© Thomas Schermer

Nicht zuletzt dank der Klage durch Ken Jebsen ist die Antilopen Gang derzeit in aller Munde und auch im Feuilleton ein Dauerthema. Im Schlachthof Wiesbaden zeigte das Trio jedoch, dass sie vor allem für eins bekannt sein sollten: Eine verdammt gute Live-Crew zu sein!

Als sich am 18. Dezember um 20 Uhr die Türen des Schlachthofs in Wiesbaden öffnen, ist draußen schon eine Menge los. Das Konzert ist seit Wochen ausverkauft, und so sieht die versammelte Menge auch aus. In der Räucherkammer des Schlachthofs zeichnen sich grob drei verschiedene Gruppen ab: HipHop-Heads, Punker und Teenies. Wie diese Mischung funktioniert, wird sich noch zeigen. Jedenfalls ist der Saal schon nach kurzer Zeit rappelvoll.

"Stacheldraht und Schießscharten"

Pünktlich um 21 Uhr kommt Panik Panzer von der Gang auf die Bühne, um den Support-Act Form aus Mainz anzukündigen. Dieser kommt im ausgeleierten "Helge and the Firefuckers"-Shirt auf die Bühne und überzeugt allein dadurch. Neben ihm stehen zwei Tänzer in gewagt-extravaganten Outfits, die im Laufe des Auftrittes diverses Indoor-Feuerwerk abfeiern, was gut zu den größtenteils elektronischen Beats passt.

Im krassen Gegensatz dazu stehen allerdings Forms Texte. Ähnlich der Antilopen Gang schlägt er einen Haufen gesellschaftskritischer Töne an und bewegt sich dabei in einem Themenfeld von Gentrifizierung, Querfront und Flüchtlingsdebatte. Er erinnert dabei sowohl an grim104, als auch vom Flow her an Yassin. Leider scheint das Publikum den Texten nicht folgen zu können oder wollen, jedenfalls springt der Funke nicht über. Form hätte für seinen gut halbstündigen Auftritt definitv mehr verdient.

"Ich hab' nix zu sagen, dafür steh' ich mit meinem Namen"

Nach einer kurzen Pause beginnt um kurz vor 22 Uhr das Set der Antilopen Gang. Den Anfang macht der Opener des neuen Albums, "Die neue Antilopen Gang". Die gitarrenlastigen Beats zeigen ihre Wirkung von Anfang an, das Publikum hat Bock, mittig vor der Bühne kann man die ersten, schüchternen Pogo-Versuche beobachten. Anschließend folgen nicht etwa Tracks vom neuen Album, sondern einige Songs der "Aschenbecher"-EP. Die Parts des 2013 verstorbenen NMZS werden hierbei bewusst ausgelassen.

Das Publikum ist geschlossen textsicher, auch bei den älteren Songs. Auch, wenn fraglich ist, ob alle Besucher die Referenz "Deutschrap muss sterben, damit wir leben können", zuordnen können, mitgerappt wird in jedem Fall. Und so kommt auch eine gute Ladung Punkkonzert-Stimmung in den Schlachthof. Dieselbe Attitüde schlägt durch, als Danger Dan zu Beginn eines Stücks zum Wasserlassen backstage verschwindet, aber das Mikro mitnimmt und ordnungsgemäß weiterrappt.

Wegen der Sicherheit

Danger ist auch für die Sicherheit zuständig und gibt Tips für Leute, die "mit 14 ihre AZ-Sozialisation verpasst haben". Und so ist es eine Völkerverständigung im Kleinen, als es heißt: "Liebe HipHopper! Wenn die Punks euch schubsen, meinen die das nicht böse. Die tanzen so. Und liebe Punker! Wenn die HipHopper den Arm auf und ab ruden, meinen die das auch nicht böse. Das machen die so." Nach diversen Zwischenrufen in die Ansage folgt von Danger Dan noch ein sympathisches "Ich hasse die pubertierenden Teenie-Mädels!" – so viel zum Thema Anbiederung an die Masse.

Der Song "Beate Zschäpe hört U2" wird mit einer Ansage über die gerade laufende Klage von Ken "FM" Jebsen und einen von Rechtsrapper MaKss Damage erhaltenen Disstrack eingeleitet. Koljah resümiert, man müsse irgendetwas richtig gemacht haben, wenn ausgerechnet aus dieser Richtung Gegenwind kommt. Recht hat er!

Der Siedepunkt

Mit dem aktuellen Hit kocht die Stimmung im Schlachthof endgültig über. Mittlerweile hat sich ein amtlicher Pogo vor der Bühne gebildet, weiter hinten wird mit dem Kopf genickt. Die Luft wird zunehmend dicker, die Laune ausgelassener zwischendurch sieht man einzelne Besucher am Deckengestänge Klimmzüge absolvieren. Die Temperatur steigt und steigt und steigt. Nach gut 90 Minuten folgt "Wir wollen keine Bullenschweine" von Slime als Zugabe.

Man weiß nicht wirklich, ob es nun ein Punk- oder HipHop-Konzert war. Vermutlich beides, und das sehr gelungen. Die Gang rappt sich durch ihre gesamte Diskographie bis hin zu "Spastik Desaster", das Publikum kann ausnahmslos mitrappen. Entgegen diverser Vorwürfe biedern sich die Antilopen nicht an die Masse an, sondern beweisen einmal mehr, dass sie jahrelange Live-Erfahrung haben und einen Club ordentlich abreißen können.

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