Black Sabbath: Mayhem in der Festhalle

Black Sabbath: Mayhem in der Festhalle © Wizard Promotions

Sind wir doch mal ehrlich: jeder der aktuell ein Konzert von Black Sabbath besucht, fragt sich, wie die "Altrocker" den Auftritt überstehen und wie sich Urgestein Ozzy Osbourne wohl schlagen wird. Die Antwort aus Frankfurt: Jaaaaaaaaaaaaa!

Lassen wir mal die ganze bücherfüllende Vorgeschichte zur erneuten Rückkehr von Black Sabbath außen vor. Nachdem die Konzertinstitution Westfalenhalle in Rekordzeit ausverkauft war, zollte man im Frühsommer 2013 der großen Nachfrage Tribut und hängte ein weiteres Konzert in der altehrwürdigen Frankfurter Festhalle an. Nach den fast euphorischen Kritiken aus Dortmund war also die Erwartungshaltung sehr groß.

Das weitläufige Rund der Festhalle ist eine halbe Stunde vor Beginn der Supportband bereits brechend voll. Ungeduldige drängen in den mit Wellenbrechern und Sperrschutzzonen abgetrennten vorderen Bereich. Das Publikum erträgt geduldig die Sabbath-Adepten Uncle Acid & The Deadbeats, die mehrstimmigen seventiesinfizierten Stonerrock spielen und zumindest die Masse nicht gegen sich aufbringen.

Gefahr liegt in der Luft

Es riecht nach Hasch, trotz Rauchverbots. Später fliegen unentwegt halbvolle Bierbecher und auf der Herrentoilette erschwert Erbrochenes den Gang zum WC. Keine Frage: Das Konzert atmet trotz angesetzter Patina den Geist der Siebziger: es ist ein wenig gefährlich.

Das passt zur Reputation von Black Sabbath, der Band, die wider Willen bereits seit ihrem Debut immer wieder gerne mit dem Teufel in Verbindung gebracht wird, was ihr bis heute einen nahezu unantastbaren Status im harten Genre eingebracht hat.

Es folgt ein kurzer Umbau, ein Vorhang wird installiert und plötzlich hört man die meckernde Stimme von Ozzy aus dem Off. Bereits hier recken sich mindestens 10.000 Hände gen Bühne und man hört die wohlbekannten "Ozzy, Ozzy"-Rufe. Los geht‘s mit War Pigs, einem der vielen Klassiker des zweiten Sabbath-Albums Paranoid.

Vom Banker bis zur Hausfrau

Grandios pendelt Iommi zwischen dem mächtig-brachialem Riff und fast jazzigen Licks, während Geezer Butler mit seinem prägnantem Bass alles zusammenhält. Die Message, eine Generalabrechnung mit Kriegstreibern dieser Erde, ist heute so aktuell wie damals. Bereits hier animiert Ozzy das dankbare Publikum zum Mitklatschen und Füßestampfen, wie er es die nächsten zwei Stunden ohne Unterbrechung tun wird.

Das Publikum könnte nicht bunter sein: vom Weißhemdbänker aus der Taunusanlage, über volltätowierte Kuttenträgern und knallharten Fans der ersten Stunde bis hin zur "mitgeschleppten" Hausfrau ist alles vertreten. Aber es eint sie, dass sie in Ozzy Osbournes Händen zu einer Fanmasse verschmelzen, die sich dem Zeremonienmeister willig hingibt.

Die Setlist nimmt Fahrt auf. N.I.B., eine weitere Großtat vom Debütalbum, in der die Band das geschickte laut/leise Spiel ihrer Frühphase perfekt in Szene setzt, sorgt bei Altfans für schiere Verzückung. Die Band hat sich 2013 auf ihre Wurzeln besonnen und spielt fast ausschließlich Stücke der ersten vier klassischen, genrebildenden Sabbath-Alben, die zwischen 1970 und 1972 entstanden.

Straubtrockener Doomrock

Der Reigen an Klassikern wird nur von Dirty Women unterbrochen, einem Stück aus der erratischen Bandphase von 1976, als Drogen, Alkohol, Groupietum bereits begonnen hatten die Kreativität der Abend nachhaltig zu zerstören. Dazu kommen drei neue Songs Age Of Reason, Beginning Of The End und der Single God Is Dead?, die allesamt vom Publikum frenetisch mitgesungen werden und zeigen, dass der Band mit 13 wirklich ein prägnantes Comeback gelungen ist.

Es zahlt sich aus, dass Rick Rubin sich die Zeit nahm, die Band zu ihren Wurzeln zurückzuführen. Das heißt: staubtrockener, blueslastiger Doom- und Heavyrock ohne produktionstechnischen Firlefanz. Die einzige Schattenseite ist die Abwesenheit von Bill Ward, dem Urdrummer, der wegen einer Mischung aus schweren gesundheitlichen Problemen und Vertragsproblemen nicht mehr mit an Bord ist.

Interessanterweise spielte bei den Sessions zu 13 der jetzige Livedrummer und Bill Ward-Ersatzmann Tommy Clufetos für Rubin keine Rolle. Rubin setzte auf Rage against the machine-Drummer Brad Wilk, der den jazzig-federnden Stil von Urdrummer Ward fast punktgenau imitieren konnte.

Wie damals auf dem Schulhof

Clufetos dient allerdings am Mittwochabend den drei Altvorderen als neuer Herzschrittmacher, der mächtig Druck aufbaut. In der Mitte des Sets wird ihm Platz für ein herrlich altmodisches Schlagzeugsolo eingeräumt bei der er auf der großen dreigeteilten, spinnenwebenartigen Leinwand mit nacktem Oberkörper tatsächlich wie eine Mischung aus Jesus Christus und Osama bin Laden wirkt.

Während des Konzerts geht Ozzy immer wieder zu Tony Iommi und beide lachen wie kleine Schulkinder. Es war ein weiter Weg von der Pre-Sabbath Band Earth zum Götterstatus 2013.  Die Reaktion und Willigkeit dieser Riesenfanmasse scheint beide gestandenen Männer zu berühren. Man sieht ihnen die Freude förmlich an. Nichts wirkt gestellt, man hat sich an den eigenen Haaren nochmals aus dem Sumpf gezogen, bevor das Schicksal ein Weitermachen vielleicht nicht mehr zulässt. Die drei Protagonisten genießen es in vollen Zügen.

Glückliche Gesichter allerorten

Ozzy wirkt mit seinen 65 immer noch fit für die Bühne und wenn seine Mimik und Gestik teilweise auch autistische Züge annimmt, verpasst er keinen Einsatz. Er ist der Frontmann bei Sabbath und so wollen es die Fans, egal welche fragwürdigen Außerbandaktivitäten und Reality Shows er mit zu verantworten hat. Schwamm drüber!

Das Konzert treibt mit den drei ewig großen Schlusstücken Iron Man, Children Of The Grave und als Zugabe Paranoid dem Höhepunkt entgegen. Die Festhalle tobt, Ozzy dreht trotzdem noch weiter an der Animationsschraube und will bei Iron Man wirklich "all of you crazy fuckers" durchdrehen sehen. Das aus ganz Deutschland nach Frankfurt gepilgerte Fanvolk, ist ausgehungert nach Sabbath und es wird ein stampfender, adrenalingetränkter Abschluss.

Danach sind nur noch glückliche und erfüllte Gesichter beim Verlassen der Halle auszumachen. Ozzy, dieser alte Schelm hat es geschafft, dass die Leute auf dem Weg zum Zug oder Parkhaus immer noch über seine famose Bühnenleistung reden und nicht die am gleichen Tag publizierten Unterleibsnews seiner Ehefrau und "Miterfinderin" Sharon. Das nennt man Nachhaltigkeit.

Setlist

War Pigs | Into the Void | Under the Sun/Every Day Comes and Goes | Snowblind | Age of Reason | Black Sabbath | Behind the Wall of Sleep | N.I.B. | End of the Beginning | Fairies Wear Boots | Rat Salad | Iron Man | God Is Dead? | Dirty Women | Iron Man | Children of the Grave | Zugabe: Paranoid (mit (Sabbath Bloody Sabbath Intro)

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