellung eines neuen Tracks gefeiert. Für ein Feature mit Ruffkid wird gleich die komplette Crew von 58Muzik auf die Bühne geholt. Zwischenzeitlich hat dies zwar etwas von einer sehr langsamen Runde "Reise nach Jerusalem", ist aber auch sehr beeindruckend. HipHop lebt von der Vielfalt und dem Nebeneinander vieler großer Egos.

Zwischen den Auftritten unterhält der Rapper Juse Ju als Host der Mainstage das Publikum. Immer wieder verteilt er Goodies oder gibt selbst einmal einen seiner Tracks zum Besten, wie etwa "Vorurteile". Auch abseits der Mainstage passiert viel. In der 60/40-Bar gibt es dieses Jahr erstmalig den Beatfloor, auf dem es nur um eben das ging: Beats. Auf der Second Stage hingegen wird der Untergrund-HipHop gefeiert, besonders stechen hier Döll, Mädness, Sonne Ra sowie die Sichtexot-Crew aus dem LineUp.

"Kaltes, klares Wasser"

Auf der Mainstage stehen nach den Funkverteidigern Zugezogen Maskulin auf dem Programm. Das Berliner Duo, bestehend aus grim104 und Testo, spielt neben zwei Tracks vom kommenden Album "Alles Brennt" auch viele alte Lieder. Die harten, Elektro- und Trap-lastigen Beats nehmen viele Fans im Publikum als Anlass zum wilden Pogo – ein Verhalten, welches man bei HipHop-Events sonst eher selten beobachtet. Nur passend also, dass die beiden MCs selbst wie wahnsinnige über die Bühne fegen und sich in exzentrischer Gestik verdrehen und verbiegen.

Als anschließend Edgar Wasser das Mikro in die Hand nimmt, erreicht die Stimmung endgültig den Siedepunkt. Es gibt wenige MCs in Deutschland, die einen so ausgeklügelten und oft ironischen Humor wie der junge Münchner beherrschen, und diesen auch noch in ausgefallenen Reimen und Wortspielen über die Beats rappen. Thematisch begrenzt er sich dabei kaum, und hält dem über alle Maßen selbst-referentiellen HipHop den Spiegel vor ("Spast zu sagen ist behindert"). Edgar Wasser zählt zweifelsohne zu den besten deutschen MCs unserer Zeit. Hinzu kommt, dass er als einzelner MC nicht von der Doppelstimmigkeit größerer Crews betroffen und somit umso besser zu verstehen ist.

Nicht nur Kohle

Der eigentliche Headliner des Abends ist dann nicht etwa Haftbefehl, der um 0:30 Uhr die Bühne betritt, sondern "Der Ruhrpott ist unendlich". Diese Gruppe besteht aus den Vorzeige-Rappern der wohl schaurig-schönsten Ecke der Republik, allen voran Lakmann One mit seiner aktuellen Crew Witten Untouchable. Daneben sind noch Aphroe und Abs mit von der Partie. Der Ruhrpott überzeugt weiterhin als eines der wichtigsten HipHop-Zentren Deutschlands.

Den Machern der Tapefabrik ist ein rundum gelungenes Festival geglückt. Zwar liegt der Preis dieses Jahr bei knapp 50€, allerdings ist die Veranstaltung jeden Cent wert. Man darf gespannt darauf sein, was sich die Mannschaft für das nächste Jahr vorgenommen hat.