© Frank Jasper

Zum fünften Mal fanden rund um den Hamburger Hafen über 60 Konzerte im Rahmen des Elbjazz Festivals statt. Stars wie Hugh Masekela und Gregory Porter brachten die 15.000 Zuschauer bei nur selten störendem Regen zum Tanzen. Jaimeo Brown Transcendence und Rebekka Bakken sorgten für die gefühlvolleren Momente.

Es war ein entscheidendes Jahr. Hinter den Kulissen wurde schon gemunkelt, dass die fünfte Ausgabe des Elbjazz Festivals die letzte sein könnte, gäbe es noch einmal so ein Katastrophen-Jahr wie 2013. Damals sorgten Kälte und Dauerregen dafür, dass die Zuschauerzahlen trotz eines hervorragenden Musikprogramms weit hinter den Erwartungen zurück blieben.

Afrikanischer Auftakt

2014 sind die Vorzeichen besser: pünktlich am frühen Freitagabend lässt sich auf dem weitläufigen Werftgelände von Blohm+Voss die Sonne blicken. Hugh Masekela tritt dort auf der großen Bühne auf. Der Trompeter war im 20. Jahrhundert eine der wichtigsten Figuren im südafrikanischen Jazz. Er mag nicht mehr dieselbe Bedeutung haben wie 1959, als er zusammen mit Abdullah Ibrahim und den Jazz Epistles die erste afrikanische Jazz-LP überhaupt aufnahm. Aber der 75jährige ist blendend gelaunt und stets zu Scherzen aufgelegt.

Zuweilen droht das Konzert in eine Comedy-Show umzukippen, aber sein musikalisches Talent und die Begleitung durch seine famose fünfköpfige Band machen Masekelas Show zu einem der Highlights des ersten Festivaltages. Cameron Wards typisch afrikanische Gitarrensounds halten den Sound der Gruppe zwischen Jazz, Afro-Beat und Soul zusammen. Masekelas Stimmakrobatik ist erstaunlich, und zum Abschluss bringt das Cover von "Lady", Fela Kutis Hymne auf die afrikanische Frau, noch den letzten steifen Hanseaten zum Swingen.

Keine Architektur für gute Stimmung

Die Festivalmacher um Leiterin Tina Heine haben 2014 dafür gesorgt, dass die Konzerte der drei Bühnen bei Blohm+Voss versetzt stattfinden. So schafft man es nach Hugh Masekela beinahe pünktlich zu Tonbruket in die alte Maschinenbauhalle. Dan Berglund war einmal Bassist im Trio von Esbjörn Svensson, bis dessen Tod eine große Pianistenkarriere jäh beendete. Mit Tonbruket setzt Berglund die experimentellen Pfade von EST fort.

Die Musik des Quartetts ist weder Jazz noch Rock noch Electro, sie mäandert schwül durch die langgestreckte Industriehalle. Die hat zwar eine gerade noch annehmbare Akustik, lässt aber durch ihre Schlauchform nur schwer Stimmung aufkommen, zumal sie nicht für mehrere tausend Zuschauer ausgelegt ist. Das beeinträchtigt auch den Genuss des Konzertes von Pianist Avishai Cohen. Dicht gedrängt, aus hundert Metern Entfernung, kommt der virtuose Sound des Trios zwischen amerikanischem Jazz und israelischem Folk kaum zur Geltung.

Weniger Bands, bessere Erreichbarkeit

Das Elbjazz 2014 hat deutlich abgespeckt. Statt über 80 Künstler wie im vergangenen Jahr sind es nur noch 60, dafür treten einige gleich mehrfach auf. Wieder dabei sind exotische Locations wie das DDR-Fischereischiff MS Stubnitz oder die St. Katharinen-Kirche. Die Spielorte rund um den Fischmarkt sind komplett weggefallen, was den Transfer von Bühne zu Bühne deutlich vereinfacht.

Doch noch immer ist es ein weiter Weg vom Blohm+Voss Werftgelände zum Kehrwieder Theater auf der anderen Elbseite. Wer ihn im samstagabendlichen Regen dennoch gefunden hat, wird mit hochklassigem Trio-Jazz belohnt.

Herausragende Trios

Die Gruppe Transcendence um den New Yorker Schlagzeuger Jaimeo Brown samplet alte Gospel- und Bluesaufnahmen und bindet sie in ihren schwebenden Spiritual-Jazz Sound ein. Fast ohne Pause spielen sie ein einstündiges Set, getragen von Roy-Haynes-Saxofonist Jaleel Shaw und dem sensiblen Drumming von Jaimeo Brown.

Den nächsten Auftritt in dem kleinen Theater in der Speicherstadt haben Phronesis. Das skandinavisch-englische Trio um den Dänen Jasper Høiby am Kontrabass zeigt ein derart perfektes Zusammenspiel, wie man es zurzeit wohl nur noch bei Brad Mehldaus oder Keith Jarretts Trio findet. Mit traumwandlerischer Virtuosität spielen sie ihren druckvollen Post-Bop, kein Wunder, hat die Band doch ihr letztes Studioalbum "Walking Dark" in kompletter Dunkelheit aufgenommen.

Lässiger Soul-Jazz aus Finnland

Unumstrittener Headliner des Festivals ist der Amerikaner Gregory Porter. Seit seinem zweiten Album "Be Good" von 2012 ist er einer der gefragtesten  Soul- und Jazz-Sänger überhaupt. Das Hamburger Publikum muss notgedrungen bis 23 Uhr auf seinen Auftritt inklusive eines inspirierten Ray-Charles-Covers warten.

Die dunklen Gewitterwolken ließen viele Zuschauer schon beim Set von Saxofonist Timo Lassy in Richtung trockene Maschinenbauhalle flüchten. Sie verpassten einen energiegeladenen Auftritt des finnischen Quintetts, deren lässiger Soul-Jazz von Abdissa Assefa und Teppo Mäkynen an Percussion respektive Drums angefeuert wird. Daheim in Helsinki füllen sie regelmäßig angesagte Clubs, auf der großen Elbjazz-Bühne ist ihr Sound nicht ganz so druckvoll, aber immer noch äußerst tanzbar.

Prince vs. Kirmes-Techno

Entdeckungen ließen sich wie jedes Jahr beim Elbjazz Festival machen, wenn auch nicht immer die besten. Die schwedischen Dirty Loops verfügen über einen Sänger, der gerne Michael Jackson wäre;  die Band schwankt dabei zwischen einem 80er Jahre Prince- und 2000er Justin Timberlake-Sound. Und scheitert daran grandios, denn mit billigen Kirmes-Techno-Beats hat das noch keiner geschafft.

Pink Freud aus Polen wurden als Band zwischen Jazz, Punk, Folk und Drum’n’Bass angekündigt, klingen aber vor allem nach Free-Jazz ohne Feeling. Lichtblick: ihr reduziertes Cover von Nirvanas "Come as you are".

Sorgen unbegründet?

Ähnlich kakophonisch kommt zuweilen der Auftritt von Rebekka Bakken daher, die im Trio mit den Avantgarde-Musikern Jan Bang und Eivind Aarset auftritt. Doch bei der Norwegerin stimmt das Gefühl. Ihre spartanischen Versionen von Tom Waits Songs und norwegischen Volksliedern sind tief berührend.

Und bestärkt den Zuschauer im Gefühl: Wahre Schönheit kommt manchmal nur durch Anstrengung zutage. Mit solchen Acts braucht man sich um das Elbjazz 2015 keine Sorgen zu machen.