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Udo Jürgens (live in Köln, 2014) © Tom Teubner

In der SAP Arena in Mannheim beeindruckt Udo Jürgens mit seiner thematischen und musikalischen Vielseitigkeit. Weniger beeindruckend gerät die Atmosphäre des Konzerts, vor allem aufgrund des lahmen Publikums.

Udo Jürgens feiert seinen achtzigsten Geburtstag mit einer Riesentour durch Deutschland und die Nachbarländer, die bis weit ins Jahr 2015 andauern soll. Damit hat der Sänger sich ein beeindruckendes Programm auferlegt.

Ernste Gedanken

Was ihn antreibt, ist nicht schwer zu ergründen: "Ich brauche Hilfe", gibt er selbst zu, nämlich die Anerkennung des Publikums. Aber es gibt noch eine andere Motivation: Udo Jürgens hat etwas zu sagen. Er möchte Themen ansprechen, die ihm wichtig sind – ungewöhnlich für Musik, die gewöhnlich als Schlager bezeichnet wird, denn diese zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die Inhalte mit der Realität oder dem tatsächlichem Empfinden nichts zu tun haben.

Udo Jürgens hingegen hat viel nachgedacht, viel gegrübelt und ist entschlossen, diese Gedanken mit dem Publikum in manchmal etwas umständlichen Dialogen zu teilen. Er probe seine Ansagen nie, erklärt er. Gerade das ermöglicht einen Einblick in seine Gedankenwelt, die von tiefer Skepsis gegenüber staatlichen Überwachungsmaßnahmen ("Der gläserne Mensch"), Religionen (Teile der symphonischen Komposition "Die Krone der Schöpfung"), dem männlichen Geschlecht ("Der Mann ist das Problem") und sich selbst gekennzeichnet ist ("Was ich gerne wär' für dich").

Gehemmtes Publikum

Dazu passt, dass Udo Jürgens erklärt, er habe vielleicht zu viele Liebeslieder geschrieben, vermutlich weil das im Schlager einfach dazugehört. So gibt es auch ein paar aus dieser Kategorie ("Alles aus Liebe", "Die Sonne und du"), aber sie sind eher schmückendes Beiwerk. Natürlich ist Udo Jürgens' Stimme mit 80 Jahren nicht mehr so geschmeidig oder ausdrucksstark wie in früheren Jahren, aber insgesamt trägt sie das mit Pause fast dreistündige Konzert ohne größere Probleme.

Das Publikum reagiert allerdings eher verhalten. Der Applaus ist eher kurz und höflich als enthusiastisch, echte Euphorie kommt während des gesamten Abends nicht auf – trotz des Bühnensturms. Den meisten Applaus erhalten "Die Krone der Schöpfung" sowie die Klassiker in der zweiten Hälfte. Vielleicht haben sich die Zuschauer mehr Udo Jürgens-Schlagerheiligkeit versprochen, vielleicht sind sie etwas ermattet in der viel zu warmen Halle. Jedenfalls sind sie nicht gekommen, um die starke Perforamance von "Der gekaufte Drachen" zu bejubeln.

Überraschend gute neue Songs

Dabei gäbe es allerhand zu feiern, beispielsweise die überraschend guten neuen Songs von seinem aktuellen Album "Mitten im Leben". Der gewohnt fürchterlichen Schlagerproduktion entkleidet, gewinnen Lieder wie "Was ich gerne wär' für dich", "Das Leben bist du" oder "Mein Ziel" an Klasse. Weitere Höhepunkte sind die Klassiker "Tausend Jahre sind ein Tag", "Griechischer Wein" und "Ich war noch niemals in New York", bei dem die Melancholie mit Händen zu greifen ist. Dann kommt ausnahmsweise auch mal wirklich Stimmung in der Halle auf.

Anschließend setzt sich das Publikum in Bewegung, da Udo Jürgens darum gebeten hat, dass der obligatorische Sturm zur Bühne erst nach "Griechischer Wein" stattfindet. Es folgen die gewohnten Medleys, in denen die Lieder wenigstens angespielt werden, die jeder Besucher erwartet: "Ein ehrenwertes Haus", "Aber bitte mit Sahne" und "Mit 66 Jahren". Dazu gibt es den Titelsong der neuen Platte, den man sich vollständig gewünscht hätte.

Die Einsamkeit des Künstlers

Nach der gewohnten Bademantel-Zugabe und einem weiteren Medley erscheint Udo Jürgens in Jeans und mit etwas (absichtlich) derangiertem Hemd auf der Bühne, um sich mit einem letzten Lied von seinem Publikum zu verabschieden: "Zehn nach elf" behandelt die Einsamkeit des Künstlers nach dem Auftritt, die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit jenseits von Applaus. Es ist großartig.

Aber die Zuschauer verpassen auch diese Gelegenheit, Udo Jürgens noch einmal richtig zu feiern. Als das Licht angeht und Udo Jürgens nochmal auf die Bühne kommt um sich von den Fans in den vorderen Reihen zu verabschieden, befinden sich viele schon auf dem Nachhauseweg.

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