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© Karsten Jahnke

Lange Zeit war es recht still geworden um Interpol: Vier Jahre vergingen nach der Veröffentlichung des selbstbetitelten Albums bis 2014 "El Pintor" erschien, das die Rückkehr der Band feiern sollte. Mit einigen neuen und vielen alten Songs im Gepäck spielen die New Yorker im Kölner Palladium eine solide Show – und bewegen dabei doch meist nur an der Oberfläche.

Als sich Interpol im vergangen Jahr mit ihrer fünften Platte zurückmeldeten, war das keine Selbstverständlichkeit: Nach dem eher mäßig erfolgreichen "Interpol" und dem Ausstieg von Bass-Virtuosen Carlos "D" Dengler schien lange Zeit unklar, wohin es mit der Band gehen sollte.

Kurz vor dem Aus

Hatte ihnen ihr meisterhaftes Debüt 2002 Vergleiche mit Joy Division und The Cure eingebracht, so mutmaßte man jetzt schon heimlich über das bevorstehende Ende der Band. Die künstlerischen Solospaziergänge von Sänger Paul Banks schienen schlimmste Befürchtungen nur zu bestärken.

Um so überraschender kam 2014 also die Ankündigung von "El Pintor". Und da waren sie wieder: mit altbekannter atmosphärischer Schwere, perfektionistischer Ernsthaftigkeit und scheinbar neu freigespielten Räumen für Banks, jetzt zusätzlich am Bass, und Gitarrist Daniel Kessler. Auf Überraschungen und Raffinesse wartet man beim Interpol-Konzert im Kölner Palladium jedoch leider vergeblich.

Überraschend überzeugend: HEALTH

Am Beginn des Abends steht aber zunächst eine positive Überraschung: Begleitet werden Interpol nämlich von HEALTH. Die Noise-Rock Band aus Los Angeles konnte in den vergangen Jahren, unter anderem durch enge Zusammenarbeit mit Crystal Castles zu einiger Aufmerksamkeit gelangen.

Der brechende Sound klingt live deutlich ausdifferenzierter, als man es erwarten würde und der ein oder andere, der sich schon im Vorprogramm einen guten Platz vor der Bühne sichern konnte, unternimmt sogar zaghafte Tanzversuche. Haare diverser Bandmitglieder fliegen durch die Luft, das – ebenfalls überraschend – zarte Stimmchen des Sängers bedankt sich höflich. Und dann heißt es erst einmal warten.

Warten und Hoffen

Während sich die einen die Zeit mit hitzigen Spekulationen über das mögliche Set vertreiben, klagen andere schon über Schmerzen in den Beinen. Logisch, jünger ist hier seit 2002 auch niemand geworden. Eine dreiviertel Stunde streicht ins Land bis Kessler, Banks, Schlagzeuger Sam Fogarino und Live-Unterstützung schließlich die Bühne betreten. Wie gewohnt in klassischem Schwarz und mittelmäßig extrovertiert.

Das "El Pintor"-Cover thront über Bühne, doch wider Erwarten ertönt mit "Say Hello to the Angles" zunächst ein Überhit aus alten Zeiten. Mit den Uptempo-Songs "Anywhere" und "My Blue Supreme" zeigen Interpol dann jedoch, welche Klangkonstrukte sie auch ohne Dengler bauen können, dessen Anteil am Schaffensprozess immer als immens galt.

Großartig Routiniert

Spätestens zu "Evil" kann auch der Letzte im Zuschauerraum mit Textsicherheit glänzen. Es folgen weitere Stücke vom neuen Album, sowie auffällig viele vom Debüt und "Antics", während über den Köpfen der Band eine psychedelische Videoprojektion flimmert.

Ob es Zufall ist, dass ausgerechnet die Platte "Our Love to Admire", die mit Songs wie "The Heinrich Maneuver" ganz besonders durch Denglers tragende Basslinien definiert wurde, beinah gänzlich ignoriert wird, darüber lässt sich nur spekulieren.

Der Funke will nicht überspringen

Mit dem Fortschreiten des Konzerts wirkt die Band jedoch trotz neuer Rollenverteilung zunehmend routiniert. Banks bedankt sich hin und wieder, stellt seine Bandkollegen vor. Ein Zusammenführen der Songs und instrumentale Zwischenspiele, wie sie von den Studioproduktionen nicht vorgesehen sind, bleiben aus. Egal – man freut sich über die alten Songs, tanzt und singt mit. Doch irgendwie beschleicht einen das Gefühl, all das hätte man genau so gut getan, wenn jemand auf einer Party einen Interpol-Hit aufgelegt hätte.

Der Funke, die Intimität, von der die Musik lebt, will nicht überspringen. Das mag unter anderem daran liegen, dass der Tiefgang von Banks Gesang in einem schmetternden, Stadionrock-ähnlichem Sound teilweise schlicht untergeht. Während des sechsminütigen "The New" scheint er zeitweise gänzlich in Soundverzerrungen zu verschwinden. Und auch die Genialität von Kesslers Gitarrenspiel findet nur in minimalen Soloeinlagen, wie in "PDA", Platz und, im wahrsten Sinne des Wortes, Gehör.

Kurz und schmerzlos

Mit diesem Song endet das Set der New Yorker dann auch nach exakt einer Stunde. In den Gesichtern der Zuschauer ist zu erkennen: reichlich früh und unerwartet. Die Zugabe mit der aktuellen Single "All the Rage Back Home" und "Lights", dem einzigen Song vom Vorgängeralbum, beschert dem Publikum noch einmal Mitsing-Momente, reißt das Ruder jedoch auch nicht mehr rum.

Dass Interpol eine großartige Band sind, ist nicht zu bestreiten. Und vermutlich würden auch nur wenige Zuschauer nach diesem Abend behaupten, ein schlechtes Konzert gesehen zu haben. Es wurde gespielt, was die Zuschauer hören wollten. Und doch ist es, als wäre die Band ihrem eigenen Perfektionismus zum Opfer gefallen. Wie in Stein gemeißelt bleibt jeder Song für sich allein, in keinen Zusammenhang eingeordnet. Für Abweichungen von der Routine ist kein Platz. Bleibt nur nur zu hoffen, dass sich Interpol in Zukunft aus ihrer monumentalen Starre befreien können.

Setlist

Say Hello to the Angles | Anywhere | My Blue Supreme | Evil | Leif Erikson | My Desire | The New | Everything Is Wrong | NYC | Breaker 1 | Rest My Chemistry | Slow Hands | Not Even Jail | PDA || All the Rage Back Home | Lights | Stella Was a Diver and She Was Always Down

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