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Quilt überzeugen bei ihrer zweiten Deutschland-Tournee in Darmstadt mit einer famosen Melange aus Folk und milder Psychedelika und verlieren trotz großer Vorbilder die eigene Individualität nie aus den Augen.

Im stimmungsvollen Vintage-Ambiente bei Culture-Concerts-Cooking von Animalistics im Hoffart-Theater im Herzen Damstadts haben sich kurz vor Beginn des Supports Van Hazy rund 80 Zuschauer versammelt. Das kleine, als Verein geführte Theater mit den steil abfallenden Rängen ist damit fast ganz gefüllt und verströmt dennoch samtige Wohnzimmeratmosphäre.

Van Hazy als Support

Das Bamberger Trio Van Hazy bietet als "Anheizer" ein halbstündiges Set, das einen guten Einblick in ihr Terrain des "Neo-Psychedelic & Stoner-Pop" bietet. Sänger und Gitarrist Marco Janisch lässt seine Gitarre in bester Tradition britischer Vorbilder wie Spacemen 3 oder Jesus & Mary Chain aufheulen. Gemeinsam bilden Janisch, Eva Bäumel (Keyboard, Bass) und Drummer Frank Schücker ein kompaktes Trio, das die Zuschauer zunehmend begeistert. Van Hazy: eine hoffnungsvolle junge Deutsche Band aus Bamberg, die man im Auge behalten sollte.

Anna & The Influences

Pünktlich um 20.45 Uhr beginnen Quilt aus Boston ihr Set. Von der ersten Minute an ist jedem Anwesenden klar, dass diese Band ein eine ganz besondere Ausstrahlung besitzt, die vor allem an Sängerin und Multiinstrumentalistin Anna Fox Rochinski festzumachen ist.

Kämpft die kleine, zierliche Person anfänglich noch mit ein paar Unebenheiten bezüglich ihres Gesangs, gewinnt Ihre Ausstrahlung spürbar von Song zu Song und entwickelt eine eigene Magie. Ihr Frontpartner ist Shane Butler, Gitarrist und Sänger von Quilt, der ihre Stimme kongenial ergänzt und seine Gitarre in seliger Byrds-Manier schweben lässt. Neben Gründungsmitglied John Andrews, der grundsolide Schlagzeug spielt und fast alle Backing-Vocals übernimmt, wird die Band auf Tour durch Bassist Keven Lareau unterstützt.

Unbekannte Einflüsse

Die Musik von Quilt zu beschreiben, gleicht der Quadratur des Kreises. Ein wichtiger Einfluss der Band aus Boston sind Rain Parade, die Vorreiter des psychedelischen Indie-Pops und Paisley Undergrounds der frühen Achtziger. Ebenso erkennbar ist die versponnene Psychedelika von Syd Barrett nach seinem Ausstieg bei Pink Floyd.

Die Musik von Quilt birgt zudem wesentliche Einflüsse des tiefenentspannten US-Westcoast Rock der Siebziger in sich und scheut sich schließlich nicht, britische Folk-Größen wie Fairport Convention und Steeleye Span, gerade in den Gesangsharmonien, überdeutlich zu zitieren. Der letzte Aspekt, sei der Band überhaupt nicht bewusst gewesen als man vor vier Jahren anfing, gemeinsam Musik zu machen: "Wir kannten diese Bands anfänglich überhaupt nicht, wurden aber immer wieder auf die Parallelen hingewiesen", sagt Butler gegenüber regioactive später.

Altes und neues Material in kompaktem Gewand

Die Musik der Band fließt herrlich unaufgeregt daher, lediglich durchbrochen von Annas dezenten Korg-Keyboards und torpediert durch Butlers Gitarrenausbrüche, die nicht selten an Roger McGuinn oder Neil Young gemahnen, jedoch nie aus dem Ruder laufen. Überhaupt ist es faszinierend, Butler zuzuschauen wie er lässig tänzelnd, völlig in "seiner" Musik aufgeht und auch gesanglich beeindruckt.

Quilt spielen nahezu das gesamte 2014 erschienene zweite Album "Held in Splendor", wobei die Stücke live noch an Tiefe gewinnen. Alles wirkt wie aus einem Guss, frei nach Neil Youngs alter Hippie-These: "It’s all one song, you know?!" Besonders eingängig geraten dabei trotzdem Annas Paradestück "Tie Up The Tides", "Eye Of  The Pearl" und die letztjährige Single "Arctic Shark". Alles Hits in einem nicht existierenden Paralleluniversum. Ergänzt wird die Setlist durch einige Stücke der frühen Bandphase, wie "Young Gold" und "Cowboys In The Void", die ebenfalls kompakter, griffiger und strukturierter wirken als auf Platte. 

Sound, Vision & Future

Überhaupt hält sich der improvisierende Charakter, welcher der Band nachgesagt wird, an diesem Abend in Grenzen. Alles ist wohldosiert, nie ausufernd oder effektheischend und immer Mittel zum Zweck, die meist einfachen und eingängigen Melodien auf eine höhere Ebene zu bringen. Die Texte handeln archaisch vom universellen Ganzen, Natur und menschlichen Obsessionen.

Nach 75 Minuten inklusiver einer Zugabe ist Schluss und das meist junge Publikum spendet begeistert Applaus. Jeder merkt, dass solche magischen Momente im heutigen schnelllebigen Musikmarkt nicht selbstverständlich sind.

Popmusik jenseits von Casting-Shows

The Quilt touren gerade zum zweiten Mal in diesem Jahr durch Europa und gönnen sich anschließend eine Pause, um im nächsten Jahr mit neuen Ideen ihr drittes Album aufzunehmen, von dem man schon jetzt einen nochmaligen Sprung in der Entwicklung der Band erwarten darf. 

Es bleibt zu hoffen, dass sich das Hoffart-Theater als Location für Acts jenseits des Mainstreams noch mehr etabliert. Die Voraussetzungen sind sehr gut, denn die südhessische Kulturregion braucht mehr Veranstaltungen, die Popmusik bietet, die mehr will als nur "5 Sekunden im Rampenlicht einer Casting Show".