Placebo (live beim Rock'n'Heim, 2014) Fotostrecke starten

Placebo (live beim Rock'n'Heim, 2014) © Achim Casper

Einen würdigen Abschluss fand die zweite Ausgabe von Rock'n'Heim am Sonntag: Sie bot gute Acts bei prima Stimmung und sogar Petrus scheint ein Fan geworden zu sein. Dank seines abwechslungsreichen Line-Up macht das Festival schon jetzt Lust aufs nächste Jahr.

Beginnen wir wie üblich mit dem Wetter: endlich gut, endlich trocken! Die Sonne kommt durch und die Festivalwelt strahlt. Zudem scheint es auch am letzten Tag voller zu sein als an den vorigen Tagen. Wahrscheinlich haben sich einige Kurzentschlossene überlegt, diesen schönen Sonntag doch bei Rock'n'Heim zu verbringen.

Wetter und Stimmung prima

Eine gute Entscheidung, denn auch das Programm an diesem Abschlusstag klingt vielversprechender als am Vortag. Vor allem ist die Auswahl größer und durch die Überschneidungen der Gigs auf den beiden Bühnen entstehen nicht so lange Pausen, was der Stimmung eindeutig zuträglich ist.

Von dem frühen Besucherandrang profitieren auch A Day To Remember, die am späten Nachmittag mit ihrer Mischung aus Pop-Punk und Post-Hardcore die Evolution Stage zerlegen. Die poppige Note sucht man diesmal größtenteils vergeblich. Bei der Truppe aus Florida reiht sich ein Breakdown an den anderen. Das knallt zwar ordentlich, wird mit der Zeit aber eintönig.

Klorollen von A Day To Remember

Auf Platte ist diese oben genannte Mischung deutlich melodischer und ausgereifter. In dieser Hinsicht war es keine gute Idee, das Set schwerpunktmäßig auf die Hardcore-Anteile zu verlagern. Um ihre Fans bei Laune zu halten, wirft die Crew kleine Wasserbälle und Toilettenpapierrollen ins Publikum. Damit wäre der Vorrat für den Campingplatz auch wieder aufgestockt. Dazu feuern sie Teile ihres Merchandise per Luftdruckkanone in die Menge.

A Day To Remember liefern eine akzeptable, energiegeladene Show und bleiben dennoch hinter den Erwartungen zurück. Das zeigt sich auch an der Reaktion im Publikum: während die ersten paar Reihen Vollgas geben, äußert sich der hintere Rest maximal mit leichtem Kopfnicken.

Radioaktiver Indie-Pop: Imagine Dragons

Das ändert sich phasenweise beim nächsten Act. Vor zwei Jahren spielten Imagine Dragons in Deutschland vor ein paar hundert Leuten. Heute sind es ein paar tausend, die alle sehnsüchtig auf die Band warten, der mit ihrem Mega-Hit "Radioactive" der internationale Durchbruch gelang.

"Wir hatten keine Ahnung, was wir von Deutschland zu erwarten hatten", gesteht Sänger Dan Reynolds. Lob seitens der Band gibt es vor allem für das deutsche Essen und die deutschen Frauen. So gewinnt man Sympathiepunkte.

Durchhänger im Set

Ohne Frage haben Imagine Dragons eine Menge Potential und sind spieltechnisch astrein. Die Tom-Performances von allen Bandmitgliedern lockern die Show auf und nicht nur die Stimme von Reynolds ist kraftvoll und präsent. Reynolds macht an der Front einen guten Job, steigt nach den ersten paar Songs zum Publikum runter und animiert zum Mitklatschen und Mitsingen.

Das klappt vor allem bei den bekannteren Nummern wie "It’s time", "Demons", den Gute-Laune-Tracks "Tiptoe" und "On Top Of The World" und besonders natürlich bei "Radioactive". Dennoch reicht es noch nicht ganz, das gesamte Publikum in seinen Bann zu ziehen. Dafür gibt es noch zu viele Durchhänger im Set der Imagine Dragons. Das könnte sich mit dem kommenden Album ändern.

Musik für den Kater danach: Frittenbude

Auf der Revolution Stage holen Frittenbude die Beats aus der Konserve, spielen aber Gitarre und Bass live dazu. Das Elektropunk-Trio liefert ein überzeugendes Set ab, was von den Besuchern ordentlich abgefeiert wird. "Wer von euch ist betrunken?", fragt Frontmann Johannes Rögner in die Runde. "Und wer ist zu betrunken, um seine Arme zu heben?". Nicht nur der Platz vor der zweitgrößten Bühne ist gut gefüllt. Da steigt die Vorfreude auf Deichkind umso mehr.

Im zweiten Teil: Placebos, 4 Fantas und Kinder vom Deich

Weiterlesen im 2. Teil ›

Teil 1  Teil 2  

Teil 1  Teil 2  

Placebo wirken immer

Derweil bringen Placebo auf der Evolution Stage die Freunde von Indierock, Glamrock und Emorock zusammen und bescheren ihnen einen Höhepunkt des Festivaltages. Placebo legen mit "For What It's Worth" los und die alte Frau Molko meckert immer noch so wunderbar wie vor 15 Jahren. Sah Brian Molko in seiner androgynen Art damals wie ein Rockgott aus, so hat er inzwischen eher etwas von einer Studienrätin Mitte 40 mit makellos schwarz gefärbten Haaren. die den grauen Ansatz nie länger als einen Millimeter werden lassen.

Die Mischung aus Songs des aktuellen Albums "Loud Like Love" und ausgewählten Preziösen aus der fast zwanzigjährigen Bandgeschichte kommt gut an. Auch in den hinteren Reihen merkt man, dass die Fans hier wirklich auf ihre Kosten kommen. Placebo wirken eben immer wieder.

Volles Haus bei den Fantastischen Vier

Aber auch an der Revolution Stage sind die Fans glücklich. Die guten alten Fantastischen Vier zeigen, dass sie ihren Scheiß noch immer beisammen haben und auch nach 25 Jahren immer noch eine fantastische Party schmeißen. Bei keinem anderen Act auf der Revolution Stage versammeln sich so viele Besucher. Der Menschenstrom ist so gigantisch, dass der Teil nach der Fressgasse komplett abgesperrt werden muss. Lange hält das Absperrband bei diesem Andrang allerdings nicht. Ist überhaupt irgendjemand bei The Prodigy?

Für die jahrelange "Troye" ihrer Fans gehen Smudo, Thomas D und Michi Beck sogar auf die Knie. "Unser Publikum hat sich auch kaum verändert. Junge, hübsche Mädchen in der ersten Reihe, eloquente, ältere Herren weiter hinten", witzelt Michi Beck.

Im Herbst erscheint das neue Fanta 4-Album "Rekord". Die Songs daraus, wie das kraftvolle und witzige "Das Spiel ist aus", wissen live ebenso zu überzeugen. Vor allem aber beachtlich ist die Tatsache, dass die Fantas Hits wie "Sie ist weg" oder "MfG" haben, die jetzt schon zwei bis drei Generationen lieben gelernt haben. Kein Wunder, dass bei fast jedem Song an diesem Abend lauthals mitgesungen wird. Da geht noch einiges bei den Fantas!

Abriss mit Deichkind

Während der anschließenden Umbaupause, gesellen sich ominöse Gestalten mit Dreiecksmasken zu der Menge. Denn die Party ist noch nicht vorbei! Deichkind spielen ihre letzte Show in diesem Jahr und gleichzeitig ihre letzte in dieser Form. Das neue Album ist bereits auf dem Weg und mit ihm ein völlig neues Bühnenkonzept. Und bei einem Tourtitel wie "Niveau, Weshalb, Warum" kann man wieder 100% Deichkind erwarten.

"Wir sind hier die Abrissbirne", schallt es von der Bühne. Und Recht haben sie! Wer nach diesem Festivalmarathon noch Kraft hat, der sie wohl nach diesem Auftritt nicht mehr. Mit den Hits "Leider geil", "Mond", "Illegale Fans", "Bück dich hoch", "Limit" und der Zugabe "Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)", inklusive einer riesigen Hüpfburg auf der Bühne, bringen die Deichkinder die gesamte Festivalmeute in Ekstase. Deichkind kann man nicht beschreiben. Deichkind muss man erleben.

Rock'n'Heim 2014 macht Lust auf mehr

Damit endet mehr als würdig das Rock’n’Heim-Festival 2014, das mit seinem abwechslungsreichen Programm insgesamt einen sehr positiven Eindruck hinterlassen hat. Hier kamen Fans fast aller Genres auf ihre Kosten und auch der gestiegene Elektro-Anteil mit DJs wie Skrillex und Zedd wurde dankbar aufgenommen. Am Ende schien sogar Petrus höchstpersönlich ein Fan geworden zu sein. Beste Voraussetzungen für ein mindestens genauso erinnerungswürdiges Rock’n’Heim 2015. 

‹ Zum 1. Teil

Teil 1  Teil 2