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© Nationaltheater Mannheim

Die Uraufführung von Dietmar Daths "Farbenblinde Arbeit" am 17. Dezember 2014 im Studio Werkhaus des Nationaltheaters Mannheim in der Regie von Robert Teufel überzeugt das Publikum nicht vollkommen. Zwar gerät die Inszenierung größtenteils kurzweilig und unterhaltsam und Dath weiß mit skurrilen Einfällen und interessanten Ideen zu punkten, kann jedoch Spannung und Rhythmus nicht bis zum Ende durchhalten.

Hat nicht jeder sein Päckchen zu tragen? Am Mittwochabend, auf der Studiobühne des Nationaltheater Mannheim ist das der Fall – und zwar in Form eines mächtig schweren Rollkoffers, der die ansteigende Bühnenschräge hinauf muss. Vier Figuren aus "Farbenblinde Arbeit" von Dietmar Dath ächzen und stöhnen, schieben und ziehen, kämpfen sich schwitzend nach oben, wie einst Sisyphus.

"Patsch" macht es am Ende, als die Koffer, einer nach dem anderen, hinter der Bühne zu Boden klatschen. Kaltes, blaustichiges Licht (Damian Chmielarz) beleuchtet die minimalistische Bühne von Friederike Meisel wie einen Labortisch, auf dem der Autor Dietmar Dath seine Figuren tanzen lässt.

Ein Kunstprojekt als Racheplan

Dietmar Dath (Jahrgang 1970), einst Spex-Chefredakteur legt mit "Farbenblinde Arbeit" nach "Regina oder Die Eichhörnchenküsse" (2011) sein zweites Theaterstück für Mannheim vor. Die Story: Wissenschaftlerin Michelle (Isabelle Barth) setzt ihre Mitbewohnerin Sofie (Dascha Trautwein) vor die Tür, damit ihr Bruder Gerald (Matthias Thömmes) bei ihr einziehen kann. Zuvor war die Künstlerin auch schon aus der feministischen Filmgruppe geflogen, weil sie sich nicht den Sprachgepflogenheiten anpassen wollte.

Michelle hat eine Brille erfunden, mit der man bipolare Störungen "ausgleichen" kann. Trägt ein Gesunder sie, sieht er die Welt jedoch verzerrt. Diese Brille möchte Ex-Mitbewohnerin Sofie nutzen, um sich am schleimigen Gefängnisdirektor (Sascha Tuxhorn) zu rächen. Hatte sich doch in seiner Frauenstrafanstalt ihre Schwester Dunja das Leben genommen. Ihren Racheplan tarnt Sofie als Kunstprojekt, mit dem sie eine Revolte anzetteln will.

Nelson Mandela ist eine weiße Frau

So gesittet, wie sich hier die Handlung darstellt, geht es in dem 80-minütigen Einakter von Dath allerdings nicht zu. Nach dem Paukenschlag am Anfang reiht sich eine Szene in loser Folge an die nächste – von skurril über surreal bis schreiend komisch. Wenn Zeus (ebenfalls Tuxhorn) auftritt, fährt er aus einer Nebelschwade empor. Ihm bringt eine Furie (Barth) stetig neue Künstler zum Opfer. Mal einen Möbelkünstler, mal den Schriftsteller Dath höchstpersönlich – humorig gespielt von Trautwein. In einer anderen Szene sammelt Sofie für Opfer und Flüchtlinge und bedrängt einen Mann mit Laptop mit der Behauptung: "Ich bin Nelson Mandela!"

Dietmar Dath flicht Brocken aus Feminismus-Theorien ein ebenso wie hier und da Postmoderne-Debatten über Kunst mitschwingen. Er macht weder davor Halt, die Linksintellektuellen und Gutmenschen durch den Kakao zu ziehen noch sich selbst auf die Schippe zu nehmen, der "halt das Scheiß-Filmressort bei der guten Zeitung" macht.

Vom ICE in den Bummelzug

Dass der Theaterabend trotz bester Schauspielerleistung und interessanter aufgeworfener Fragen über die Gesellschaft, über den Wert von Arbeit, die Freiheit des Einzelnen nicht ganz gelingt, liegt an dem Stück. Nach einer Stunde scheint ihm die Puste auszugehen. Statt theatralisch wird es dann erzählerisch: Gerald und Sofie erklären noch mal eben alles. Wie das war mit Dunja, die von ihrem Chef vergewaltigt wurde und den sie dann mit einem Stein erschlug.

Warum kann Dath das nicht auf die Bühne bringen? Ist ihm die Zeit ausgegangen? Wir sind jedenfalls ausgestiegen aus dem Shinkanzen, ein Bummelzug bringt uns nach Hause. Da kann auch Regisseur Teufel das Ruder nicht mehr herumreißen, der unter anderem mit seiner Inszenierung von "Brilliant Adventures" gezeigt hat, dass er Dynamik beherrscht.

"Farbenblinde Arbeit" – weitere Aufführungen