Patti Smith (Pressebild, 2012)

Patti Smith (Pressebild, 2012) © Melodie McDaniel

In gelöster, manchmal fast euphorischer Stimmung präsentiert sich Patti Smith bei ihrem Konzert in der Mainzer Zitadelle. Mit unverkennbarem Engagement spielt sie Klassiker und neue Stücke, erinnert an Jerry Garcia und Johnny Winter und fordert die Zuschauer auf, die Welt zu retten.

Die Zitadelle in Mainz ist sozusagen der idyllische Gegenpart zum Zollhafen. Anstatt Beton ist Gras der Untergrund, die Zuschauerzahl ist geringer, die Atmosphäre intimer und der Blick auf Mainz wäre wunderbar, wenn nicht Zäune im Weg stünden.

Direkter Kontakt zum Publikum

Zum Open-Air-Konzert von Patti Smith haben sich zahlreiche Besucher eingefunden, viele jenseits der 50 – was ihren Enthusiasmus aber nicht bremst. Auch Patti Smiths Stimmung ist glänzend, sie lächelt, winkt ins Publikum und sucht den direkten Kontakt mit den Zuschauern. Als sie der Band für einige Minuten die Bühne überlässt, steigt sie in den Fotograben, schüttelt Hände und schaut sich ihre Fans aus der Nähe an.

Bereits der Auftakt sorgt für Begeisterung: "April Fool" von ihrem letzten Album "Banga", ist ein wunderbarer Opener und eines der besten Lieder, das Smith in den letzten Jahren geschrieben hat. Mit "Redondo Beach" und "Dancing Barefoot" folgen zwei unbestrittene Klassiker, makellos von der exzellenten Band (mit Lenny Kaye und Jack Petruzzelli) performt und einwandfrei von Patti Smith gesungen.

Natürlich macht das Alter vor niemandem halt, auch nicht vor Patti Smith, aber ihre Stimme hat sich hervorragend gehalten. Sie vermag ebenso sehnsuchtsvoll wie kraftvoll zu klingen und besitzt immer noch diese unheimliche Kraft, die das Innerste zu erreichen scheint, wie bei "Ghost Dance".

Johnny Winter, Jerry Garcia und der Rhein

Dazu kommt die besondere Stimmung dieses Abends. Mit den Worten "May your white hair fly all over fucking heaven" widmet Patti Smith ein Lied dem jüngst verstorbenen Blues-Rocker Johnny Winter. Außerdem erinnert sie an Jerry Garcia, geboren und verstorben an zwei Tagen im August, indem sie den Text von "Dark Star" rezitiert.

Und dann ist da noch der Rhein, auf den Smith verschiedentlich Bezug nimmt. Sie hat sogar ein Gedicht über die besondere Stimmung geschrieben, die sie erlebte, als sie auf einer Tour (der aktuellen?) den Rhein sah. Es leitet "My Blakean Year" ein, bevor ein Cover von Lou Reeds "Perfect Day" melancholisch die Zuschauer umschwärmt, aber gleichzeitig unterschwellig mit "You're going to reap just what you sow" droht.

Als nächstes die Welt retten

Mit dem aggressiven "Pissing In The River" vollzieht das Konzert einen Schwenk zu rockigerer Musik. Natürlich dürfen "Because The Night" und "Gloria", die beiden großen Coverversionen aus Smith's Karriere nicht fehlen. Viel muss sie gar nicht machen, um das Publikum zum begeisterten Mitsingen zu animieren.

Dass Patti Smith im Zugabenteil "People Have The Power" singt, hätte man nicht unbedingt erwartet, passt aber zu diesem Abend. Sie erinnert die Zuschauer daran, dass sie die Zukunft seien (was vielleicht etwas allzu optimistisch ist) und fordert sie auf, die Welt vor der Zerstörung zu retten.

Ein ganz ähnliches Thema hat schon Neil Young vor wenigen Tagen in den Mittelpunkt seines Konzerts in Mainz gestellt. Und wirklich: man sieht einige der schwarzen "Earth" T-Shirts, die dort kostenlos verteilt wurden. Neil Young und Patti Smith haben gesprochen, jetzt müssen wir es nur noch in die Tat umsetzen.

Setlist

April Fool | Redondo Beach | Dancing Barefoot | Fuji-San | Distant Fingers | Ghost Dance | (Band Medley) | My Blakean Year | Perfect Day | Pissing In A River | Because The Night | Gloria

Zugabe: Banga | Beneath The Southern Cross | People Have The Power | Rock'n'Roll Nigger

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