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Elvis Costello (live in Hamburg, 2014) © Falk Simon

Zweieinhalb Stunden unterhält Elvis Costello seine Fans in der bestenfalls halbgefüllten Phönix-Halle in Mainz. Umso erfreulicher ist die Intensität seines Auftritts. Für das Überraschungsmoment sorgen allerdings zwei junge Damen aus der Nähe von Atlanta.

Manchmal sind Vorgruppen einfach nur ein unnötiges Ärgernis, das den Abend länger werden lässt und nicht zu dessen Qualität beiträgt. Dieser Abend ist keiner von dieser Sorte. Als Support spielen Larkin Poe aus Calhoun, Georgia, einen kleinen Ort nördlich von Atlanta.

Starke Schwestern

Hinter dem Bandnamen verbergen sich die Schwestern Rebecca und Megan Lovell, die mit Mandoline und Lapsteel gleich in eine beeindruckende Version des Gospels "Wade In The Water" einsteigen. Rebecca zeigt von den ersten Tönen an, dass sie über eine starke Stimme verfügt und die verzerrten Lapsteel-Licks, die Megan dazu einwirft, wären wohl ganz nach dem Geschmack eines Jack White.

Zu räsonieren, dass die beiden Schwestern vor allem mit ihrer äußerlichen Attraktivität punkten, wäre vermessen – zu überzeugend ist ihr musikalisches Talent und die Arrangements, mit denen sie zu zweit das Publikum sofort begeistern. Neben Songs aus ihrem just erschienenen Debüt-Album "Kin", spielen sie auch noch eine düstere Version von Nancy Sinatras "Bang Bang". Als sie nach 40 Minuten ihr Set beenden, wünscht man sich, noch mehr von ihnen hören zu können – ein Wunsch, der sich noch ausgiebig erfüllen sollte.

Überfallartig auf der Bühne

Ohne große Ankündigung stürmt dann Elvis Costello auf die Bühne und während viele Zuschauer überrascht schnell aus dem Foyer in den Saal eilen, legt er bereits mit einer starken Version von "45" los. Die akustische Gitarre hat auch einen Signalweg in die E-Gitarrenverstärker, so dass sein Sound einerseits akustisch brillant, aber auch kraftvoll verzerrt klingt. Überhaupt muss man Costello attestieren, dass er auf seinem Solokonzert darauf achtet, seine Gitarren sehr unterschiedlich einzusetzen und so die Gefahr eintönig zu klingen minimiert.

Als zusätzliches Gimmick hat er Loop-Pedale, mit dem er das just Gespielte sampelt und loopt, so dass er mit sich selbst mehrstimmig spielen kann. Auf sehr spannende Weise setzt er diesen Effekt bei "Green Shirt" ein – später wird er manche Songs durch massive Noise-Orgien fast überladen. Zunächst begrüßt er jedoch das Mainzer Publikum und stellt als Motto für diesen Sonntagabend "Songs of exile" in den Raum, der, wie er anmerkt, ja auch ein Exil sei, denn er habe die Ordner angewiesen die Türen zu versperren.

Anspruchsvolle Mischung

Die Songauswahl variiert durchaus von Konzert zu Konzert, an diesem Abend gibt es eine für das Publikum durchaus anspruchsvolle Mischung, die zwar nahezu alle Phasen seiner Karriere berücksichtigt, aber mit vielen Songs gespickt ist, die wohl nur die Costello-Experten kennen, so etwa "Ascension Day" von seiner Kollaboration mit Allen Toussaint "The River In Reverse" oder "My Dark Life", das damals nur auf einer wenig bekannten Compilation seiner Warner-Jahre in den 90s erschien.

Gerade mit so langen und sperrigen Songs wie "My Dark Life" fordert er die Geduld der Zuhörer heraus. Entweder sind jedoch genug dankbare Hardcore-Fans anwesend, die sich gerade über die ausgefallenen Songs freuen oder er hat einfach Glück, dass das Publikum aufgeschlossen für solche Momente ist. Über das ganze Konzert hat man durchaus das Gefühl, dass Costello ein gewisses Vergnügen daran findet, die Zuhörer auf die Probe zu stellen – eine Probe, die das Publikum aber durchaus zur Zufriedenheit des Sängers zu meistern scheint.

Flexible Reaktionen und spannende Anekdoten

Der Charme eines Solokonzertes besteht immer auch darin, dass der Künstler sehr flexibel auf das Publikum reagieren kann. So veranlasst eine umkippende Flasche ihn dazu das Merle Haggard-Cover "Tonight The Bottle Let Me Down" spontan zum besten zu geben. Außerdem lässt das Konzept der Soloshow natürlich Raum für Ansagen und diesen Raum nutzt Costello um sehr unterhaltsame und auch spannende Anekdoten über seinen Vater und seinen Großvater zu erzählen, die beide auch Musiker waren.

Oder er berichtet von seiner Frau, die wahrscheinlich gerade zuhause sitzt, Karten spielt und Brandy mit ihren 7-jährigen Zwillingssöhnen trinkt ("We're training them up to go into show-business, that's why we called them Hank and Frank so they can be a double-act!")

Halbzeitpause nach 80 Minuten!

Mit einer ohne Mikrofonverstärkung in den Saal gesungenen Version von "Alison" endet das reguläre Set nach 80 Minuten. Dass man hier auch von einer Halbzeitpause reden könnte, ahnt wohl noch keiner im Publikum. Nach einer kurzen Pause kehrt Costello mit den beiden Lovell-Schwestern zurück auf die Bühne und steigt mit einer stampfenden Version von " Pads, Paws and Claws" vom Album "Spike" ein.

Die beiden jungen Damen harmonieren prächtig mit dem nicht mehr ganz so jungen Troubadour, es zeigt sich, dass sie in den letzten fünf Jahren Costello schon oft begleitet haben.  Rebecca singt wunderbare zweite Stimmen und Megans Steelguitar-Licks bringen entscheidende Würze in den Sound. Ganz hervorragend geraten vor allem zwei alte Costello-Faves: "Indoor Fireworks" und "Brilliant Mistake".

Neue Sounds aus dem Keller

Der gemeinsame Auftritt der drei dauert eine dreiviertel Stunde und enthält auch einige Songs aus dem "neuen" Album, auf dem Costello gemeinsam mit T-Bone Burnett und anderen Künstlern unveröffentlichte Bob Dylan-Texte aus der Zeit nach seinem Motorradunfall 1966 für ein Album namens "New Basement Tapes" vertont hat.

Insgesamt vier Songs aus dieser Sammlung gibt es an diesem Abend zu hören – vielversprechendes Material, in der Begleitung von Larkin Poe exzellent umgesetzt. Mit dem ebenfalls aus der Feder von Dylan stammenden "Six Months In Kansas City", das für den Refrain massiv Joe Cockers Version von "With A Little Help From My Friends" zitiert, endet dieses Zugabenset.

Zweieinhalb Stunden, 35 Songs

Aber Costello kehrt noch einmal auf die Bühne zurück. Zunächst spielt er mit "Oliver's Army" einen seiner bekanntesten Songs, anschließend performt er am E-Piano das fragile und heftig umjubelte "Shipbuildung". Für das großartige "Scarlett Tide" holt er Larkin Poe auf die Bühne zurück, die ihm auch bei der wilden, mitreißenden Version von "(What's So Funny About) Peace love and understanding" begleiten.

35 Songs sind es, die am Ende des Abends zu Buche stehen. Die Geduld des Mainzer Publikums in der ersten Hälfte hat sich mehr als ausgezahlt. Es wurde in der Tat spät. Aber es hat sich gelohnt!

Setlist

45 | Green Shirt | Either Side Of The Same Town | Veronica | Watch Your Step | Ascension Day | New Amsterdam / You've Got To Hide Your Love Away | Married To My Hack | My Dark Life | Tonight The Bottle Let Me Down | Everyday I Write The Book | Walking My Baby Back Home | Ghost Train | Almost Blue | Wave A White Flag | She | Watching The Detectives | Alison

Pads, Paws And Claws | Love Field | Turpentine | Indoor Fireworks | Brilliant Mistake | Golden Tom - Silver Judas | That's Not The Part Of Him You're Leaving | Blame It On Cain | Lost On The River | Six Months In Kansas City

Jimmy Standing In The Rain | Oliver's Army | Shipbuilding | Everybody's Crying Mercy | The Scarlet Tide | (What's So Funny About) Peace Love And Understanding

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